Der Kampf um Unabhängigkeit in Vietnam: Herausforderungen, Strategien und politische Entwicklungen

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich Vietnam in einer Phase tiefgreifender politischer, sozialer und militärischer Umbrüche. Die vietnamesische Unabhängigkeitsbewegung, die Viet Minh, hatte in vielen Teilen des Landes die Japaner entwaffnet und die Unabhängigkeit des Landes proklamiert. Doch die neue Situation war von vielfältigen Problemen geprägt, die den weiteren Verlauf des Kampfes um die nationale Souveränität maßgeblich beeinflussten. Die Herausforderungen reichten von der Versorgung der Bevölkerung über den Ausbau der militärischen Macht bis hin zu politischen Verhandlungen mit den europäischen Kolonialmächten. Die politische Lage war äußerst komplex: Verschiedene Kräfte kämpften um Einfluss, während die Großmächte ihre Interessen in der Region durchsetzten. Das vorliegende Kapitel bietet eine umfassende Betrachtung der vielfältigen Probleme und Strategien der Viet Minh in den Jahren nach Kriegsende und zeigt, wie diese Bewegung versuchte, ihre Unabhängigkeit gegen die vielfältigen Widerstände zu sichern.

Die Hungersnot und die Verteilung der knappen Ressourcen

Kurz nach Kriegsende herrschte in den von den Viet Minh kontrollierten Gebieten eine äußerst kritische Hungersnot. Die Bevölkerung war durch den Krieg stark geschwächt, und die Versorgung mit Lebensmitteln war äußerst knapp. Die Bewegung musste sich intensiv bemühen, eine gerechte Verteilung der knappen Ressourcen sicherzustellen, um die Bevölkerung zu stabilisieren und ihre Unterstützung zu gewinnen. Dieses humanitäre Anliegen war eng mit dem politischen Ziel verknüpft, den Einfluss der Viet Minh im ganzen Land auszuweiten. Es ging darum, die Bevölkerung von ihrer Politik zu überzeugen und die Unterstützung in der Bevölkerung zu festigen. Die Anstrengungen der Bewegung trugen Früchte: Während die Viet Minh bei Kriegsende nur rund 5.000 aktive Mitglieder zählten, wuchs ihre Mitgliederzahl innerhalb weniger Jahre auf beeindruckende 700.000 an. Dieser enorme Zuwachs an Mitgliedern zeigt, wie effektiv ihre Organisation, Propaganda und soziale Maßnahmen waren, um die Bevölkerung hinter sich zu sammeln.

Machtbasis im Norden und im Süden – Ein komplexes Geflecht

Der Schwerpunkt der Macht lag im Norden Vietnams, wo die Viet Minh eine stabile Basis aufbauen konnten. Dort verfügten sie über eine gut organisierte Infrastruktur und Kontrolle. Doch auch im Süden versuchten sie, ihre Präsenz auszuweiten, insbesondere in den ländlichen Gebieten und in den Städten. Besonders in Saigon, der wichtigsten Stadt im Süden, konnten sie eine solide Machtbasis schaffen. Dennoch war ihr Einfluss im Süden insgesamt geringer als im Norden. Die politischen Verhältnisse waren dort deutlich komplizierter. Zwei vom Buddhismus beeinflusste Sekten, die Cao Dai und die Hoa Hao, kontrollierten große Teile des Mekong-Deltas sowie andere südliche Regionen weitgehend autonom. Beide Sekten verfügten jeweils über etwa eine Million Anhänger und hatten eigene Organisationen, die unabhängig von der zentralen Bewegung der Viet Minh operierten. Für die Viet Minh war die Ausdehnung ihres Einflusses ein zentrales Ziel, um die nationale Einheit zu stärken und die Unabhängigkeit des gesamten Landes zu sichern. Diese Vielfalt an politischen Kräften machte das politische Gefüge äußerst komplex.

Der Aufbau einer schlagkräftigen Armee: Das Fundament für den Widerstand

Ein weiteres entscheidendes Ziel der Viet Minh war der Aufbau einer starken und effektiven Armee. Die regulären Truppen im Norden wuchsen stetig an: Ende 1946 waren etwa 80.000 Mann in den Reihen. Doch die Bewegung verfügte auch über eine Vielzahl irregulärer Einheiten, die in allen Landesteilen operierten und flexibel auf militärische Herausforderungen reagieren konnten. Diese Guerillakräfte waren maßgeblich im Kampf gegen die französischen Kolonialtruppen und andere Gegner aktiv. Während des Zweiten Weltkriegs hatte der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt versucht, die europäischen Kolonialmächte dazu zu bewegen, ihre asiatischen Besitzungen schrittweise in die Unabhängigkeit zu entlassen. Diese Forderung stieß jedoch auf erheblichen Widerstand. Die Briten, Franzosen und Niederländer glaubten, nur mit Hilfe ihrer Kolonialreiche ihre vom Krieg geschädigten Volkswirtschaften wieder aufbauen zu können. Um die Koalition mit Großbritannien und den Niederlanden nicht zu gefährden, musste Roosevelt Kompromisse eingehen. Dennoch wollte er ein Exempel an Frankreich statuieren, insbesondere im Hinblick auf die französische Verwaltung in Indochina, die unter Vichy-Regierung stand. Die amerikanische Strategie war geprägt von der Balance zwischen den Interessen der Großmächte und den eigenen Zielen.

Die Rückkehr Frankreichs und die Position der Alliierten

Nachdem die Alliierten im Sommer 1944 große Teile Frankreichs befreit hatten, erhob General Charles de Gaulle nachdrücklich Anspruch auf die französischen Kolonien in Indochina. Die französische Regierung forderte die Rückkehr ihrer Truppen und die Wiederherstellung der kolonialen Verwaltung. Während Roosevelt zunächst zögerte, unterstützte Großbritannien unter Premierminister Winston Churchill de Gaulles Bestrebungen und beteiligte französische Truppen aktiv am Krieg gegen Japan in Südostasien. Im März 1945 setzten die Japaner in Vietnam ein Marionettenregime unter Kaiser Bao Dai ein, was die amerikanische Regierung zunächst billigte, um den gemeinsamen Feind, Japan, zu bekämpfen. Nach Roosevelts Tod im April 1945 änderte sich die Haltung der USA jedoch grundlegend. Der neue Präsident Harry S. Truman zog einen Schlussstrich unter die Kritik am Kolonialismus und begrüßte die französische Beteiligung im Kampf gegen Japan. Damit war der Weg frei für die Rückkehr der französischen Kolonialmacht nach Vietnam und die Wiederaufnahme ihrer Kontrolle über die Region.

Die alliierten Vereinbarungen und die französische Rückeroberung

Auf der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 wurde vereinbart, dass britische Truppen den Süden Vietnams besetzen sollten, während eine chinesische Armee im Norden bis zum 17. Breitengrad vorrückte. Die französischen Streitkräfte folgten anschließend, wobei sie teilweise auf amerikanischen Schiffen nach Vietnam transportiert wurden. Nach heftigen Kämpfen gegen die Viet Minh verkündete General Philippe Leclerc im Frühjahr 1946 den angeblichen Sieg im Süden. Auch die Sekten Cao Dai und Hoa Hao, die zuvor mit den Viet Minh kooperiert hatten, wechselten die Seiten und kooperierten nun mit den Franzosen. Doch ein echter Sieg der französischen Truppen blieb aus. Sie kontrollierten zwar Saigon und andere größere Städte, konnten den Einfluss der Viet Minh, die in entlegeneren Gebieten und in den Dörfern aktiv waren, jedoch nicht dauerhaft ausschalten. Sobald die französischen Truppen abzogen, kehrten die Guerillakämpfer der Viet Minh in die ländlichen Gebiete zurück und setzten ihren Widerstand fort. Die französische Kontrolle war nur vorübergehend; die Bewegung der Viet Minh blieb weiterhin stark und mobil.

Die französische Kontrolle und die Reaktion der Viet Minh

In Saigon übernahm der Hohe Kommissar für Indochina, Admiral Georges Thierry d’Argenlieu, die Regierungsgewalt. Mit der Berufung vietnamesischer Funktionäre in hohe Ämter versuchte er, einerseits das vietnamesische Nationalbewusstsein zu befriedigen, und andererseits die französischen Interessen zu vertreten. Doch diese Regierung war keine echte nationale Alternative zu den Viet Minh. Sie bestand überwiegend aus Franzosen, Großgrundbesitzern, Geschäftsleuten und Rechtsanwälten, den sogenannten „évolués“, die auf eine weitere Präsenz der französischen Kolonialmacht aus waren. Im Norden gestaltete sich die politische Lage noch komplizierter. Die nationalchinesischen Truppen beuteten das Land rücksichtslos aus, plünderten Ressourcen und schädigten die Infrastruktur. Ho Chi Minh wandte sich vergeblich an die Vereinigten Staaten, um die marodierenden Truppen zu stoppen und eine Rückkehr der Franzosen zu verhindern.

Das Ringen um nationale Selbstbestimmung nach dem Zweiten Weltkrieg

Im Februar 1946 unterzeichnete Chiang Kai-shek, der Anführer der Nationalchinesen, mit Frankreich ein Abkommen, das den Rückzug französischer Truppen aus Tonkin gegen wirtschaftliche Zugeständnisse ermöglichte. Ho befand sich in einer äußerst schwierigen Lage: Er konnte versuchen, das Abkommen zu verhindern, indem er gegen Chinesen und Franzosen kämpfte, oder er suchte eine Lösung durch Verhandlungen. Letztlich entschied er sich für die diplomatische Lösung und traf sich mit dem französischen Delegierten Jean Sainteny. Am 6. März 1946 wurde ein vorläufiger Kompromiss vereinbart: Frankreich erkannte Vietnam als „freien Staat“ innerhalb der „Französischen Union“ an, einer neuen Form der Union, die das alte Kolonialreich umwandeln sollte. Im Gegenzug stimmte Ho zu, die französische Kontrolle im Norden Vietnams für fünf Jahre zu respektieren. Er äußerte sich dazu mit den Worten: „Was mich betrifft, ziehe ich es vor, fünf Jahre französischen Mist zu riechen, als für den Rest meines Lebens chinesischen zu essen.“ Doch dieses Abkommen war nur ein Stück Papier ohne substanziellen Inhalt. Während Ho in Paris weitere Verhandlungen führte, rief d’Argenlieu im Sommer 1946 einen separaten Staat, Cochinchina, aus. Zudem gingen die wirtschaftlichen Forderungen der Franzosen weit über die ursprünglichen Absprachen hinaus. Ho gab schließlich nach, weil er kaum eine andere Wahl sah. Die Franzosen hatten kein echtes Interesse an einer autonomen Lösung für Vietnam. Sie setzten vielmehr auf Kontrolle und militärische Unterdrückung. Im November 1946 boten die französischen Streitkräfte eine Gelegenheit, den Viet Minh eine Lektion zu erteilen: Am 23. November bombardierten sie die Hafenstadt Haiphong mit schwerem Geschützfeuer, töteten rund 6000 Zivilisten und lösten eine landesweite Wut aus. Die Geduld der Viet Minh, die bereits seit Jahren einen intensiven Widerstand gegen die französische Fremdherrschaft führten, war nun endgültig am Ende. Von diesem Zeitpunkt an begannen die Viet Minh, sich mit Waffengewalt gegen die französische Kolonialmacht zu wehren. Die Kämpfe um Haiphong und Hanoi, bei denen die französischen Truppen im Dezember nach langen Gefechten die Kontrolle über die Städte erlangten, markierten den Beginn eines fast dreißigjährigen Krieges in Vietnam, der sich durch unzählige Kämpfe, Rückschläge und Widerstandshandlungen auszeichnen sollte.