Ist Majestätsbeleidigung strafbar? – “Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen”

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Ist Majestätsbeleidigung strafbar? Werden politische Führer heutzutage anders rechtlich behandelt? Und wie steht es im Einklang mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes? Tatsächlich lassen sich erstaunliche Ähnlichkeiten zur Vergangenheit feststellen.

“Bundestag streicht den Paragrafen zur Majestätsbeleidigung”

>>Deutscher Bundestag<<

“Bundestag streicht den Paragrafen zur Majestätsbeleidigung – Er folgte dabei einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (18/12602). Abgelehnt wurden – bei Enthaltung der Grünen – Gesetzentwürfe der Linken (18/8272) und – gegen die Opposition – von Bündnis 90/Die Grünen (18/8123) sowie – ebenfalls gegen das Votum der Opposition – der Gesetzentwurf des Bundesrates (18/10980). Die Reden wurden zu Protokoll gegeben.”

Tun sich Parallelen mit der Vergangenheit auf?

Der Paragraph zur Beleidigung des Monarchen wurde gestrichen. Jedoch sollte man in diesem Zusammenhang weniger auf den Paragraphen zur Majestätsbeleidigung achten, sondern vielmehr die Anwendung davon zur damaligen Zeit betrachten.

“Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen”

>>Unser gutes Recht von Bijan Moini (Buch) <<

“Rosa Luxemburg war zweifellos eine außergewöhnliche Frau. … Wegen Majestätsbeleidigung wurde 1904 auch Luxemburg erstmals zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Sie hatte auf die Behauptung Kaiser Wilhelms II., er verstehe die Probleme der deutschen Arbeiter besser als jeder Sozialdemokrat, erwidert: »Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen.« 1906 folgte eine Freiheitsstrafe wegen »Anreizung verschiedener Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten«, weil Luxemburg auf einem SPD-Parteitag zu einem Massenstreik aufgerufen hatte. Und nachdem ein Krieg auf dem Balkan 1913 fast schon einen Weltkrieg ausgelöst hatte, rief sie eine Menge von Hunderttausenden zu Kriegsdienst- und Befehlsverweigerung auf – wofür sie wegen »Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und gegen Anordnungen der Obrigkeit« zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Die harte Strafe für eine pazifistische Meinungsäußerung diente offenkundig dazu, sie aus der Öffentlichkeit zu entfernen. Dass sich die SPD trotz ihrer Bemühungen im Sommer 1914 der allgemeinen Kriegsbegeisterung anschloss, verbitterte sie sehr. Kurz nach ihrer Entlassung aus der Haft wurde sie zur »Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reichs« in sogenannte militärische Sicherheitshaft genommen. Erst nach der Novemberrevolution 1918 kam sie wieder frei.”

“Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und gegen Anordnungen der Obrigkeit”

Die Frau wurde wenige Wochen später offenkundig durch Polizisten ermordet. Alleine beim Betrachten der rigorosen Strafen sind an der “allgemeinen Kriegsbegeisterung” dieser Zeit wohl eher Zweifel angebracht. Auch tun sich erstaunliche Parallelen auf. Zwar wird heute rigoros jeder Vergleich mit einer Gleichsetzung bestraft, aber teilweise haben sich nicht mal die Paragraphen geändert. Volksverhetzung ist noch heute strafbar, auch wenn sich der Wortlaut im Laufe der Zeit verändert hat und dieser wird sogar noch ständig ausgebaut. Auch die Aussage: “Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen.” gegen eine Personen des politischen Lebens wäre mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ebenso in der heutigen Zeit strafbar.

“Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung”

>>Rechtsanwalt Tommy Kujus<<

“Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung – Erfolgt eine Beleidigung (§ 185 StGB), eine üble Nachrede (§ 186 StGB) oder eine Verleumdung (§ 187 StGB) gegen eine Person des politischen Lebens, so kann sich der Täter nach § 188 StGB strafbar machen. … Das Opfer einer solchen Tat kann nur eine Person des politischen Lebens sein. Es reicht nicht aus, dass sie sich in der Öffentlichkeit befindet oder „prominent“ ist. Vielmehr sind nur Berufspolitiker auf Bundes- sowie Landesebene und Richter des Bundesverfassungsgerichts erfasst.”

“Das Opfer einer solchen Tat kann nur eine Person des politischen Lebens sein”

Es ist unklar, wie die “Sonderstraftatbestände” für “Personen des politischen Lebens” mit Artikel 3 des Grundgesetzes in Einklang gebracht werden können. Die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen scheint heutzutage keine hohe Priorität zu haben, dafür ist das Anzeigeverhalten zu einem regelrechten Wettbewerb geworden.

“Arbeite sie zusammen mit einem Anwalt, der systematisiert justiziable Kommentare in Mails und aus dem Netz heraussuche”

>>Spiegel<<

“Strack-Zimmermann erstattet monatlich 250 Anzeigen wegen Drohungen und Hetze – Mittlerweile arbeite sie zusammen mit einem Anwalt, der systematisiert justiziable Kommentare in Mails und aus dem Netz heraussuche.”

“Strack-Zimmermann erstattet monatlich 250 Anzeigen wegen Drohungen und Hetze”

>>Welt<<

“Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) geht stark gegen Hasskommentare gegen sich vor. Sie erstatte „20 bis 30 Strafanzeigen pro Woche“, um gegen die „übelsten Beleidigungen und Drohungen“ allein in E-Mails vorzugehen, sagte Chebli am Donnerstag bei einer Debatte zum zivilgesellschaftlichen Aktivismus im Netz im Rahmen der Veranstaltung „Tagesspiegel Data Debates“.

“Berliner Staatssekretärin” – “20 bis 30 Strafanzeigen pro Woche”

Es gäbe sicherlich noch zahlreiche weitere Beispiele zu nennen. Doch sollte man sich vielleicht einmal vor Augen führen, wie viele Persönlichkeiten des politischen Lebens es wohl geben mag und welch umfangreicher juristischer Apparat dahinter stehen muss. Jedenfalls könnte ein Normalbürger niemals so viele Anzeigen erstatten, da der Vorwurf des Querulantentums schnell erhoben worden wäre.

“Verfestigte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und querulatorischen Zügen” 

>>Legal Tribune Online<<

“Der Mann ist bei den baden-württembergischen Sozialgerichten (SG) gut bekannt: Allein vor dem SG Karlsruhe führte er von 2005 bis 2012 circa 660 Verfahren. Hinzu kommen rund 1.240 weitere Verfahren beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. Beim Bundessozialgericht (BSG) waren von 2006 bis 2012 circa 260 Verfahren anhängig. … Gutachter konnten trotz der Einreichung Hunderter Klagen keine schwere psychische Erkrankung feststellen. Der Mann habe lediglich eine “verfestigte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und querulatorischen Zügen”. Er wisse aber durchaus, was er wolle.”

“Gutachter konnten trotz der Einreichung Hunderter Klagen keine schwere psychische Erkrankung feststellen”

Im Vergleich zu manchen “Personen des politischen Lebens” scheint es sich eher um einem minder-schweren Fall zu handeln. Auf alle Fälle werden die Gräben tiefer und das ist nicht nur als Metapher zu verstehen.

“Graben vor dem Reichstagsgebäude” -“Zehn Meter breit und 2,5 Meter tief”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Das Parlament plant bereits einen Graben vor dem Reichstagsgebäude – er soll zehn Meter breit und 2,5 Meter tief werden. – “Aha-Graben” nennen sie in der Bundestagsverwaltung das Bauwerk. Der Name leitet sich nicht von Abstand, Händewaschen, Atemschutzmaske ab – sondern davon, dass die Grube erst zu erkennen sein soll, wenn man direkt davorsteht. Und dass der erstaunte Betrachter dann “Aha” sagt. … Rechts und links der Freitreppe sollen 55 Meter lange Zäune aufgestellt werden. Der Graben dazwischen soll 2,5 Meter tief und zehn Meter breit werden.”

“Rechts und links der Freitreppe sollen 55 Meter lange Zäune aufgestellt werden”

Der “Aha-Effekt” kann auch zweideutig interpretiert werden. Möglicherweise wäre es sinnvoll, wenn das Parlament einfach den Standort wechselt, da an anderen Orten die “Aha-Gräben” viel besser ausgebaut sind. Die heute eher romantisch-verklärte Festung Königstein sollte ursprünglich einem ganz anderem Zweck dienen. Schon damals konnte ein politischer Rückzug der anderen Art beobachtet werden.

“Festung Königstein und der Dresdner Maiaufstand 1849” – “Friedrich August II. reagierte Ende April kurzerhand mit der Auflösung des Landtages”

>>Festung Königstein<<

“Die Festung Königstein und der Dresdner Maiaufstand 1849 – Die liberale und demokratische Opposition im industriell aufblühenden Königreich wurde allerdings stärker. Sie organisierte sich in Vereinen und gewann zunehmend Einfluss im sächsischen Landtag, der dem König 1849 sogar Steuern verweigerte, solange dieser nicht die neue liberale Reichsverfassung der Nationalversammlung in Frankfurt anerkannte. Friedrich August II. reagierte Ende April kurzerhand mit der Auflösung des Landtages. Das brachte das Fass zum Überlaufen.”

“Auflösung des Landtages” – “Das brachte das Fass zum Überlaufen” 

Die Flucht wurde erforderlich, da die Situation aufgrund von eigenem Fehlverhalten, der Angst vor Machtverlust und der Weigerung, eine Diskussion zu führen, die Situation eskalierte. Daher zog man sich auf die Festung Königstein zurück.

“Festung Königstein.” – “Aufenthalt der königlichen Familie am sichersten Zufluchtsort”

>>Festung Königstein<<

“Da die Situation für Hof und Regierung in Dresden immer bedrohlicher wurde, traf man schon Ende April Vorkehrungen für einen längeren Aufenthalt der königlichen Familie am sichersten Zufluchtsort in ganz Sachsen: auf der Festung Königstein. Hinter den Mauern der mächtigen Landesfestung, 240 Meter über der Elbe und von 170 Mann Besatzung beschützt konnte sich Friedrich August II. mit seiner Familie in Sicherheit wiegen. Am 4. Mai verließen das Königspaar sowie einige Regierungsvertreter die Residenz und fuhren an Bord eines Dampfschiffes stromaufwärts nach Königstein.”

“Festung Königstein.” – “240 Meter über der Elbe und von 170 Mann Besatzung beschützt”

Zu dieser Zeit fand kein militärischer Angriff von außen statt, sondern das eigene Volk lehnte sich auf. Die Festung Königstein wurde genau zu diesem Zweck gebaut und könnte diese Funktion noch heute erfüllen. Die Bundesregierung könnte per Hubschrauber einfach dort hin fliegen. Damit wäre der “Aha-Graben” des Bundestages also völlig überflüssig.