“Bei mir liegt die Braunkohle in 1,5 m Tiefe, 50 km von dem Tagebau der jetzt zu unrecht geschlossen wird” -“2, 5 m dickes Flötz, das reicht mir noch 100 Jahre”
Die Bundesrepublik Deutschland wurde mit der Massenarbeitslosigkeit konfrontiert, die viele gehofft hatten, dass sie während des langen Wirtschaftsaufschwungs verbannt werden würde. In den achtziger Jahren, als die Zahl der arbeitslosen Personen nicht unter zwei Millionen sank, prägte die strukturelle Massenarbeitslosigkeit die Innenpolitik und die gesellschaftliche Atmosphäre entscheidend. Die wirtschaftlichen Probleme wurden nie vollständig gelöst, und die Auswirkungen der Energiekrise halten bis heute an. Aber wie berichtet der staatsnahe Rundfunk über die Situation?
>>Staatsfunk ” Rundfunk Berlin-Brandenburg” <<
“Letztes Kohleflöz im Tagebau Jänschwalde abgebaggert – Das letzte Kohleflöz musste allerdings danach im Zuge der bereits angelaufenen Tagebausanierung abgebaggert werden.”
“Die nächste sichere Energiequelle abgeschafft, tolle Leistung”
Die dazugehörigen Kommentare sind hierzu vielsagend.
“In dem nicht allzu langen Artikel wird drei mal erwähnt, dass das letzte Kohleflöz abgebaggert wird. Mal Nachhilfe in Geologie nehmen?”
>>Staatsfunk ” Rundfunk Berlin-Brandenburg” <<
“Bei mir liegt die Braunkohle in 1,5 m Tiefe, 50 km von dem Tagebau der jetzt zu unrecht geschlossen wird. 2, 5 m dickes Flötz, das reicht mir noch 100 jahre, und dann gibt es noch Torf der abbauwürdig ist, also nix mit Wärmepumpe.”
“Die nächste sichere Energiequelle abgeschafft, tolle Leistung.”
“In dem nicht allzu langen Artikel wird drei mal erwähnt, dass das letzte Kohleflöz abgebaggert wird. Mal Nachhilfe in Geologie nehmen?”
“Ja dann mal „Glück auf“ und herzlichen Dank für jahrzehntelange zuverlässige Energieversorgung.”
“Bei mir liegt die Braunkohle in 1,5 m Tiefe, 50 km von dem Tagebau der jetzt zu unrecht geschlossen wird. 2, 5 m dickes Flötz, das reicht mir noch 100 Jahre”
Die Kommentare fassen die Situation besser, als der vorangegangene Artikel zusammen. Würden die Leser die Artikel schreiben, dann würde nicht nur das Niveau steigen, sondern der Rundfunkbeitrag wäre komplett überflüssig. Tatsächlich könnte man bereits die Überschrift “Letztes Kohleflöz im Tagebau Jänschwalde abgebaggert” als bewusste Irreführung und Desinformation qualifizieren. Es wird als eine Art Naturphänomen verkauft. Im Lausitzer Revier sind nicht nur reichlich Braunkohlevorkommen, sondern sogar Steinkohlevorkommen vorhanden. Der Kohleausstieg ist eine rein politische Entscheidung und die Proteste dagegen sind unüberhörbar. Eine objektive Berichterstattung sieht natürlich ganz anders aus. Die Probleme rund um die Energiekrise reichen weit zurück und sind mit der Ökrise der 1970er Jahre unmittelbar verbunden.
“Massenarbeitslosigkeit wurde die Bundesrepublik von einem Gespenst eingeholt”
>>Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert von Andreas Wirsching (Buch) <<
“Mit der Massenarbeitslosigkeit wurde die Bundesrepublik von einem Gespenst eingeholt, auf dessen Verbannung aus der deutschen Geschichte während der langen Aufschwungphase nicht wenige gehofft hatten. Tatsächlich sind die achtziger Jahre, in denen die Zahl der registrierten Erwerbslosen nicht mehr unter zwei Millionen fiel, innenpolitisch und mit Blick auf die gesellschaftliche Atmosphäre entscheidend von der Erfahrung struktureller Massenarbeitslosigkeit geprägt worden. Allerdings gingen die ökonomischen Probleme und das sie begleitende, um 1980 allgegenwärtige Krisenbewußtsein nicht allein auf die kurzfristigen Wirkungen des Ölschocks zurück.”
“Allgegenwärtige Krisenbewußtsein nicht allein auf die kurzfristigen Wirkungen des Ölschocks zurück”
Noch heute wird viel das Wirtschaftswunder im Westdeutschland geschrieben, obwohl es so lange her ist und nur wenige Jahrzehnte anhielt. Mit der Ölkrise oder Ölschocks änderte sich alles.
“Wachstumsraten nach der Ölkrise halbierten im Vergleich zu jenen, die in den fünfziger und sechziger Jahren”
>>Bekenntnisse eines Economic Hit Man von John Perkins (Buch) <<
“Niemand konnte damals die volle Tragweite des Ölembargos abschätzen. Wir hatten natürlich unsere Theorien, aber wir konnten nicht voraussehen, was in den folgenden Jahren erkennbar wurde. Heute wissen wir, daß sich die Wachstumsraten nach der Ölkrise halbierten im Vergleich zu jenen, die in den fünfziger und sechziger Jahren gemessen worden waren, und daß sie unter einem erheblich höheren Inflationsdruck erwirtschaftet werden mußten. Das Wachstum war jetzt strukturell anders und schuf nicht mehr so viele Arbeitsplätze, so daß die Arbeitslosigkeit stieg. Zu allem Überfluß erlitt auch das Weltwährungssystem einen schweren Schlag; das System der festen Wechselkurse, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegolten hatte, brach zusammen.”
“Wachstum war jetzt strukturell anders und schuf nicht mehr so viele Arbeitsplätze, so daß die Arbeitslosigkeit stieg”
Diese Situation hatte umfassende Konsequenzen: Zahlreiche Staaten konnten die gestiegenen Ölpreise nicht stemmen und mussten sich zusätzliche Kredite beschaffen. Dies führte zu einem schnellen Anstieg der Inflation, da mehr Geld benötigt wurde, um die gleichen Waren zu erwerben. Zudem stieg die Arbeitslosigkeit an, da viele Unternehmen unter der steigenden Inflation litten und gezwungen waren, Mitarbeiter zu entlassen oder Insolvenz anzumelden.
“Gefolge der ersten Ölkrise” – “Generation der „73er“, um die es hier geht. Sie ist geprägt durch die Massenarbeitslosigkeit”
>>Vollbeschäftigt von Karl-Heinz Paqué (Buch) <<
“Es ist die Generation der „73er“, um die es hier geht. Sie ist geprägt durch die Massenarbeitslosigkeit, die ab 1973 im Gefolge der ersten Ölkrise entstand und dann nie mehr verschwand. Mit Ausnahme der Wirtschaftshistoriker haben praktisch alle Mitglieder dieser Generation – ob Experten oder nicht – die Zeit bis 1973 aus ihrem Gedächtnis gestrichen beziehungsweise nie wirklich zur Kenntnis genommen. … Die Vollbeschäftigung endete fast noch abrupter, als sie begonnen hatte, im Nachgang zur ersten Ölkrise 1973 und im Zuge der darauffolgenden schweren Rezession. … Tatsächlich ist seit 1973 die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu einem Dauerproblem geworden: Nach dem stufenweisen Anstieg nach 1973 und wieder nach 1982 (im Gefolge der zweiten Ölkrise!) blieb das Niveau der Arbeitslosenquote bemerkenswert konstant, und zwar auf einem Niveau von etwa neun Prozent.”
“Vollbeschäftigung endete fast noch abrupter, als sie begonnen hatte, im Nachgang zur ersten Ölkrise 1973 und im Zuge der darauffolgenden schweren Rezession”
Tatsächlich hat sich seit 1973 die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu einem anhaltenden Problem entwickelt. Die Arbeitslosenquote blieb in den darauf folgenden Jahren konstant hoch. Gleichzeitig stiegen die Staatsverschuldung und die Inflation an. Das Wirtschaftswunder-Modell war somit eng mit preiswerter Energie verknüpft. Es ist auch weltweit kein Land bekannt, was auf eine florierende Wirtschaft verweisen kann und gleichzeitig hohe Energiepreise und/oder eine unzuverlässige Energieversorgung hat. Es ist also schon heute absehbar, dass der Kohleausstieg zu mehr Inflation, Staatsverschuldung, steigenden Energiepreise und Lebenshaltungskosten führen werden. Auch eine neue Massenarbeitslosigkeit ist nicht auszuschließen, welche dann womöglich mit einer abgewandelten Form von gezwungener Arbeit – respektive Ein-Euro-Job – begegnet wird.