Nicaragua: Regierung schließt Hunderte Kirchen

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Kirchen und geistliche Leiter werden als Bedrohung wahrgenommen

In Nicaragua hat die Regierung von Präsident Daniel Ortega am 19. August 1.500 gemeinnützigen Organisationen den legalen Status entzogen, darunter Hunderten evangelikaler Gruppen. Die Maßnahme erfolgte nur wenige Tage, nachdem die Regierung zwei katholische Priester aus dem Land verbannt hatte, die Anfang des Monats inhaftiert worden waren. Am 29. August wurden laut Medienberichten weitere Dutzende Nichtregierungsorganisationen aufgelöst, unter ihnen erneut viele kirchliche Organisationen. Der folgende Artikel basiert auf einer Meldung der New York Times vom 19. August.

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Von Open Doors

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„All ihre Besitztümer werden beschlagnahmt“

Die Entscheidung vom 19. August ist insofern bemerkenswert, als die Regierung von Präsident Daniel Ortega ihren Zorn bisher vorrangig auf die römisch-katholische Kirche gerichtet hatte. Der Fokus lag dabei auf Regionen, in denen sich hochrangige Bischöfe und Priester gegen Menschenrechtsverletzungen ausgesprochen hatten.

Pastoren protestantischer Kirchen hatten sich weitgehend aus den politischen Auseinandersetzungen herausgehalten. Die faktische Schließung von Hunderten ihrer Kirchen am Montag zeigt jedoch, dass die Ortega-Regierung ihre Bemühungen ausweitet, religiöse Führer zum Schweigen zu bringen und jeden unabhängigen Raum, der nicht mit der Regierung verbunden ist, zu schließen. Diese Sicht vertritt Martha Patricia Molina, eine nicaraguanische Anwältin, die Angriffe auf Kirchen und Geistliche dokumentiert. „All ihre Besitztümer werden beschlagnahmt“, erklärt Molina, die 2021 aus Nicaragua floh und jetzt in den USA lebt. „Dies ist ein Angriff auf die Religionsfreiheit.“

Ausweisung Geistlicher, exorbitante Geldstrafen

Im Jahr 2018 hatten Hunderttausende Menschen im ganzen Land gegen Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen und den Abbau der Demokratie protestiert, um die Regierung zu stürzen. Daraufhin wurden Hunderte von Menschen getötet, inhaftiert oder aus dem Land vertrieben.

Seit diesem Aufstand wurden fast 250 Priester, Nonnen, Bischöfe und andere Mitglieder der katholischen Kirche aus dem Land vertrieben, wie aus einem Bericht hervorgeht, den Martha Molina am 16. August veröffentlichte. Einige von ihnen flohen, aber drei Bischöfe und 136 Priester wurden des Landes verwiesen. Allein in der Region Matagalpa sind laut Molina von den ursprünglich etwa 71 Priestern nur noch 13 übrig.

Im vergangenen Jahr wurde eine Jesuitenuniversität geschlossen und von der Regierung übernommen, und im Juni dieses Jahres wurden 20 protestantische Kirchen ohne offizielle Begründung mit exorbitanten Geldstrafen belegt.

Das nicaraguanische Innenministerium erklärte das Verbot der Organisationen am 19. August mit der Begründung, sie seien ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Berichterstattung über ihre Finanzen nicht nachgekommen. In ihrer offiziellen Mitteilung listet die Regierung die 1.500 betroffenen Organisationen auf; darin sind Hunderte von kleinen Glaubensgruppen enthalten, von denen viele mit Pfingst- und Baptistenkirchen verbunden sind.

Regierung schafft rechtliche Basis für Verfolgung

Die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit moniert in einem Bericht vom Juni, die nicaraguanische Regierung bediene sich eines repressiven Rechtsrahmens, um katholische und protestantische Gemeinschaften durch Verhaftung, Inhaftierung und Beschlagnahme von Eigentum zu verfolgen. Weiter heißt es dort, Gesetze, die angeblich zur Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche gedacht seien, würden stattdessen dazu benutzt, den rechtlichen Status solcher Gruppen willkürlich aufzuheben und ihr Eigentum zu beschlagnahmen.

Das von der Regierung kontrollierte Parlament verabschiedete mehrere Gesetze, die für gemeinnützige Organisationen strenge Anforderungen an die Finanzberichterstattung vorsahen und es ihnen schwer machten, diese einzuhalten. Selbst katholische Wohltätigkeitsorganisationen sahen sich mit Anklagen wegen Geldwäsche konfrontiert.

Félix Navarrete ist ein nicaraguanischer Anwalt und Aktivist der katholischen Kirche, der 2018 aus dem Land floh. Er ordnet die Vorgehensweise der Regierung so ein: „Eine der größten Befürchtungen der Regierung ist, dass die Menschen in Nicaragua durch religiöse Führer einen Wandel herbeiführen könnten. Sie versuchen, dies um jeden Preis zu verhindern.“

Auf dem Weltverfolgungsindex 2024 steht Nicaragua an 30. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.