Warum das traditionelle Bäckerhandwerk in der Lausitz ausstirbt
Immer mehr traditionelle Bäckereibetriebe in der Lausitz schließen für immer ihre Pforten. Neben hohen Steuern, Abgaben, Gebühren und einer ausufernden Bürokratie: Müssen sie immer mehr gegen eine dichter werdende Front von großen Lebensmittelketten und internationalen Schnellrestaurants die auch Backwaren anbieten kämpfen. Aber damit ist der Sterben des traditionelle Bäckerhandwerk in der Lausitz noch lange nicht erklärt. In Zukunft wird sich diese Entwicklung sogar noch verschärfen.
Steuern, Abgaben, Gebühren und eine ausufernde Bürokratie
„Die Zahlen sind deutlich: 1998 waren 202 Bäckereibetriebe für den Bereich der Handwerkskammer Cottbus gemeldet. 2018 sind es nur noch 119 Bäckereien. Noch dramatischer ist der Rückgang bei den Azubi-Zahlen. Von Nils Ohl Nicht nur die Zahl der Bäckereien schrumpft. Immer weniger Jugendliche entscheiden sich für diesen Beruf. Absolvierten 1998 noch 290 junge Menschen eine Bäckerausbildung, haben sich 2018 nur noch 46 dafür entschieden, davon ganze vier in der Stadt Cottbus. Das sind Zahlen der Handwerkskammer Cottbus. Stirbt das Bäckerhandwerk aus?“
Dramatischer Rückgang der Bäcker: Nur 16 Prozent so viele Lehrlinge wie vor 20 Jahren
Ganz ähnlich fallen die Zahlen für die übrigen Landkreise der Lausitz aus. Am Stichtag den 31.12.2002 waren im Landkreis Bautzen 150 Bäckerbetriebe gelistet und zum 31.12.2018 waren es nur noch 119 Betriebe. Im Landkreis Görlitz gingen im gleichen Zeitraum ebenfalls die Bäckerbetriebe von 102 auf 78 zurück. Bei immer weniger Betrieben, gibt es folglich immer weniger Beschäftigte und Lehrlinge. Zwar muss niemand Sorge haben zu verhungern oder das Brot und Brötchen knapp werden könnten. Denn reichlich Filialen und zahlreiche Billigläden der großen Ketten gleichen Wegfall ohne weiteres aus.
Mit den Bäckereiensterben geht auch die regionale Vielfalt zurück
Jedoch was stirbt, ist die regionale Vielfalt. Jeder Handwerksbetrieb stellt nämlich seine eignen Backwaren mit seiner eignen Rezeptur und auf seine eigne Weise her. Hinzu kommt, regionale Bräuche gehen häufig einher mit regionalen Produkten. Bei immer weniger Firmen, geht das Angebot logischerweise immer weiter zurück. Eine große Lebensmittelkette wird sich wohl kaum die Mühe machen, und beispielsweise für die Sorbische Vogelhochzeit das passende Gebäck anbieten. Kleine Bäckereisbetriebe konkurrieren nicht nur gegen die großen Lebensmittelketten, sondern auch gegen Unternehmen, wie beispielsweise McDonald’s.
Ungleicher Wettbewerb: McCafe gegen traditionelles Handwerk
Nicht wenige Betrieben betreiben ein Café und bieten dazu das passende Gebäck an. Damit stehen sie in direkter Konkurrenz zu Angeboten, wie beispielsweise McCafe. Die Wettkampf gegen große Lebensmittelketten und weltweit agierende Schnellrestaurants ist selbstverständlich ein aussichtsloses Unterfangen. Die großen Anbieter können beim Einkauf die Preise beinahe nach belieben drücken und werfen bei Preisverhandlungen, einfach ihre übergroße Marktmacht in die Waagschale. Außerdem betreiben diese Wettbewerbe komplizierte Firmenkonstruktionen, um dadurch ihre Steuerlast zu drücken. Auch beim Abgreifen von staatlichen Subventionen, liegen sie weit vorn. Ein kleiner regionale Meisterbetrieb, kann darauf natürlich nicht zurückgreifen.
Steuerparadiese: Internationale Konzerne drücken Steuerlast und beim kleinen Bäcker wird voll zugelangt
„Das zeigt das Beispiel der sogenannten Patentboxen, die etwa in den Niederlanden zum Einsatz kommen. Mithilfe dieser Rechtskonstruktion können Unternehmen Milliarden an Steuern sparen. Sie erlauben einem Konzern, Patente, Lizenzen, Markenrechte oder andere immaterielle Güter in eine Tochterfirma zu übertragen, die sie dann anderen Konzernteilen gegen Gebühr zur Verfügung stellt. Der Gewinn aus diesen Gebühren wird in der Regel sehr niedrig besteuert: In den Niederlanden zum Beispiel mit fünf Prozent, in Zypern mit 2,5 Prozent und in Malta überhaupt nicht. „Mit solchen Praktiken können Firmen Gewinne von einem Land ins andere schleusen – um deutlich weniger Steuern zu zahlen“, sagt Tobias Hentze, Steuerexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Das führt dann dazu, dass multinationale Konzerne nicht den Steuersatz zahlen, der vorgeschrieben ist, sondern einen deutlich niedrigeren.“
Einbrechende Wertschöpfung: Strukturwandel Anfang der 1990er Jahre
Neben nicht ganz fairen Wettbewerb, agieren regionale Bäckereisbetriebe keineswegs im Luftleeren Raum, sondern sind eingebettet in allgemeine wirtschaftliche Vorgänge. Kurz um: Das Geld der Leute sitzt nicht mehr so locker. Durch den Strukturwandel Anfang der 1990er Jahre, sind Tausende gut bezahlte Arbeitsplätze ersatzlos weggefallen. Die Lausitz leidet noch heute unter den wirtschaftlichen Folgen.
Wirtschaftshilfen mal anders: Versprochen wurde Aufbau-Ost stattdessen kam Hartz-IV
Versprochen wurde seinerzeit Aufbau-Ost, stattdessen kam Hartz-IV. Der Regelsatz ist so niedrig bemessen, das Hartz-IV-Bezieher am gesellschaftlichen Leben praktisch ausgeschlossen sind und als Kunden kaum infrage kommen. Auch der Verdienst im Niedriglohnsektor bewegt sich auf einer vergleichbaren Höhe. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung in der Lausitz, kann es sich schlicht nicht leisten zum Bäcker zu gehen. Der angedachte Strukturwandel 2.0 und damit das voraussichtliche Ende des Bergbaus, inklusive der Kohleverstromung, dürfte die nächste Welle an Bäckereisterben einläuten. Denn politisch spielen bestenfalls noch die direkt beschäftigten Leag-Mitarbeiter noch eine untergeordnete Rolle. Aber auch nur diejenigen, die nicht vorzeitig in Ruhestand geschickt werden können. All die Zulieferfirmen und was da noch zusätzlich mit dran hängt, fällt da ungesehen unten runten. So auch die traditionellen Bäckereibetriebe in der Lausitz.
Ende des Kohlebergbaus dürfte auch das Ende vieler Bäckereien sein
Ungeachtet aller wirtschaftlicher Probleme, kommt noch eine andere Unsitte unserer Zeit hinzu. Seit der Wiedervereinigung kamen beinahe schon Jahrestakt immer neue Verordnungen, Bestimmungen und Gesetze hinzu. All die Auflagen und Kontrollen müssen nicht nur große Unternehmen über sich ergehen lassen, sondern im selben Maße auch kleine Handwerksbetriebe mit zwei oder drei Angestellten. Die Belastung für international agierende Konzerne ist natürlich ungleich geringer, als für ein traditionelles Kleinunternehmen. Zwar wird die erdrückende Bürokratie hier und da mal angemahnt, aber abgesehen von hochtrabenden politischen Sonntagseden, passiert in Wirklichkeit recht wenig.