Syrien: Christen wollen beim Neuaufbau helfen
Kirchenleiter veröffentlichen gemeinsame Erklärung
Einen Monat nach dem Machtwechsel in Syrien haben syrische Kirchenleiter eine „Botschaft der Liebe und Hoffnung“ veröffentlicht. Darin formulieren sie ihre Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft des Landes und appellieren an die Christen, sich aktiv am Neuaufbau Syriens zu beteiligen. Ende Dezember hatte sich eine Gruppe hochrangiger Kirchenvertreter mit dem neuen Machthaber und HTS-Anführer Ahmad al-Shara getroffen.
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Von Open Doors
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Nationale Versöhnung als einer von vier Schlüsseln
„In diesem historischen Moment wenden wir uns an die Öffentlichkeit mit einer Botschaft der Liebe und der Hoffnung“, beginnt die Erklärung. Unterzeichnet ist sie von Johannes X., Griechisch-Orthodoxer Patriarch von Antiochien und dem gesamten Osten, Mor Ignatios Aphrem II., Syrisch-Orthodoxer Patriarch von Antiochien und dem Osten und Oberstes Oberhaupt der Syrisch-Orthodoxen Universalkirche sowie Youssef I. Absi, Melkitisch-Griechisch-Katholischer Patriarch von Antiochien und dem Osten.
In ihrer Erklärung konzentrieren sie sich auf vier „Schlüsselachsen“: nationale Versöhnung und Dialog als Weg zur Einheit; ein Appell an die Welt, die externen Wirtschaftssanktionen aufzuheben; Beteiligung an der Ausarbeitung einer neuen Verfassung für das Land; Hoffnung auf eine gute Zukunft.
Neue Verfassung muss Glaubensfreiheit und Frauenrechte beinhalten
Um Versöhnung und Dialog zu erreichen, wünschen sie sich unter anderem die Einleitung eines umfassenden nationalen Dialoges, der alle Bereiche und Komponenten der Gesellschaft zusammenbringt, Vertrauen und sozialen Zusammenhalt fördert, die Wurzeln des Konflikts angeht und die nationale Identität Syriens auf der Grundlage gemeinsamer Werte neu definiert: Staatsbürgerschaft, Würde, Freiheit und Koexistenz.
„Wir sind der Ansicht, dass die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die die Bestrebungen der Syrer widerspiegelt, von zentraler Bedeutung für den Aufbau eines modernen und demokratischen Staates ist. Daher betonen wir die Notwendigkeit, dass der Prozess der Ausarbeitung der Verfassung inklusiv und umfassend sein muss und alle Teile der syrischen Gesellschaft, einschließlich verschiedener Ethnien, Konfessionen, Männer und Frauen, Jung und Alt, einbezieht, um sicherzustellen, dass die Verfassung den Willen des Volkes in seiner ganzen Vielfalt repräsentiert.“ Außerdem solle die neue Verfassung „den Grundsätzen der Staatsbürgerschaft, der Gewährleistung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung entsprechen und gleichzeitig die öffentlichen und individuellen Freiheiten, einschließlich der Meinungs- und Glaubensfreiheit, sowie die Einbeziehung der Frauen respektieren.“
Christen als Friedensstifter und Versöhner im „Geist des Evangeliums“
Den Christen in Syrien raten die drei Patriarchen, „sich nicht in die Isolation oder in die Angst zurückzuziehen, sondern sich aktiv in der Öffentlichkeit zu engagieren, bewegt vom Geist des Evangeliums, damit sie Partner beim Aufbau eines neuen Syriens sein können. Wir glauben, dass Gott, der uns in diesem Land zusammengeführt hat, unsere Bemühungen segnen und uns auf dem Weg zum Frieden leiten wird. Erheben wir unsere Herzen und Hände zu ihm, versöhnen wir uns miteinander und erbitten wir von ihm Kraft und Weisheit, um voranzukommen. Lasst uns Friedensstifter sein, die die Hoffnung Christi weitertragen und seiner Botschaft der Versöhnung, der brüderlichen Liebe und des Friedens auf Erden treu bleiben.“
Seitdem die Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) die Kontrolle über das Land hat, sind Christen, Alawiten und Drusen in Syrien besorgt darüber, was mit ihnen im neuen Syrien geschehen könnte. Bislang gab es keine eindeutigen Vorfälle, die auf ein gezieltes Vorgehen der neuen Machthaber gegen die christliche Minderheit in Syrien hindeuten würden. Einige Nachrichtenquellen berichteten zwar über Vorfälle, doch scheint es sich dabei um Vandalismus oder kriminelle Aktivitäten einzelner Personen zu handeln.
Am 31. Dezember hatte sich Ahmad al-Shara, Anführer der HTS, mit einer Gruppe von Kirchenleitern in Damaskus getroffen. Mehrere Nachrichtenagenturen zitierten diese mit den Worten, sie hätten das Treffen mit „vorsichtigem Optimismus“ über die Zukunft ihres Landes verlassen. „Es gibt hoffnungsvolle Anzeichen für einen Konsens über die wichtigsten Grundsätze und Werte mit den neuen Führern“, sagte einer der Teilnehmer. „Aber wir müssen abwarten, ob den Worten auch Taten folgen.“