Lausitzer Geschichte: Aus den letzten Lebenstagen des Fürsten Pückler-Muskau

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Gelegentlich der Erörterung der Leichenverbrennungsfrage ist in jüngster Zeit auch mehrfach der Zerstörung des Leichnams des Fürsten Pückler-Muskau gedacht worden. Aber sowohl in dem klaren und anregenden Vortrage, welchen Herr Professor Dr. Reclam aus Leipzig in der zweiten Sitzung der siebenundvierzigsten Versammlung der Naturforscher und Aerzte zu Breslau hielt, wie auch in der „Biographie des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau“ von Ludmilla Assing, sowie endlich in der in Nr. 34. dieses Blattes enthaltenen Mittheilung sind die Vorgänge bei der Zerstörung des Leichnams des Fürsten nicht genau geschildert.

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Von Dr. Liersch

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Nachdem ich nun schon im Jahre 1871 anderswo einen kurzen Bericht über die Bestattung des Fürsten Pückler-Muskau veröffentlicht habe, gestatte ich mir, den nachfolgenden Erinnerungen an die letzten Lebenstage des Fürsten eine wahrheitsgetreue Schilderung der Vorgänge bei der Zerstörung des Leichnams desselben hinzuzufügen. –

Raphael’s „Papst Julius der Zweite“, jenes hochberühmte Gemälde im Palazzo Pitti zu Florenz, welches uns einen der schönsten und ehrwürdigsten Greise vorführt, stieg mir immer lebhaft in der Erinnerung auf, wenn ich Morgens gegen elf Uhr in das Schlafzimmer und an das Lager des greisen Fürsten Pückler trat. Die rothseidene Mütze an Stelle des sonst die Haustoilette vollendenden Fez, der über die Schultern graciös geschlungene lila Shawl, die seidenen Handschuhe über den langen, schmalen, feinen Händen, der schöne wohlgepflegte weiße Bart und das markirte Gesicht mit der hohen Stirn und der starken Nase, besonders aber die milden blauen Augen hätten in dem im Bette aufrecht sitzenden und von seiner Morgenlectüre aufblickenden Patienten vielmehr einen ehrwürdigen Kirchenfürsten vermuthen lassen, als den durch die Strudel des Lebens so vielfach hin und her geworfenen Semilasso. Die ganze Decoration des Zimmers jedoch, die türkischen krummen Säbel, die indischen Waffen, die Straußenfedern und das mit buntbeblümter Portière halb verhüllte Feldbett ließen bald jeden Zweifel schwinden, daß der ehrwürdige Herr doch der einstige Freund Mehemed Ali’s und der Retter der schönen unglücklichen Machbuba sei. In überaus liebenswürdiger Weise lud er mich zum Niedersetzen ein, und nach kurzer Besprechung seiner physischen Erlebnisse und Zustände ging die Unterhaltung bald auf Tagesereignisse und Literatur über.

Fürst Pückler pflegte als Halbpatient in seinen letzten Lebenstagen, wie schon früher, die Nacht zum Tage zu machen. Er brachte oft den ganzen Tag im Bette zu, las, schrieb, empfing selbst intime Bekannte in seinem durch Vorhänge halbverdunkelten Boudoir, stand erst gegen Abend auf, um seine übliche sorgsame Toilette zu machen und ein Bad zu nehmen, und begrüßte dann in seinem bekannten türkischen Costüme die zum Abenddiner geladenen Gäste, um sich ihnen bis nach Mitternacht als der liebenswürdigste Wirth zu zeigen. Zuweilen blieb er tagelang allein in seinen Gemächern, um dann mit einem Male mit der Elasticität eines Jünglings, sei es bei Tage oder bei Nacht unter Fackelbeleuchtung, einen weiten, stundenlangen Spaziergang durch seinen so sehr gepflegten und doch immer umgeänderten Park zu machen. Sein bis in’s hohe Alter sich vortrefflich haltendes Auge gestattete ihm selbst ohne Brille die langen Nächte hindurch bei Oellampenlicht die feinste Druckschrift zu lesen, und so war Lectüre oft seine einzige Unterhaltung außer den alltäglichen Geschäften, welche sein Besitzthum und die nimmer endenden Parkanlagen mit sich führten. Mit Vorliebe las er in der letzten Zeit Bodenstedt, Schopenhauer und russische Dichter; Gespräche über transscendentale Dinge, über Unsterblichkeit, über psychologische Fragen regten ihn stets an, wie er aber auch gern von den neuesten Errungenschaften der Naturwissenschaften sich Bericht erstatten ließ.

Den leiblichen Schmerz, den er in seinem reichen Leben im Ganzen wenig auszuhalten nöthig gehabt hatte, dem er aber auch mit peinlichster Sorgfalt auszuweichen suchte, erklärte er sich als ein Zeichen unserer irdischen Unvollkommenheit, wie er auch eine allgemeine, aber nicht eine individuelle Unsterblichkeit dem entwickelteren menschlichen Geiste zuschrieb und eine Versetzung auf einen schöneren und vollkommeneren Weltkörper nach dem Tode sich wünschte. Todesfurcht kannte er nicht; er fühlte sich am Ende des irdischen Lebens angelangt und wünschte wohl zuweilen, noch zehn Jahre zu leben, aber ebenso wenig verlangte er, sein Leben künstlich verlängert zu sehen; nur den Schmerz wünschte er beseitigt. Er hatte ein lebhaftes Gedächtniß für seine physischen Wandlungen und Störungen und wendete auch hier wie in seinen trotz der zunehmenden körperlichen Schwäche immer geistreichen und anziehenden Unterhaltungen sich immer gern seiner Jugendzeit zu.

Wie bei den meisten Menschen, waren auch bei ihm die Erinnerungen an die Zeit seiner Kindheit und vollen Lebensjugend in seinem hohen Alter die lebendigsten geblieben; doch vermochte er mittelst seiner reichen Phantasie auch die Ereignisse des späteren Lebens oft genug äußerst lebhaft, drastisch und hinreißend zu schildern. Unvergeßlich bleibt mir ein Abend, wo er seine Begegnung mit Lady Esther Stanhope und seine nächtlichen Zusammenkünfte mit der rosenumdufteten Sibylle in seiner pikanten scherzhaften Weise uns schilderte. Selbst in seiner letzten Lebenszeit bewegte er sich in der Unterhaltung immer noch so frei, daß er stets der Mittelpunkt derselben blieb und gewandt auf alle Eigenthümlichkeiten seiner Gäste und Freunde einzugehen wußte; er konnte sich dem starren Orthodoxen gegenüber ebenso nachgiebig und tolerant zeigen, wie er alle ihm zu weit gehenden materialistischen Anschauungen geschickt bei Seite zu schieben wußte.

Pückler war, wie man zu sagen pflegt, eine weibliche Natur, so männlich und kräftig er im Leben aufzutreten wußte. Sein vorzüglich angelegter und stets sehr gepflegter Körper war im Ganzen fein und zart, seine Haut weich, fast durchsichtig; seine Züge waren regelmäßig, edel und geistvoll, seine Augen blaugrau, bald milde, einschmeichelnd und heiter, bald funkelnd und strahlend, ein schöner Spiegel seiner geistigen Beweglichkeit und Lebhaftigkeit. Er war physisch für Reize sehr empfänglich; Medicamente wirkten bei ihm schnell, deutlich und energisch, zumal er ihre Wirkungen, wenn er sich einmal zum Gebrauche von Arzneien entschlossen hatte, so wenig wie möglich zu stören suchte. Sein ganzer Organismus bewahrte bis in’s hohe Alter eine merkwürdige Zähigkeit; Krankheiten nahmen bei ihm meist einen mehr schleppenden, als acuten heftigen Charakter an.

Er gab sich im Leben oft großen Unregelmäßigkeiten hin, hielt dann aber auch Rast und Ruhe, übte tagelang die größte Strenge an sich und nahm das kleinste Leiden, wenn es irgend anging, sehr ernsthaft. In seinen letzten Jahren bewachte er seine Reconvalescenz stets sehr peinlich und blieb seinen Gewohnheiten sehr getreu. Mit Aerzten besprach er sich sehr gern, und so viele sich seiner Gunst zu erfreuen gehabt hatten, so bewahrte er doch den meisten eine große und dankbare Anhänglichkeit. Seine Weichheit und sein tiefes Gemüth, gepaart mit Leidenschaftlichkeit und Feuer, andererseits seine körperliche Zähigkeit, die oft schnell eintretende Abspannung, aus der er sich aber urplötzlich wie ein Phönix erhob, sein bewunderungswürdiges Simulationstalent, das ihn bei seinem unendlichen Wechsel in Berücksichtigung und Geringschätzung der Welt wesentlich unterstützte, seine wohl zu verzeihende Eitelkeit, die ihm bis in’s hohe Alter verblieb, vor Allem seine Eigenthümlichkeit, dem augenblicklichen Eindrucke schnell zu folgen, woraus oft die reizendste Gutmüthigkeit, aber zuweilen auch eine ungerechtfertigte Strenge und ein fast unerklärbares Uebelwollen erwuchs – alles dieses war begründet in der seiner ganzen Natur aufgedrückten Weiblichkeit. Er konnte so launig, aber auch so liebenswürdig wie eine Frau sein, leichtsinnig in der Jugend, wohlwollend im Alter, leidenschaftlich bis zum Exceß und wieder apathisch und fast schüchtern zurückhaltend.

Ein großer Theil dieser Eigenthümlichkeit fand seine Begründung in dem französischen Blute, das in seinen Adern rollte. Es ist bekannt, daß seine Mutter, Gräfin Clementine Callenberg, eine Tochter der französischen Gräfin Olympia de la Tour du Pin war. Interessant ist, daß er als erstes Kind einer kaum fünfzehnjährigen Frau so starke Lebensfähigkeit erhalten hatte und wirklich über fünfundachtzig Jahre alt wurde; er wurde den 30. October 1785 an einem Sonntage geboren und starb am Sonnabend, den 4. Februar 1871, wenige Minuten vor Mitternacht.

Im Juli 1867 trat ich dem Fürsten Pückler zum ersten Male als Arzt gegenüber. Er litt schon seit einiger Zeit an einem Magenkatarrh, welcher, ohne daß Fieber hinzutrat und andere Organe wesentlich in Mitleidenschaft gezogen wurden, sich trotz vielfacher Curbestrebungen ungemein lang hinzog. Natürlich sanken die Kräfte sehr bedeutend, und die Schwäche nahm so zu, daß ernste Besorgnisse auftreten mußten. Jedoch hatten die Enthaltung jeder festen Nahrung, die Aufnahme von einfachen Flüssigkeiten und der sehr eingeschränkte Gebrauch von Medicamenten den guten Erfolg, daß das Schleimhautleiden sich wieder löste und der Patient sich gegen den Herbst soweit erholte, daß er mit allem Eifer sich wieder seinem Parke widmen konnte. Er hatte schon im Winter die feste Absicht, nach Oberitalien oder Tirol zu reisen, da ihm der Aufenthalt in Bozen schon einmal nach langer Krankheit gute Dienste geleistet hatte; er entschied sich aber endlich auf ärztlichen Rath für Wildungen, das er im August 1868 besuchte, nachdem schon Monate vorher Vorbereitungen zur Reise getroffen worden waren. Freilich erholte sich der Körper nicht mehr vollständig, vielmehr erhielt sich der Fürst nur durch äußerst vorsichtige und einfache Lebensweise, ohne daß besondere Krankheiten auftraten; kleine Unpäßlichkeiten wurden gewöhnlich durch tagelanges Zurückziehen und stillen Aufenthalt im Bette beseitigt. Aber trotz der allmählichen Abnahme der körperlichen Kräfte blieb Pückler’s Geist immer noch sehr rege und thätig, namentlich sein Sinn für die Natur und seine Neigung für Gartenkunst. Aber auch der Literatur blieb er getreu; nur die Politik und die Tagesereignisse bewegten ihn weniger. Lebhaftes Interesse gewann ihm ein in der Bibliothek des Schlosses Branitz befindliches Buch ab, das „Journal de la santé du roi Louis XIV“, niedergeschrieben von den Leibärzten desselben; auf seinen Wunsch gab ich eine Besprechung dieses Buches in Druck (Bremen 1869), bei welcher ich gleichzeitig den Zustand kurz schilderte, in welchem sich die medicinische Wissenschaft in der zweiten Hälfte des siebenzehnten und im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts in Frankreich befand. Fürst Pückler hatte in der That Vieles mit Ludwig dem Vierzehnten gemein; auch Ludwig der Vierzehnte war weniger eine männlich starke, als weiblich zähe Natur und erreichte trotz der vielen Krankheiten von den Pocken bis zur Gicht, zum Steingries und dem Brande der Alten ein ziemlich hohes Alter.

Nach Weihnachten 1870 wurde ich plötzlich zum Fürsten gerufen. Eine einfache Grippe hatte ihn befallen, störte aber diesmal die Ernährung des so ausgezeichneten Körpers bald so bedeutend, daß Ende Januar 1871 vollständiger Nachlaß der Kräfte eintrat. Am Mittwoch den 1. Februar, sah der Fürst zum letzten Male seine Nichte und spätere Universalerbin Frau von Pachelbl-Gehag, geborene Gräfin von Seydewitz, bei sich; sein Nachfolger im Majorate und in der Ausführung der vielbewunderten Anlagen des Branitzer Parkes, der Herr Reichsgraf Heinrich von Pückler, weilte damals als Rittmeister mit den deutschen Truppen im Vaterlandskriege in Frankreich.

Die Nacht des 4. Februar werde ich nie vergessen. Es war ein finsterer, stürmischer Abend, als ich das letzte Mal zu dem Schwerkranken hinausfuhr; die aufgeregte Natur stimmte zu meinem Innern, das auch unruhig und tief bewegt war. Voraussichtlich mußte in dieser Nacht die Katastrophe eintreten. Das hohe Schloß, das oft so glänzend und brillant erleuchtet war, stand starr, finster und schaurig da; nur ein matter Lichtschein drang von den oberen Eckfenstern durch die Nacht. Wo sonst die Bedienten so lebendig und geschäftig durch die hellerleuchteten Corridore stürzten, war Alles still, und Jeder ging schweigend und beklommen an dem Andern vorüber. In dem schwacherleuchteten Schlafgemache lag der Fürst wie von einem sanften Schlafe umfangen; nur hin und wieder murmelte er leise einige kaum verständliche Worte, die an seinen Park und seine treuen Rosse erinnerten.

Mit seinem kleinen wohlbekannten Geheimsecretair Billy Masser saß ich bis elf Uhr still beobachtend an diesem friedlichen Sterbelager eines so bedeutenden und Tausenden wohlbekannt gewordenen Mannes. Welche Gedanken gingen da durch unsere Seele, so tief bekümmert sie war durch den drohenden Verlust! Endlich, gegen Mitternacht, wurde der Athem immer langsamer und äußerst sanft. Ohne jeglichen Todeskampf hauchte der Fürst seinen letzten Athem aus. Es war fünf Minuten vor zwölf Uhr, am 4. Februar 1871. In stiller Wehmuth drückte ich ihm die Augen zu. – Fast drei Jahre später, am 26. December 1873, wurde in denselben Gemächern, welche der Fürst zuletzt bewohnt und in denen er sein Leben beschlossen hatte, dem jetzigen Besitzer von Branitz, dem Herrn Reichsgrafen von Pückler, ein tüchtiger Sproß geboren, der Vierte dieses Geschlechts, der den Namen Hermann in der Taufe erhielt.

Das Testament des Fürsten Pückler sagte im sechsten Paragraphen: „Mein Leichnam soll, zur Ermittelung der Todesursache, von den drei Aerzten: Sanitätsrath Dr. Malin, Dr. med. Liersch und dem Kreis-Chirurgus Dr. Richter, alle Drei zu Cottbus wohnhaft, secirt, dann aber chemisch oder auf andere Weise verbrannt und die übrigbleibende Asche in eine kupferne, demnächst zu verlöthende Urne gethan und diese in den Tumulus des Branitzer Parkes eingesetzt werden.“

Da sich bei der Berathung der Herren Testamentsvollstrecker mit den Aerzten Bedenken gegen eine Verbrennung des Leichnams durch trockenes Feuer erhoben, so reiste Herr Kreisgerichtsdirector Sturm nach Berlin und befragte den Herrn Präsidenten des Consistoriums der Provinz Brandenburg (nicht den Cultusminister Mühler) und einen Chemiker, Herrn Dr. Müller. Ersterer hatte gegen eine Verbrennung der Leiche Nichts einzuwenden; Herr Dr. Müller empfahl die Auflösung der Leiche in concentrirter Schwefelsäure.

Da die mittlerweile eingetroffenen fürstlichen Verwandten baten, von der Verbrennung des Leichnams auf einem Scheiterhaufen abzustehen, da ferner diese Verbrennung überhaupt, abgesehen von der Menge des dazu nöthigen Holzes, doch eine sehr schwierige und kaum vollständig zu bewerkstelligende wäre, da außerdem zu derselben ein besonderer Apparat zur Sammlung der Körperasche angefertigt werden mußte, der in so kurzer Zeit, wie sie bis zur Bestattung gegeben wurde, sich nicht beschaffen ließ, und da endlich im Testamente die chemische Verbrennung vorangestellt war, so wurde von einer Zerstörung des Leichnams durch Feuer abgesehen.

Nach den Ansichten, welche der Fürst uns Aerzten gegenüber wiederholt ausgesprochen hatte, würde er die jüngste Bewegung für Leichenverbrennung mit Enthusiasmus begrüßt und sicher sich einem Siemens’schen Ofen überliefert haben. Aber auch die chemische Zerstörung des Leichnams war zu damaliger Zeit nicht leicht zu bewerkstelligen. Die Auflösung desselben in Schwefelsäure, welche bezüglich der Weichtheile sicher in wenigen Stunden erfolgt wäre, und bei welcher auch die Knochen, die vielleicht besser mit Salzsäure aufzulösen gewesen wären, in kurzer Zeit zerfallen sein würden, hätte, zumal bei der großen Menge Wasser, welche ein menschlicher Körper enthält, sehr große Gefäße, namentlich einen großen Bleitrog oder Glasgefäße, erfordert.

Auch ließ sich die Eindickung der entstandenen breiigen Masse sicher nicht unter vierzehn Tagen bewerkstelligen, abgesehen von der Schwierigkeit der Operation überhaupt unter den hier gegebenen Verhältnissen. So entschlossen wir drei Aerzte uns endlich, unter Beirath des Herrn Apothekers Rabenhorst, die chemische Zerstörung des Leichnams mit kaustischen Alkalien vorzunehmen. Wir hatten zuvor Versuche angestellt, aus welchen sich ergab, daß Muskelfleisch, mit solchen kaustischen Alkalien behandelt, sich in kurzer Zeit in eine gallertartige rothe Masse auflöst, daß die Knochen selbst weich und mürbe werden und daß die Fettsubstanzen sich in eine seifenartige Substanz umwandeln. Es wird also durch die Behandlung eines thierischen Körpers mit kaustischen Alkalien eine Art Verseifung eingeleitet.

Dem Testament entsprechend wurde zunächst am 7. Februar der Leichnam von uns drei Aerzten geöffnet, und konnten wir unser Gutachten dahin zu Protocoll geben, daß Se. Durchlaucht der Fürst Pückler-Muskau nicht durch eine locale Erkrankung, sondern durch allgemeine Alterserschöpfung – Marasmus senilis – verstorben sei. Das Herz wurde demnächst in eine Glasphiole gelegt und mit sieben Pfund concentrirter Schwefelsäure übergossen, wodurch es sehr bald in eine dunkelschwarze, formlose Masse umgewandelt wurde. Die Glasphiole wurde in eine kupferne Urne gestellt und diese dann verlöthet. Der geöffnete Leichnam hingegen wurde nach leichter Umhüllung mit einem feinen Laken in einen Metallsarg gelegt und mit einer Mengung von Aetznatron, Aetzkali und Aetzkalk durch und durch durchtränkt. Es wurden hierzu zehn Pfund Aetznatron, zwanzig Pfund Aetzkali und fünfundzwanzig Pfund Kalkhydrat gebraucht.

Es war nicht etwa eine gewisse Eitelkeit des Fürsten, seine irdischen Ueberreste auf nicht gewöhnlichem Wege der Erde übergeben zu lassen; es war ihm nur ein Gräuel, einst den Würmern anheimzufallen und befürchten zu müssen, daß seine Gebeine zerstreut und verworfen werden könnten. Und dies ist verhindert worden, da sein Leichnam schneller und sicherer dem Verfall und dem Zerstörungsproceß entgegengeführt worden ist, als dies bei anderen todten Körpern der Fall zu sein pflegt.

Am 9. Februar 1871, an einem sehr kalten Tage bei zehn Grad Kälte, bei Sturm und Schneegestöber fand die Einsetzung der irdischen Ueberreste des Fürsten in die von ihm selbst zu diesem Zwecke errichtete und mit einem See umgebene Erdpyramide statt, nachdem zuvor im Schlosse eine erhebende Trauerfeierlichkeit stattgehabt hatte. Der verschlossene reichverzierte Sarg von Eichenholz wurde in den in den Tumulus gegrabenen Stollen gestellt und die Urne mit dem aufgelösten Herzen auf dem Hauptende des Sarges befestigt. –

Jetzt ist der Stollen geschlossen; kaum eine Spur des Einganges ist äußerlich zu bemerken. Das freundliche Grün des Tumulus kehrt mit jedem Frühjahre wieder; der liebliche Park schmückt sich unter der besondern Fürsorge des jetzigen Besitzers mit jedem Jahre schöner und schöner; denn dieser hält Alles, was zur Erinnerung an seinen hochberühmten Onkel gehört, in Ehren. Die buntgefiederten Sänger, namentlich der Pirol, den der alte Herr so sehr liebte, kehren Jahr für Jahr in den gastlichen Hain zurück – aber der Schöpfer der freundlichsten Oase der einförmigem Mark ruht still in seinem Tumulus, umgeben von klarem, stillem Gewässer.