Handrij Zejler – Lausitzer Persönlichkeiten: Einer der Begründer der modernen sorbischen Literatur

Handrij Zejler wurde in Słona Boršć, dem heutigen Salzenforst bei Bautzen, geboren und wuchs inmitten der ländlichen Oberlausitz auf. In dieser natürlichen und kulturell reichen Umgebung prägten ihn die Bräuche und die Sprache seiner sorbischen Familie. Die gelebte sorbische Tradition in seinem Elternhaus schärfte früh sein Bewusstsein für die Bedeutung von Herkunft und Identität. Schon als Kind fiel Zejler durch seine außergewöhnliche sprachliche Begabung auf und entwickelte ein starkes Interesse an Religion, Geschichte und Literatur.

Akademische Prägung: Leipzig als Wegweiser

Nach dem Besuch der Schule in Bautzen zog es Zejler zum Theologiestudium nach Leipzig. In der intellektuell aufgeladenen Atmosphäre der Universitätsstadt traf er auf die Ideen der Aufklärung und des deutschen Idealismus, die seine Sicht auf Gesellschaft und Kultur nachhaltig erweiterten. Gleichzeitig nutzte er die Zeit, um seine sorbischen Sprachkenntnisse zu vertiefen und sich intensiv der slawischen Literatur und Geschichte zuzuwenden. In Leipzig wurde Zejler erstmals mit der akuten Bedrohung der sorbischen Sprache durch die fortschreitende Germanisierung konfrontiert. Diese Erfahrung war entscheidend für seine spätere Mission, die kulturelle und sprachliche Eigenständigkeit der Sorben zu bewahren.

Rückkehr in die Lausitz: Pfarramt und kultureller Auftrag

Nach dem Studium kehrte Zejler in die Lausitz zurück, wo er Pfarrstellen in verschiedenen Gemeinden, darunter Lohsa und Ralbitz, übernahm. Dort war er weit mehr als nur Geistlicher. Er agierte als Lehrer, Dichter und politischer Denker. In seinen Gottesdiensten predigte er auf Sorbisch, setzte sich für den muttersprachlichen Unterricht ein und engagierte sich besonders für die Bildung der sorbischen Jugend. Durch seine Predigten und Schriften, die religiöse Inhalte mit einem starken kulturellen Selbstbewusstsein verbanden, wurde Zejler für viele Sorben zu einer inspirierenden Leitfigur.

Literarische Wegbereiterrolle: Sprache als Identitätsanker

Das schriftstellerische Werk Zejlers ist vielfältig und umfasst Gedichte, Lieder, Essays und Übersetzungen. Besonders seine patriotischen Gedichte stärkten das nationale Bewusstsein der Sorben und zeigten, dass Literatur weit mehr sein kann als nur künstlerischer Ausdruck. Sein klarer, volksnaher Stil verlieh der sorbischen Sprache neue Wertschätzung und literarische Kraft. Viele seiner Lieder wurden vertont und sind fester Bestandteil des kulturellen Lebens der Sorben geblieben. Für Zejler war Literatur nicht zuletzt ein Werkzeug, um seinem Volk Hoffnung, Würde und Selbstbewusstsein zu geben – ästhetisch, politisch und geistlich.

Maćica Serbska: Wissenschaft und Gemeinschaft

Ein Meilenstein in Zejlers Wirken war die Gründung der Maćica Serbska, der ersten wissenschaftlichen Gesellschaft der Sorben. Als ihr erster Vorsitzender prägte er die Ausrichtung der Institution, die sich zum Ziel setzte, Sprache, Geschichte und Kultur der Sorben durch Forschung und Bildung zu fördern. Unter seiner Leitung entstanden bedeutende Werke zu Volkskunde, Sprachwissenschaft und Literatur, die die sorbische Identität festigten und bis heute nachwirken.

Engagement zwischen Reform und Loyalität

Zejler war sich stets der politischen Dimension seines Tuns bewusst. In einer Zeit, in der nationale Minderheiten kaum Rechte besaßen, kämpfte er für die Anerkennung der Sorben als eigenständiges Volk mit eigener Sprache und Kultur. Dabei bewegte er sich geschickt zwischen Loyalität gegenüber dem sächsischen Staat und dem Streben nach kultureller Selbstbestimmung. Er verfolgte keine revolutionären Ziele, sondern setzte auf Reformen durch Bildung, Sprache und Glauben, um eine friedliche Emanzipation seines Volkes zu ermöglichen.

Bodenständigkeit und Volksnähe: Leben für die Gemeinschaft

Trotz seiner bedeutsamen Rolle blieb Zejler stets bescheiden und volksnah. Sein einfaches Leben ermöglichte ihm, engen Kontakt zu Bauern, Lehrern und Handwerkern zu halten. Diese Bodenständigkeit spiegelt sich in seinen Texten wider, die geprägt sind von Heimatliebe, christlicher Ethik und dem Vertrauen in die Kraft der Gemeinschaft. Zejler war überzeugt, dass der Zusammenhalt und die Bildung das Überleben der Sorben in einer schwierigen Zeit sichern würden.

Vermächtnis und Nachwirkung: Stimme eines Volkes

Handrij Zejler verstarb in Lohsa und hinterließ ein Vermächtnis, das bis heute nachhallt. Er gilt als Vater der modernen sorbischen Literatur und als Symbolfigur für den kulturellen Selbstbehauptungswillen der Sorben. Schulen, Straßen und Institutionen tragen seinen Namen, seine Lieder werden nach wie vor gesungen. Zejlers Wirken lebt fort in der Literatur, im Bildungswesen und im politischen Einsatz für Minderheitenrechte. Er hat gezeigt, dass Sprache weit mehr ist als ein Kommunikationsmittel – sie ist Ausdruck von Identität, Geschichte und Hoffnung. In einer Zeit großer Bedrohung verlieh Zejler den Sorben eine Stimme, deren Echo noch heute spürbar ist. Seine Lebensgeschichte bleibt ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Bildung, Glaube und kulturelles Engagement das Schicksal eines Volkes mitgestalten können.

 


Lausitzer Persönlichkeiten sind Personen, die in der Lausitz geboren wurden oder sich für die Lausitzregion engagiert haben.