Walter-Antrieb: Die vergessene Ingenieurskunst

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Der Walter-Antrieb hatte es einst ermöglicht aus Booten – die auch Tauchen können  echte U-Boote zu machen. Die so erreichten Untersee-Geschwindigkeiten wurden erst viele Jahrzehnte später von Atom-U-Booten übertroffen. Die Technologie geriet im Laufe der Zeit weitestgehend in Vergessenheit: Jedoch zu Unrecht. Denn die heutigen Brennstoffzellenanlagen sind keineswegs leistungsfähiger.

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„Das bedeutete nicht das Ende des U-Boot-Krieges. Im Mai 1944 ging das erste mit einem Schnorchel ausgerüstete Unterseeboot auf Testfahrt. Der Schnorchel, ein umklappbarer Luftmast mit zwei Rohren in seinem Innern, erlaubte dem U-Boot die Unterwasserfahrt per Dieselantrieb. Die Vorrichtung, 1927 von einem holländischen Marineoffizier erfunden, nahm das Prinzip des geschlossenen Wasserstoffperoxid-Systems, das die Deutschen 1945 zum Einsatz brachten, ebenso vorweg wie das des Nuklearantriebs, indem es das bisherige bloße Tauchboot zu einem echten Unterseeboot machte, das in der Lage war, während seines gesamten Kampfeinsatzes unter Wasser zu operieren. Bei falscher Handhabung drohte der Erstickungstod der ganzen Mannschaft; man nimmt an, dass zwei U-Boot-Besatzungen auf diese Weise ums Leben kamen. Richtig angewendet, gab das Gerät der U-Boot-Waffe seine alte Gefährlichkeit zurück. Wären die wichtigsten Atlantikhäfen der Deutschen nicht im August 1944 an die US Army verloren gegangen, hätten die Schnorchel-U-Boote die Atlantikschlacht wieder eröffnet, vermutlich mit hohen Verlusten für die Alliierten.“

 

>>Spiegel<<

„Zum Abstieg in die Tiefzonen des Ozeans befähigt den „Stint“ ein besonderes Antriebssystem, das Konstrukteur Walter schon in den dreißiger Jahren entwickelt hatte. Bei dem nach seinem Erfinder benannten Walter-Verfahren dient als Treibstoff eine Substanz, mit deren Hilfe deutsche Frauen ihr Haupthaar bleichen — Wasserstoffsuperoxyd (entspricht Wasserstoffperoxid, Anmerkung der Redaktion). Aus den Tanks im „Stint“-Rumpf wird der Treibstoff in einen sogenannten Zersetzer geleitet, der das Wasserstoffsuperoxyd in Wasser und Sauerstoff aufspaltet. Bei dem chemischen Zersetzungsvorgang werden hohe Temperaturen frei (bis zu 550 Grad Celsius), die das Wasser erhitzen und verdampfen. Mit dem Druck des Wasserdampfs wird eine Turbine betrieben, die der Heckschraube des Tauchboots als Motor dient. Die Leistung des „Stint“-Motors kann noch gesteigert werden, wenn der frei werdende Sauerstoff zusammen mit einem Weiteren Brennstoff — etwa Dieselöl — in einem Feuertopf verbrannt wird. Auf diese Weise wird die Schubleistung des U-Boot-Antriebs mehr als verdoppelt — von 50 PS (ohne Verbrennung) auf 120 PS. Mit Hilfe des Walter-Antriebs, der eine optimale Ausnutzung des Brennstoffs ermöglicht, kann der „Stint“ auf lange Tauchfahrten gehen. Der Aktionsradius des Tauchboots, das Geschwindigkeiten zwischen sieben und 22 Stundenkilometern erreicht, beträgt etwa 180 Kilometer, Atemluft für die „Stint“-Piloten erzeugt das Antriebssystem — ein Teil des im Zersetzer produzierten Sauerstoffs wird in die Kommando-Kugel geleitet.“

 

>>Deutsche Schiffahrtsmuseum<<

„Der Erfinder Hellmuth Walter begann in den 1930er Jahren damit, Gasturbinen-Antriebe zu entwickeln, die es U-Booten ermöglichen sollten, ohne Luftzufuhr von außen, also ohne Schnorchel-Einrichtung, zu operieren. Die deutsche Kriegsmarine testete unterschiedliche Versionen dieses Antriebs; so brachte es das Versuchs-U-Boot V 80 auf eine Unterwassergeschwindigkeit von 28,1 Knoten.“

Vergleichbare Unterwassergeschwindigkeiten wurden erst mit der Einführung von atomgetriebenen Jagd-U-Boot erreicht. Ungeachtet der Historie, hat Wasserstoffperoxid den bestechenden Vorteil der einfachen Lagerung. Moderne Brennstoffzellenanlage – wie die auf den U-Booten der Klasse 212 A – benötigen aufwendige Drucktanks, zum Speichern des gasförmigen Wasserstoff und des heruntergekühlten Sauerstoff. Wasserstoffperoxid hingegen ist flüssig und lässt sich daher problemloser lagern. Insgesamt ist der Walter-Antrieb aus den 1930er Jahren viel unkomplizierter und wenig störanfällig als die neuzeitlichen Brennstoffzellenanlagen. Fristet aber trotzallen ein Nischendasein.