“Wir müssen unsere Leute ernähren, wir können uns höhere Standards nicht leisten”
Die Europäische Kommission macht die Ernährung der Bevölkerung überwiegend an der “Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln” fest. Aber ist es mit jenen einen Kriterium getan? Wie sieht es mit steigenden Lebensmittelpreise – sprich Inflation – aus? In Wirklichkeit hat die Ernährungslage der Bevölkerung – insbesondere in der Vergangenheit – einem hohen Stellenwert genossen. Und was schreibt die Europäische Kommission dazu?
“Gefahr steigender Lebensmittelpreise”
“Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in der EU ist derzeit nicht gefährdet, da der Kontinent bei vielen landwirtschaftlichen Erzeugnisse weitgehend autark ist. Unsere Landwirtschaft ist jedoch ein Nettoimporteur bestimmter Produkte, z. B. Eiweißfuttermittel. Die dadurch bedingte Anfälligkeit und die hohen Betriebsmittelkosten, z. B. für Düngemittel und fossile Energieträger, stellen die Landwirtinnen und Landwirte vor große Herausforderungen und bergen die Gefahr steigender Lebensmittelpreise.”
“Der Kontinent bei vielen landwirtschaftlichen Erzeugnisse weitgehend autark”
Die “Gefahr steigender Lebensmittelpreise” kann sicherlich jeder für sich selbst beantworten. Wie auch immer. Jedenfalls ist der Faktor Ernährung keinesfalls zu unterschätzen. Die Einflussfaktoren von Ernährung Ernährung beeinflusst nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unser Wohlbefinden. Um eine gesunde Ernährung zu gewährleisten, ist es wichtig, dass wir ein Verständnis für die Faktoren haben, die unsere Ernährung beeinflussen. Dazu gehören sozioökonomische Faktoren wie Bildung und Einkommen, aber auch kulturelle und traditionelle Faktoren. Eine hohe sozioökonomische Stellung hat einen positiven Einfluss auf eine gesunde Ernährung. Menschen mit höherem Einkommen können sich leichter eine vitamin- und nahrstoffreiche Ernährung leisten. Sie haben Zugang zu qualitativ hochwertigeren Lebensmitteln als Menschen mit niedrigerem Einkommen. Andernfalls kann zu Formen wie Mangelernährung – insbesondere bei Menschen mit geringem Einkommen – führen. Weswegen unter anderen die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – kurz EWG – gegründet wurde, woraus später die Europäische Union werden sollte.
“Niemand mehr Hunger leiden muss und immer genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stehen”
>>Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr von Wolfgang J. Koschnick (Buch) <<
“Dabei hatte das alles mal so richtig vernünftig und eher hausbacken angefangen. Als 1957 die Römischen Verträge abgeschlossen wurden und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) entstand, war es unter dem Eindruck der Nahrungsmittelknappheit in Kriegs- und Nachkriegszeiten ihr Hauptziel, die Ernährung der Bevölkerung zu gewährleisten. Es sollte sichergestellt sein, dass niemand mehr Hunger leiden muss und immer genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stehen – auch wenn mal eine Ernte nicht so ergiebig ausfällt. Damals war das ja noch längst keine Selbstverständlichkeit. Da gab es noch Hungerwinter. Die Subventionierung hatte da noch einen wirklich vernünftigen ökonomischen und sozialen Sinn. Die Landwirtschaft ist nun einmal von natürlichen Faktoren wie Klima und Boden abhängig. Dadurch ist sie gegenüber anderen Wirtschaftszweigen benachteiligt – mit der Folge, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln starken Schwankungen unterworfen ist. Um sicherzustellen, dass die Bevölkerung immer gut versorgt ist, wurde die Landwirtschaft subventioniert. Nahrungsmittel sollten nie mehr knapp werden.”
“Um sicherzustellen, dass die Bevölkerung immer gut versorgt ist, wurde die Landwirtschaft subventioniert”
In der Tat hatte die Landwirtschaft zur damaligen Zeit noch einem ganz anderen Stellenwert genossen. Der Zusammen zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Lebensmittelpreise war allgegenwärtig. Die damaligen Regierungen haben deshalb mit sehr wachen Auge die steigenden Lebensmittelpreise beobachtet.
“Aufrechterhaltung der Ordnung und der Ernährung der Bevölkerung”
“Die Regierung war sich des Problems steigender Preise zwar bewusst, aber derart von der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Ernährung der Bevölkerung in Anspruch genommen, dass sie offen eine ähnliche Strategie nach dem Motto »zahlen, was nötig« befürwortete. … Ohne sie drohten die Arbeitskräfte in den Bergwerken und Fabriken ihren Aufgaben körperlich nicht mehr gewachsen zu sein. Doch im Mai traten die Eisenbahner – deren Zahl während des Krieges stark gestiegen war – für höhere Löhne in den Streik. In einer Krisensitzung im Reichsernährungsministerium am 5. Mai in Berlin, zwei Tage vor der Bekanntgabe der schockierenden Bestimmungen des Versailler Vertrages, erklärte der preußische Finanzminister, der gemäßigte Sozialdemokrat Albert Südekum, unverblümt und nicht besonders elegant:
»Jeder Preis und jedes Transportmittel ist recht, um die Lahmlegung des Eisenbahnverkehrs in Preußen hintenanzuhalten. Was nicht möglich ist durch Aufhebung der Inflation, das ist möglich und durchführbar, wenn die Möglichkeit zu arbeiten durch besondere Ernährung gegeben wird. Dabei ist keine Rücksicht zu nehmen auf die Valuta, die bei jedem ausländischen Kaufmann beeinflusst wird nur von dem Misstrauen gegenüber dem allgemeinen Stand der Dinge in Deutschland.«
Mit anderen Worten, der Gedanke an die Inflation rangierte weit hinter demjenigen an den sozialen Frieden. Das Motto hieß buchstäblich: sozialer Friede um jeden Preis.”
“Inflation rangierte weit hinter demjenigen an den sozialen Frieden” – “Das Motto hieß buchstäblich: sozialer Friede um jeden Preis”
Die Ernährung der Bevölkerung und damit zusammenhängenden Lebensmittelpreise sind keine europäische Besonderheit, sondern das Thema kommt auch in anderen Ländern vor. Sicherlich spielen die kulturelle Faktoren ebenfalls eine große Rolle bei der Ernährung der Bevölkerung. Viele Kulturen haben ihre eigenen Essgewohnheiten und -vorlieben entwickelt, die sich über Generationen fortgesetzt haben. In vielen Ländern ist es Tradition, dass Familien gemeinsam essen und die Eltern ihren Kindern beibringen, welche Nahrungsmittel gut für sie sind. Auf diese Weise werden Werte weitergegeben und die Ernährungsgewohnheiten über Generationen hinweg gepflegt. Trotzdem ist das Thema Lebensmittelpreise bei Grundnahrungsmittel allgegenwärtig.
“Wir müssen unsere Leute ernähren, wir können uns höhere Standards nicht leisten”
>>Eine Bohne rettet die Welt von Matthias Krön (Buch) <<
“Auch dies wird debattiert, prominente Persönlichkeiten aus dem Sport und Social-Media-Stars machen Kampagnen zum Schutz der Tiere. Tierschutz bei Haustieren, Nutztieren oder gar in der Massentierhaltung ist aber noch kein Thema der öffentlichen Diskussion. Hier ein klares Bild zu finden, ist nicht einfach. … Spricht man in China über das Thema Soja, dann ist die chinesische Position stets: »Wir müssen unsere Leute ernähren, wir können uns höhere Standards nicht leisten. Wenn wir so kritisch werden, dann steigen die Preise, und wir bekommen ein Problem mit der Ernährung der Bevölkerung«.
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“Wenn wir so kritisch werden, dann steigen die Preise, und wir bekommen ein Problem mit der Ernährung der Bevölkerung”
Anders ausgedrückt: Je höher die behördlichen Auflagen in der Landwirtschaft ausfallen, desto stärker werden die Lebensmittelpreise steigen. Hunger, Unterernährung und Mangelernärhung werden also weiterhin die Schlagzeilen prägen. Dabei sind die allermeisten Nahrungsmittel hierzulande produzierbar. Eigentlich sollte die Erreichbarkeit von qualitativ hochwertigen Lebensmittel das oberste Ziel sein.