“Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen” – “Für beides gebe es weltweit Modelle”

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In der heutigen Zeit werden sogenannte “Brandmauern” aufgebaut, um unerwünschte politische Bewegungen zu blockieren. In der ehemaligen DDR kamen ähnliche Begriffe zum Einsatz, die im Wesentlichen die gleiche Aussagekraft hatten.

“Nationale Front” in der DDR: “Es lebe die Nationale Front des demokratischen Deutschland!”

>>Goodbye DDR von Guido Knopp (Buch) <<

“Durch die Bildung einer Regierung sollte sich jedoch an den bestehenden Machtverhältnissen in der Ostzone nichts ändern. »Wenn wir eine Regierung gründen, geben wir sie nicht wieder auf, weder durch Wahlen noch durch andere Methoden«, hieß es auf einer Tagung des SED-Parteivorstands. Der Kremlchef stimmte dem Ansinnen der SED-Delegation zu. Und so trat am 7. Oktober 1949 im großen Festsaal der »Deutschen Wirtschaftskommission« der SBZ, im ehemaligen Reichsluftfahrtministerium, der »Deutsche Volksrat« zusammen. An der Stirnwand des Saals prangte ein Spruchband, das in großen Lettern verkündete: »Es lebe die Nationale Front des demokratischen Deutschland!« Als Wilhelm Pieck den Antrag stellte, den Volksrat zur provisorischen Volkskammer umzubilden, erhoben sich zum Zeichen der Zustimmung die Delegierten von ihren Plätzen. Damit war die DDR gegründet – und die Teilung Deutschlands staats- und völkerrechtlich endgültig vollzogen.”

“Wenn wir eine Regierung gründen, geben wir sie nicht wieder auf, weder durch Wahlen noch durch andere Methoden”

Wenn wir eine Regierung gründen, geben wir sie nicht wieder auf, weder durch Wahlen noch durch andere Methoden” – Dieser Satz war in der Tat ernsthaft gemeint, was die Entwicklungen in den folgenden 40 Jahren belegen. In Wirklichkeit waren die Wahlergebnisse in der DDR nicht von ausschlaggebender Bedeutung, vielmehr wurde großer Wert auf das Verhalten der Wähler gelegt.

“Blockparteien, aber ihre Rolle bestand nicht in der Opposition, sondern im Aufrechterhalten eines Anscheins von Pluralität”

>>Demokratie von Hedwig Richter (Buch) << 

“In der DDR waren zwar anders als im Nationalsozialismus neben der Herrschaftspartei andere Parteien zugelassen, die sogenannten Blockparteien, aber ihre Rolle bestand nicht in der Opposition, sondern im Aufrechterhalten eines Anscheins von Pluralität. Ihre von oben ausgewählten Kandidaten standen mit denen der SED und Massenorganisationen als «Nationale Front» auf dem Stimmzettel. Eine Pflicht zur Nutzung der Wahlkabine gab es anders als in liberalen Demokratien nicht. Die Geheimhaltung zu fordern, bedeutete schon Protest. Am Wahltag verfassten zahlreiche Institutionen Überwachungsberichte: die staatlichen, regionalen, kommunalen und SED-Behörden, die Staatssicherheit, die Wahlausschüsse. Sie mussten unter anderem Informationen an die nächsthöhere Instanz weiterleiten. Die Beobachter berichteten meist nicht nur über die Nichtteilnahme, sondern auch über unangemessene Verhaltensweisen, etwa eine unerwünschte Wahlkabinennutzung oder Anmerkungen auf dem Zettel. Im Nachhinein mussten die verschiedenen Instanzen nochmals eine genaue Analyse mit exakter Statistik für die nächsthöhere Ebene verfassen. Wahlverweigerung galt als Makel, und je höher die Instanz war, der Ergebnisse gemeldet wurden, desto mehr näherten sich die Zahlen den erwünschten 100 Prozent.”

“Je höher die Instanz war, der Ergebnisse gemeldet wurden, desto mehr näherten sich die Zahlen den erwünschten 100 Prozent”

Im Rahmen einer Wahl waren die Bürger der DDR verpflichtet, an einem offiziellen Ort zu erscheinen und ihre politische Haltung einem Vertreter des Staates zu offenbaren. In Wirklichkeit wurde mehr Wert auf das “Verhalten der Wähler” gelegt als auf die tatsächliche Stimmabgabe. Die eigentliche “Wahl” nahm eine eher untergeordnete Rolle ein. Jedenfalls wurden bereits zu jener Zeit insbesondere die Ergebnisse der Briefwahl mit besonderer Skepsis betrachtet.

“Die Briefwahl kann nicht alles erklären”

>>Ausstieg links? Eine Bilanz von Gregor Gysi & Stephan Hebel (Buch) <<

“Ich ärgere mich, dass ich bei der letzten Wahl unter der Herrschaft der SED, der Kommunalwahl im Mai 1989, den Zettel einfach so in die Urne gesteckt habe, per Briefwahl. Ich hätte eigentlich mit Nein stimmen sollen. Aber andererseits war ich der einzige Rechtsanwalt, der beim Generalstaatsanwalt Anzeige wegen Wahlfälschung erstattet hat. Das habe ich damals im Auftrag von Pfarrer Rainer Eppelmann gemacht, dem späteren CDU-Politiker. Übrigens hat mich die Abteilungsleiterin beim Generalstaatsanwalt ungewollt bestätigt: Sie sagte, die Ungereimtheiten, die die Bürgerrechtler beim Beobachten der Wahllokale festgestellt hätten, könnten ja darauf zurückzuführen sein, dass sie die Briefwahl nicht mitrechneten. Ich antwortete ihr: »Die Briefwahl kann nicht alles erklären. Ich will ja bloß die Wahlunterlagen sehen, wir können doch einfach nachzählen.« Da sagte sie, dass die leider vernichtet wären, deshalb ginge das nicht mehr.”

“Ich will ja bloß die Wahlunterlagen sehen” – “Da sagte sie, dass die leider vernichtet wären, deshalb ginge das nicht mehr”

Was die Genauigkeit und Legalität von Wahlen betrifft – insbesondere im Hinblick auf die Briefwahlen – hat sich offenbar nicht viel gewandelt. Immer noch wird auf ehrenamtliche Unterstützer gesetzt, und Kontrollen sind eher selten. Wahrscheinlich wird bei jeder Ausfallstraße mehr Augenmerk auf Regelwidrigkeiten der Geschwindigkeit gelegt als bei einer Wahl. Für die teils erheblichen Abweichungen bei der Briefwahl gibt es keine wirklich nachvollziehbaren Erklärungen, jedoch zahlreiche aufschlussreiche Skandale.

“Auch wenn die Beteiligten schweigen: Der Wahlbetrug von Stendal war nicht die Tat eines Einzelnen”

>>Mitteldeutsche Zeitung<<

“Auch wenn die Beteiligten schweigen: Der Wahlbetrug von Stendal war nicht die Tat eines Einzelnen. … Der Wahlskandal von Stendal geht als unrühmliches Kapital in Sachsen-Anhalts politische Geschichte ein. Die Fälschung von mehreren hundert Briefwahlunterlagen bei der Kommunalwahl 2014 hat nicht nur in der östlichen Altmark ein Beben ausgelöst.”

“Die Fälschung von mehreren hundert Briefwahlunterlagen bei der Kommunalwahl 2014”

Der als “Wahlskandal von Stendal” bezeichnete Vorfall wurde hauptsächlich durch die Hartnäckigkeit eines Bürgers ans Licht gebracht und weniger durch die gewissenhafte Arbeit von Staatsdienern. Das Ergebnis zeigte, dass es sich um die illegalen Aktivitäten einer größeren Gruppe handelte. In diesem Zusammenhang kann die Äußerung, Anspielung oder ein Versprecher einer Person aus der Unterhaltungsbranche mehrdeutig interpretiert werden.

“Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen” – “Für beides gebe es weltweit Modelle”

>>Bild<<

„Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen“ – Dabei sei es auch völlig egal, warum die Menschen ihre Wahlentscheidung treffen – sogar, wenn sie ihre Wahl damit begründen, dass der Kandidat „so schöne Schnürsenkel“ hat. … „Das sind Ergebnisse von freien Wahlen, von freien, gleichen und geheimen Wahlen. Wenn ich das nicht will: Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen“, so Schmidt. Für beides gebe es weltweit Modelle.”

Was ist mit der Glaubwürdigkeit? – “Ergebnisse von freien Wahlen, von freien, gleichen und geheimen Wahlen”

Solche Äußerungen werfen jedenfalls ein merkwürdiges Licht auf die Glaubwürdigkeit einer Wahl. Auch der Einsatz öffentlicher Mittel zur Überwachung des Wahlprozesses scheint eher sehr begrenzt zu sein. Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Brandenburg und Sachsen lässt sich unter diesen Bedingungen bereits jetzt eine ungefähre Prognose für das Wahlergebnis ableiten. Die Parteien CDU, SPD und Grüne werden in beiden Bundesländern eine Art Koalition bilden, die als Brandmauer fungiert, wobei das Wahlprogramm der Grünen entscheidend zur Geltung kommen wird. Es ist wahrscheinlich, dass die Briefwahlen entscheidend für den Machtanspruch dieser Koalition sein werden.