“Tellerwäscher-Erzählung” – “Wenn er sein Leben lang mit schlechten Löhnen abserviert wird, denn es muss dann ja an ihm selbst liegen”

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Ist es tatsächlich möglich, vom “Tellerwäscher zum Millionär” aufzusteigen? Oder bleibt man letztlich nur ein Geschirrspüler? Ein Vergleich mit der Realität gestaltet sich als schwierig, doch zahlreiche Hinweise legen nahe, dass es sich hierbei um seltene Ausnahmen handelt.

“Tellerwäscher-Erzählung” – “Wer daran glaubt, kann sich eigentlich nicht beschweren”

>>Die Selbstgerechten von Sahra Wagenknecht (Buch) <<

“Die Tellerwäscher-Erzählung – Die gute Seite ist, dass sie damit den Zusammenhalt von Gesellschaften festigen. Gemeinsame Werte und ähnliche Verhaltensmuster schaffen Vertrauen und erhöhen die Verbindlichkeit und Verlässlichkeit im Umgang miteinander. Die schlechte Seite ist, dass sie die Verlierer oft über lange Zeit dazu motivieren, sich mit einer Ordnung abzufinden, die ihnen überwiegend Nachteile bringt. Ein Beispiel dafür ist die vor allem in den USA bis heute populäre Erzählung, der Kapitalismus zeichne sich dadurch aus, dass in ihm aus jedem Tellerwäscher ein Millionär werden kann. Wer daran glaubt, kann sich eigentlich nicht beschweren, wenn er sein Leben lang mit schlechten Löhnen abserviert wird, denn es muss dann ja an ihm selbst liegen, dass es mit dem großen Geld nicht geklappt hat.”

“Tellerwäscher-Erzählung” – “Wenn er sein Leben lang mit schlechten Löhnen abserviert wird, denn es muss dann ja an ihm selbst liegen” 

Die “Tellerwäscher-Erzählung” basiert auf der Annahme, dass der Grund für das Scheitern des sozialen Aufstiegs oder des Erreichens von “großem Geld” bei einem selbst zu suchen ist. Die Mehrheit der Personen, die einen Zweit- oder sogar Drittjob ausüben, tut dies weniger aus dem Streben nach einer beeindruckenden Karriere, sondern aus eher trivialen Motiven.

“Der Trend geht zum Zweit- und Drittjob”

>>Spiegel<<

“Der Trend geht zum Zweit- und Drittjob – Das Leben ist teuer, der Verdienst häufig gering. Immer mehr Menschen arbeiten deshalb in mehreren Jobs. Einer Studie zufolge hat die Zahl der Mehrfachbeschäftigten drastisch zugenommen – vor allem in strukturschwachen Regionen.”

“Leben ist teuer, der Verdienst häufig gering” – “Immer mehr Menschen arbeiten deshalb in mehreren Jobs”

>>Lexware.de<<

“Mehr verdienen und an weiteren Arbeitsplätzen neue Erfahrungen sammeln, das klingt nach guten Möglichkeiten. Tatsächlich aber multijobben aktuell noch die wenigsten Menschen, um sich selbst zu verwirklichen oder in andere Aufgabengebiete hineinzuschnuppern: Geldknappheit bzw. ein niedriger Lohn im Hauptjob sind in den meisten Fällen der Grund dafür, die stressige Zeitplanung und Doppelbelastung in Kauf zu nehmen. Nicht, um dann über große Reichtümer zu verfügen – sondern um überhaupt über die Runden zu kommen.”

“Überhaupt über die Runden zu kommen” – “Geldknappheit bzw. ein niedriger Lohn”

Das Leben kostet viel Geld und gut bezahlte Arbeitsplätze sind selten. Dies trifft besonders auf strukturschwache Gebiete wie die Lausitz zu. Ähnlich der “Tellerwäscher-Erzählung” existiert zudem die analoge Annahme, dass “sozialer Aufstieg durch Bildung” problemlos möglich sei.

„Sozialer Aufstieg durch Bildung ist ein weiterer Mythos“

>>Wem gehört Deutschland? von Jens Berger (Buch) <<

„Sozialer Aufstieg durch Bildung ist ein weiterer Mythos, an den wir uns gewöhnt haben. Gerade einmal 9,2 Prozent der Gymnasiasten haben Eltern mit Volks- beziehungsweise Hauptschulabschluss. Selbst bei gleicher Leistung hat das Kind eines Akademikers gegenüber einem Arbeiterkind eine dreimal so große Chance, ein Gymnasium zu besuchen. Von 100 Akademikerkindern studieren 71, von 100 Kindern aus Nichtakademikerfamilien nur 24.4 So pflanzen sich soziale Ungleichheiten über Generationen hinweg fort.“

„Bei gleicher Leistung hat das Kind eines Akademikers gegenüber einem Arbeiterkind eine dreimal so große Chance, ein Gymnasium zu besuchen“ 

Die Oberschicht zieht es vor, in ihren eigenen Kreisen zu verweilen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass das Bafög im Laufe der Jahre kontinuierlich gekürzt wurde. Sollten sozial benachteiligte Personen tatsächlich den Weg an die Universität finden, so haben sie am Ende vielleicht einen akademischen Abschluss erlangt, jedoch gleichzeitig einen erheblichen Schuldenberg angehäuft: Denn das gegenwärtige Bafög besteht überwiegend aus rückzahlbaren Krediten. Darüber hinaus erscheint eine „Qualifikation“ heutzutage – ohne die richtigen Kontakte – eher unwichtig.

„Wohlstand in der von politischen Heuchlern so gern umworbenen »Mitte der Gesellschaft« ist fragil geworden“

>>Reichtum ohne Gier von Sahra Wagenknecht (Buch) <<

„Weder Fleiß und Qualifikation noch Zweit- und Drittjobs sind heute ein Garant dafür, sich und seiner Familie ein einigermaßen sorgenfreies Leben sichern zu können. Der Wohlstand in der von politischen Heuchlern so gern umworbenen »Mitte der Gesellschaft« ist fragil geworden. War früher individueller Aufstieg – wenn auch nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, so doch vom Arbeiterkind zum Oberstudienrat – eine breite gesellschaftliche Erfahrung, ist es inzwischen eher der Abstieg. Selten geht es den Kindern heute besser als ihren Eltern, oft ist es umgekehrt.“

„Selten geht es den Kindern heute besser als ihren Eltern, oft ist es umgekehrt“

In der heutigen Zeit ist bei zahlreichen Familien ein sozialer Abstieg zu beobachten, also der Wandel vom “Millionär zum Tellerwäscher“. Die sogenannte “Agenda 2010” mit den Hartz-IV-Gesetzen hat dazu geführt, dass Ingenieure tatsächlich gezwungen sind, eine schlecht bezahlte Anstellung als Tellerwäscher anzunehmen. Zudem sind keine verlässlichen Statistiken verfügbar, die zeigen, wie viele Personen eine Beschäftigung unterhalb ihrer Qualifikation akzeptieren mussten. Es gibt aber Ausnahmen.

Beamte: “on einem Niveau, welches sie einmal erreicht haben, fallen sie nie wieder herunter”

>>Beamte – Was die Adeligen von heute wirklich verdienen von Torsten Ermel (Buch) <<

“Darüber hinaus muss für den Vergleich mit Beamten noch berücksichtigt werden, dass Arbeitnehmer häufig für ihre Tätigkeiten überqualifiziert sind, also in gewissem Sinne auch unterbeschäftigt. Aufgrund der Arbeitsmarktlage bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Stellen unterhalb ihrer Qualifikation, nämlich jede zumutbare Tätigkeit, anzunehmen. Beamten kann das nicht passieren. Von einem Niveau, welches sie einmal erreicht haben, fallen sie nie wieder herunter. Die Zahl dieser unterbeschäftigten, weil überqualifizierten Arbeitnehmer lässt sich leider nicht mit der notwendigen Sicherheit angeben; viele Leser werden diese Situation jedoch aus eigenem Erleben kennen. In jedem Betrieb gibt es solche überqualifizierten Mitarbeiter, denen der Arbeitsmarkt keine andere Wahl gelassen hat.”

“In jedem Betrieb gibt es solche überqualifizierten Mitarbeiter, denen der Arbeitsmarkt keine andere Wahl gelassen hat”

Die genaue Anzahl der unterbeschäftigten Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Überqualifikation in dieser Lage sind, kann leider nicht mit der erforderlichen Präzision bestimmt werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass viele Personen diese Situation aus eigener Erfahrung nachvollziehen können. In so gut wie jedem Unternehmen findet man solche überqualifizierten Angestellten, denen der Arbeitsmarkt keine alternativen Möglichkeiten geboten hat.