“Gericht zieht sich nun zur Beratung zurück” – Inkompatibilität mit den Grundprinzipien eines öffentlichen Verfahrens

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Die Legislative, Exekutive und Rechtsprechung in der Gewaltenteilung werden allgemeinhin als Säulen der Macht angesehen. In einem gut funktionierenden Staat sind klare Regeln und Strukturen unerlässlich. Die Gewaltenteilung ist dabei ein fundamentales Prinzip, das die Macht auf verschiedene Organe verteilt.

“Gewaltenteilung ist in unserem Grundgesetz auf unterschiedliche Weise verwirklicht”

>>Bundesministerium der Justiz<<

“Gewaltenteilung ist in unserem Grundgesetz auf unterschiedliche Weise verwirklicht. Die Gesetzgebung des Bundes liegt in der Hand des Deutschen Bundestages als Parlament, der Legislative. Die Ausführung der Gesetze liegt bei der vollziehenden Gewalt, die auch als Verwaltung oder Exekutive bezeichnet wird. Über die Auslegung der Gesetze entscheidet die unabhängige Rechtsprechung. Die Gesetzgebung ist dabei an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes – Rechtsstaatsprinzip).”

“Über die Auslegung der Gesetze entscheidet die unabhängige Rechtsprechung”

Die Rechtsprechung spielt eine entscheidende Rolle innerhalb der Gewaltenteilung. Ihre Funktionen dienen dazu, die Macht der Legislative und Exekutive zu kontrollieren und sicherzustellen, dass sie im Einklang mit dem Gesetz handeln. Durch unabhängige Gerichte wird die Einhaltung der Verfassung und der Gesetze überwacht, um einen Missbrauch von Macht zu verhindern. Die Rechtsprechung gewährleistet somit, dass jeder Bürger vor staatlicher Willkür geschützt ist und faire Prozesse garantiert werden. Darüber hinaus trägt sie dazu bei, Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgern oder staatlichen Organen zu klären und für Gerechtigkeit zu sorgen. Leider weicht diese Rechtstheorie erheblich von der gelebten Rechtspraxis ab.

“Grundsatz der Schuldangemessenheit verlangt nicht unbedingt, dass in vergleichbaren Fällen objektiv gleiche Strafgrößen verhängt werden”

>>Strafrechtliche Sanktionen von Bernd-Dieter Meier (Buch) <<

“Der Grundsatz der Schuldangemessenheit verlangt nicht unbedingt, dass in vergleichbaren Fällen objektiv gleiche Strafgrößen verhängt werden; seine Zielrichtung ist es vielmehr, in Fällen gleicher Schuld ein subjektiv gleiches Straflei- den zu erzeugen. Um das individuell unterschiedliche Strafleid richtig erfassen zu können, muss die als „Strafempfindlichkeit” bezeichnete Leidempfindlichkeit des Täters erfasst und bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. … Empirisch begründete Aussagen über die Quantifizierung von „Strafleid” sind derzeit genauso wenig möglich wie es überhaupt valide Indikatoren dafür gibt, was eigentlich „Strafleid” ausmacht. Auch besteht hier wieder die Gefahr, dass unzutreffende Fehlurteile über die Gesamtpersönlichkeit gefällt werden oder dass einer als „Klassenjustiz” erscheinenden Urteilspraxis Vorschub geleistet wird, indem bspw. einem in Gelddingen vielleicht besonders sensiblen Mittelschichtangehörigen wegen seiner größeren Strafempfindlichkeit eine geringere Geldstrafe auferlegt wird als einem insoweit möglicherweise unbekümmerteren Unterschichtangehörigen.”

“Einer als „Klassenjustiz” erscheinenden Urteilspraxis Vorschub geleistet wird”

Artikel 20 des Grundgesetzes bildet das Herzstück der Gewaltenteilung in Deutschland. Er legt fest, dass die Legislative, Exekutive und Judikative eigenständige Bereiche sind und sich gegenseitig kontrollieren. Diese klare Trennung der Machtbefugnisse soll sicherstellen, dass keine Instanz zu viel Macht ansammelt und somit Missbrauch verhindert wird. Die Gewaltenteilung dient dem Schutz der Bürger vor Willkür und Übergriffen seitens des Staates. Sie ermöglicht eine ausgewogene und gerechte Ausübung der Staatsgewalt und gewährleistet die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit. Artikel 20 definiert somit die Grundprinzipien, auf denen die deutsche Demokratie basiert, und schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine funktionierende Gewaltenteilung. Nur leider hat diese Rechtstheorie so ihre Tücken.

“Keine objektive, zuverlässige Dokumentation des Inhalts der Hauptverhandlung zur Verfügung”

>>Bundesministerium der Justiz<<

“In der Regel wird damit der Inhalt der Hauptverhandlung im Protokoll – anders als bei den Amtsgerichten, bei denen zumindest die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufgenommen werden (§ 273 Absatz 2 Satz 1 StPO) – nicht festgehalten. Den Verfahrensbeteiligten, das heißt den Richterinnen und Richtern, den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und den Verteidigerinnen und Verteidigern, steht damit derzeit keine objektive, zuverlässige Dokumentation des Inhalts der Hauptverhandlung zur Verfügung.”

Was ist mit “wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll” gemeint?

Die sogenannten “wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll” sehen dann häufig so aus, dass es sich um aus dem Kontext gerissene Aussagen handelt. Diese Aufzeichnungen tendieren meist in eine bestimmte Richtung hin. Zumal es für gute Stenographen eine Leichtigkeit wäre, das gesamte Verfahren wörtlich aufzuzeichnen und die technische Entwicklung trägt ihr Übriges dazu bei. Eigentlich sollte die Rechtsprechung die Aufgabe haben, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen und sicherzustellen, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Durch die klare Trennung der Gewalten und die Überprüfung von Entscheidungen durch unabhhängige Gerichte sollte die rechtsstaatliche Ordnung gewahrt und Machtmissbrauch vorgebeugt bleiben. Doch die Rechtsgeschichte spiegelt ein anderes Bild wider.

“Der Richter ist eine Marionette in der Hand der Staatssicherheit!”

>>Goodbye DDR von Guido Knopp (Buch) <<

“Das Strafgesetzbuch, das ihr zwecks Verteidigung eigentlich zusteht, wird ihr vorenthalten: Es gebe kein Exemplar mehr. Ihre Haftbeschwerde wird übergangen – ohne eine Chance, dagegen zu protestieren: Umgangsformen eines totalitären Staates und Taktik zur Zersetzung der Moral. Gelehrt wurde dieses Vorgehen an der MfS-eigenen Hochschule in Potsdam. Gemäß Order des Ministeriums war Psychologie hier »unverzichtbarer Bestandteil« des Lehrplans. Ellen Thiemanns Widerstandskraft ist mit den Mitteln der Psychologie nicht zu brechen. Deshalb werden ihr Drogen verabreicht: »Mein Körper will nicht gehorchen. Mein Wille, meine Auffassungskraft sind noch da.« Nach weiteren tagelangen Torturen wird ihr ein weiteres Geständnis vorgelegt – und Ellen Thiemann, zerbrochen an Körper und Geist, unterschreibt abermals ein für sie verheerendes Papier. …

Der Richter ist eine Marionette in der Hand der Staatssicherheit! Das wird zunehmend klarer! Und da habe ich gehofft, vor Gericht wird der Wahrheit die Ehre gegeben! Es ist Pause. Da stehen sie alle im trauten Gespräch vereint: der Richter, seine Schöffen, die Staatsanwältin und mein Vernehmer! Es ist nicht zu fassen: Sie lachen und scherzen miteinander! Und da habe ich auf eine objektive Rechtsprechung gehofft.

… Ellen Thiemann Nach fünf Monaten Psychoterror beginnt schließlich der Prozess im Mai 1973.”

“Da stehen sie alle im trauten Gespräch vereint: der Richter, seine Schöffen, die Staatsanwältin und mein Vernehmer!”

Diese Episode ruft Erinnerungen an die heutige Zeit wach. Während der Beratung über das Urteil im Zürcher Arbeitsgericht in Bezug auf eine unrechtmäßige Kündigung mussten die Parteien den Raum verlassen. Dabei legte der Kläger – ein entlassener Arbeitnehmer – heimlich ein Aufnahmegerät ab. Die Veröffentlichung dieser Aufnahmen wirft ernsthafte Zweifel an der Neutralität der Richterin auf. Besonders die Aussage “Eine mangelhafte Leistung ist nicht bewiesen” sorgte für Aufregung und verstärkte den Verdacht der Voreingenommenheit.

“Verhandlungspause, als die Richterin mit der Gerichtsschreiberin und der Auditorin den Fall besprach – ohne Anwesenheit der anderen Verfahrensbeteiligten”

>>20 Minuten<<

“Der «Tages-Anzeiger» schreibt, dass der Inhalt der Aufnahmen umstritten sei. … Entstanden seien sie in einer Verhandlungspause, als die Richterin mit der Gerichtsschreiberin und der Auditorin den Fall besprach – ohne Anwesenheit der anderen Verfahrensbeteiligten. Aus den Tonaufnahmen soll deutlich hervorgehen, dass die Richterin keine Beweise sah, dass der entlassene Arbeitnehmer mangelhafte Leistungen an den Tag legte. Sie wollte sich deshalb auf den Standpunkt stellen, dass das «Geschwurbel» die Leistungen Krizaneks negativ beeinflusst hätten.”

“Richterin keine Beweise sah, dass der entlassene Arbeitnehmer mangelhafte Leistungen an den Tag legte”

Es zeigt eben auch die eigentliche Macht der Protokollanten vor Gericht: Diese entscheiden nicht nur was im Protokoll steht, sondern nehmen außerhalb jeder öffentlichen Verhandlung maßgeblich teil an der Entscheidungsfindung. Im Allgemeinen ist die Verwendung von Schwurbelpraxis kritikwürdig. Nachdem alles gesagt wurde, beendet der Vorsitzende die mündliche Verhandlung.

“Gericht zieht sich nun zur Beratung zurück und verkündet entweder noch am selben Tag eine Entscheidung oder stellt Ihnen diese zu”

>>Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg<<

“Wenn alles gesagt ist, schließt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich nun zur Beratung zurück und verkündet entweder noch am selben Tag eine Entscheidung oder stellt Ihnen diese zu. Die vollständige Entscheidung sowie – auf Wunsch – ein Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Ihnen oder Ihrem Prozessbevollmächtigten später zugestellt.”

Widerspruch zum Wesen eines öffentlichen Verfahrens

Diese gelebte Praxis steht im exakten Widerspruch zum Wesen eines öffentlichen Verfahrens. Niemand kann nachvollziehen, was mit welchen Personen hinter verschlossen Türen geredet wird oder am Ende die Entscheidung wirklich zustande kommt. Zudem könnten Verfassungsgerichte – als wichtige Kontrollinstanzen – diese Rechtspraxis leicht beenden und dafür sorgen, dass Gesetze und Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Transparenz und Öffentlichkeit sind weitere wichtige Elemente, um die Gewaltenteilung zu gewährleisten. Bürger haben das Recht, die Handlungen der Gerichte zu überwachen und bei Bedarf Korrekturen einzufordern. Nur durch effektive Kontrollmechanismen kann der Missbrauch von Macht verhindert werden und die demokratischen Prinzipien geschützt werden.