Demografischer Wandel & Nachhaltigkeitsfaktor: “Man wollte ein bestimmtes Ergebnis, eine bestimmte Rentenkürzung, erreichen”

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Demografischer Wandel und Rentenfinanzierung” – Dieses Thema ist der Bundeszentrale für politische Bildung so wichtig, dass sie es nicht nur in einen Artikel verarbeitet, sondern in einer ganzen Reihe von Beiträgen abhandelt. Demnach soll die Rentenfinanzierung maßgeblich vom demographischen Wandel abhängig sein. – Nur ist diese These überhaupt richtig? Zwischenzeitlich hat die Politik längst Fakten geschaffen: Durch Riester– und Nachhaltigkeitsfaktor wurden das Rentenniveau drastisch gesenkt. Und der Übeltäter soll der – wie schon erwähnt – demographischen Wandel sein.

“Die Stabilität der Alterssicherungssysteme hängt in hohem Maße von den demografischen Rahmenbedingungen ab”

>>Bundeszentrale für politische Bildung<<

“Demografischer Wandel und Rentenfinanzierung – Die Stabilität der Alterssicherungssysteme hängt in hohem Maße von den demografischen Rahmenbedingungen ab: Sind die Renten in Zukunft noch finanzierbar, wenn die Lebenserwartung weiter steigt und die Renten entsprechend länger zu zahlen sind? Werden die Jüngeren überbelastet, kommt es zu einem Generationenkonflikt?”

“Werden die Jüngeren überbelastet, kommt es zu einem Generationenkonflikt?”

Der demographischen Wandel kommt demzufolge irgendwie vom Himmel gefallen und soll sogar ein Konflikt mit der jüngeren Generation heraufbeschwören. Der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenversicherung soll diesem Generationenkonflikt abmildern.

“Durch den Nachhaltigkeitsfaktor werden Veränderungen im zahlenmäßigen Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern berücksichtigt”

>>Deutsche Rentenversicherung<<

“Durch den Nachhaltigkeitsfaktor werden Veränderungen im zahlenmäßigen Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern berücksichtigt. Steigt die Zahl der Rentner schneller als die Zahl der Beitragszahler, wirkt sich dies bei der Rentenanpassung dämpfend aus. Im umgekehrten Fall wirkt der Nachhaltigkeitsfaktor steigernd bei der Rentenanpassung. In diesem Jahr erhöht der Nachhaltigkeitsfaktor die Rentenanpassung um 0,64 Prozentpunkte.”

“Steigt die Zahl der Rentner schneller als die Zahl der Beitragszahler, wirkt sich dies bei der Rentenanpassung dämpfend aus”

Der “Vorgedanke” des Nachhaltigkeitsfaktors ist aber schon sehr alt und reicht bis in die 1990er Jahre zurück: Wenngleich dieser noch damals unter anderen Namen lief.

“Schon Unions-Arbeitsminister Nobert Blüm ersann 1998 einen sogenannten Demografiefaktor”

>>Kein Wohlstand für alle!? von Ulrich Schneider (Buch) <<

“Schon Unions-Arbeitsminister Nobert Blüm ersann 1998 einen sogenannten Demografiefaktor, der die Rente drücken sollte. Die SPD machte heftig Wahlkampf gegen diesen Faktor, schaffte ihn nach gewonnener Wahl auch gleich wieder ab – allerdings nur, um ihn schon drei Jahre später, in 2001, durch den sogenannten Riesterfaktor zu ersetzen, der im Prinzip nichts anderes war als der Blümsche Demografiefaktor. 2004 installierte Rot-Grün noch einen sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenformel. Der Sinkflug des Rentenniveaus konnte nun so richtig starten … “

Riesterfaktor & Nachhaltigkeitsfaktor: “Der Sinkflug des Rentenniveaus konnte nun so richtig starten”

Der “Demografiefaktor” hat sich zum Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenformel gewandelt. Schon damals tauchte darin das Wörtchen “Demographie” auf. Jenseits dieser Kosmetik an Wortakrobatik hat sich aber kaum was geändert. Damals hat man in diesem Zusammenhang noch Worte wie “Rentenbetrug” getraut zu sagen.

“Demografiefaktor” – “Geißelte die Pläne vielmehr in drastischen Worten als Rentenbetrug”

>>Angela Merkel von Ralph Bollmann (Buch) <<

“Die rot-grüne Regierung hatte soeben ihre Pläne für eine der größten Rentenreformen in der Geschichte der Bundesrepublik vorgestellt. Der gerade erst abgeschaffte «demographische Faktor», faktisch eine Rentenkürzung, kehrte als «Nachhaltigkeitsfaktor» zurück. Im Gegenzug förderte der Staat nun die private Vorsorge, mittels der «Riester-Rente». Merkel begrüßte das Vorhaben nicht etwa als Teil eines wirtschaftsliberalen Reformprogramms, dem sie selbst anhing. Sie geißelte die Pläne vielmehr in drastischen Worten als Rentenbetrug, wiederum unter Druck gesetzt vom Fraktionsvorsitzenden Merz, der dem Vernehmen nach eine eigene Kampagne vorbereitete.”

“Gerade erst abgeschaffte «demographische Faktor», faktisch eine Rentenkürzung, kehrte als «Nachhaltigkeitsfaktor» zurück”

Im Laufe der Zeit hat sich das Mantra des “demographischen Wandels” fest etabliert. Insbesondere die faktische Rentenkürzung beim Nachhaltigkeitsfaktor stellt darauf ab. Allerdings tut sich spätestens beim Blick auf die Altersversorgung der Beamten ein Logikbruch auf: Denn dort hat weder der “demographische Wandel” oder Nachhaltigkeitsfaktor jemals stattgefunden.

“Alterssicherungssystem, den Beamtenpensionen, bis heute keine vergleichbare Regelung wie den Nachhaltigkeitsfaktor”

>>Die Pensionslüge von Christoph Birnbaum (Buch) <<

“Das Mantra des DBB, alle Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung würden auch »1:1« in der Beamtenversorgung übernommen werden, das auch immer fleißig von der Politik wiederholt wird, hat mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Eigentlich weiß die Politik nur zu genau, dass genau dies nicht stimmt. Dennoch gibt es beim zweiten Alterssicherungssystem, den Beamtenpensionen, bis heute keine vergleichbare Regelung wie den Nachhaltigkeitsfaktor. Es ist schleierhaft, wie der Deutsche Beamtenbund den übrigen befreundeten Gewerkschaften im DGB diesen gar nicht so kleinen und feinen Unterschied für Beamte erklären will.”

“Genau dies nicht stimmt” – “Alle Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung würden auch »1:1« in der Beamtenversorgung übernommen” 

Demzufolge hat der “demographische Wandel” – als angebliches gesellschaftliches Phänomen – um die Beamten und Pensionäre einem großen Bogen gemacht. Auch ansonsten lässt sich weder Nachhaltigkeitsfaktor, noch Riesterfaktor irgendwie logisch begründen: Denn diese faktische Kürzung der Altersbezüge hat die Beamten nie erreicht.

“Nachhaltigkeitsfaktor” – “Man wollte ein bestimmtes Ergebnis, eine bestimmte Rentenkürzung, erreichen”

>>Beamte – Was die Adeligen von heute wirklich verdienen von Torsten Ermel (Buch) <<

“Der Nachhaltigkeitsfaktor wurde vom Gesetzgeber dabei freundlicherweise nur mit einem Viertel (das sind die 0,25 in der Formel) angesetzt. Logisch begründen lässt sich das aber nicht. Man hätte stattdessen auch ein Drittel nehmen können oder ein Fünftel oder überhaupt keinen Faktor verwenden können. Die Festsetzung auf ein Viertel hatte keine sachliche Grundlage, sondern war eine politische Entscheidung. Man wollte ein bestimmtes Ergebnis, eine bestimmte Rentenkürzung, erreichen. Bei anderen politischen Mehrheiten oder veränderten Zielsetzungen kann dieser Parameter deshalb ebenso willkürlich geändert werden. Die Rentenanpassungsformel darf aber nicht nur eine beliebige Formel sein; sie muss sich auch sachlich begründen lassen. Demgegenüber wird die Pension für Beamte völlig anders berechnet. Das durchschnittliche Bruttoentgelt spielt hier überhaupt keine Rolle. Es gibt auch keinen Nachhaltigkeitsfaktor, keinen Riesterfaktor und keinen Pensionärsquotienten.”

Altersversorgung von Beamte: “Es gibt auch keinen Nachhaltigkeitsfaktor, keinen Riesterfaktor und keinen Pensionärsquotienten”

Nicht nur die These des “demographische Wandels” für die faktische Rentenkürzung steht auf tönernen Füßen, sondern es tut sich ein gewaltiges Gerechtigkeitsproblem auf: Immerhin lässt das Grundgesetz diese Form von offensichtlicher Ungleichbehandlung eigentlich nicht zu.