Staatliche Überwachungsprogramme: Warum das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung auf der Strecke bleibt
Transparenz von staatlichen Entscheidungen oder das Recht auf Akteneinsicht sollen – oder sollten – in einen funktionierenden Rechtsstaat eigentlich Selbstverständlich sein: Aber immer öfter ist hiervon genau das Gegenteil zu beobachten. Verdeckte Hintertüren in Betriebssystem und Computerprogrammen oder heimliche Abhöraktionen gehören immer mehr zum Alltag dazu. Nicht selten werden dabei Grund– und Menschenrechte einfach beiseite gewischt, nur um das behördliche Informationsinteresse zu stillen.
Augustinus von Hippo: „Nimm das Recht weg – Was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“
Damit sinkt nicht nur das Vertrauen in behördliche Entscheidungen, sondern auch Unternehmen können sich nicht mehr ihrer Patententwicklungen oder wichtigen Geschäftskontakten sicher sein. Zu allen Überfluss finden sich Menschen in so einer Welt die auf rechtsstaatliches Handeln bestehen plötzlich als Kriminelle wieder.
Whistleblower Snowden: „Was 2013 passierte, hätte ohne Freie Software nie passieren können“
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Wie der ehemalige Mitarbeiter des US-Geheimdiensts NSA und inzwischen in Russland untergetauchte Whistleblower Snowden laut NetworkWorld kürzlich im Rahmen einer Zuschaltung während der LibrePlanet-Konferenz der Free Software Foundation (FSF) erklärte, hätte es seine Enthüllungen rund um die Überwachungsaktiviten diverser Ermittlungsbehörden nie gegeben, wenn es nicht auch Freie Software geben würde. „Was 2013 passierte, hätte ohne Freie Software nie passieren können“, so Snowden. Er habe damals keine Microsoft-Software einsetzen können, da er nicht sicher sein konnte, dass diese nicht doch über eingebaute Hintertüren verfügte. Er habe Computern mit Microsoft-Produkten nicht vertrauen können – nicht weil er von einer bestimmten Hintertür oder ähnlichem wusste, sondern weil er sich dessen nicht sicher sein konnte.“
„Er habe damals keine Microsoft-Software einsetzen können, da er nicht sicher sein konnte, dass diese nicht doch über eingebaute Hintertüren verfügte.“
Der Einsatz von Microsoft-Software wurde – aus Sicherheitsaspekten – schon lange vor dem Snowden-Enthüllungen als höchst Problematisch angesehen: Denn das Unternehmen Microsoft setzt nun mal keine Freie Software ein. Vereinfacht: Niemand kann die Sicherheit von Microsoft-Programmen tatsächlich einschätzen. Das Unternehmen will daran auch nichts Grundlegendes ändern. Doch dabei stellt der Einbau von Hintertüren durchaus keine Seltenheit dar.
Immer häufiger fordern Behörden: „Anbieter von Sicherheitssoftware Backdoors in ihre Lösungen einbauen“
„Hackern ist es ein Dorn im Auge, wenn Unternehmen Authentifizierungslösungen mit starker Verschlüsselung einsetzen. Das macht es komplizierter, Accounts von Mitarbeitern zu übernehmen und Geschäftsdaten zu entwenden. Doch nicht nur Kriminelle wünschen sich in solchen Fällen eine Hintertüre in Authentifizierungs- und Verschlüsselungslösungen. Auch die Polizei, Geheimdienste und Finanzbehörden fordern in zunehmendem Maße, dass die Anbieter von Sicherheitssoftware Backdoors in ihre Lösungen einbauen – und den Schlüssel oder eine Zugangsmöglichkeit bei Behörden deponieren.“
„Hackern ist es ein Dorn im Auge – Wenn Unternehmen Authentifizierungslösungen mit starker Verschlüsselung einsetzen“
Zudem senden Microsoft-Programme allerlei Daten an die USA rüber. Kein Außenstehder kann seriös eine Antwort darauf geben: Welche Daten das Unternehmen erhält. – Alleine aus diesem Grund müssten alle Microsoft-Programme in Behörden verboten werden, was letztlich ein Gericht auch indirekt so bestätigt hat. Denn mit solchen Praktiken bewegen sich staatliche Behörden immer weiter vom Rechtsstaat weg.
Wenn sich staatliche Behörden immer weiter vom Rechtsstaat entfernen
„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“
„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“
Alleine die Polizei hat 130 Datenbanken in Gebrauch und hinzu kommen noch Daten aus Melderegistern, Verkehrsdaten, Funkzellenabfragen, Kontoabfragen und noch viel mehr. Zwar ist der behördliche Wissensdurst groß, aber gleichzeitig will man vom Transparent und Rechtsstaatlichkeit immer weniger wissen.
Wie das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung auf der Strecke bleibt
Beispielsweise mag das Recht auf Akteneinsicht – rein formal – einen hohen Stellenwert haben, aber in der Rechtspraxis weist es eher auf blanken Anachronismus hin: Ein Bürger kann nicht mal herausfinden: Welche Datenbank überhaupt Informationen über ihn enthält. In der Praxis ist es völlig unmöglich herauszubekommen, welcher Beamter aus welchen Grund auf eine Datenbank zugegriffen hat? – Obwohl mit solchen Informationen jede Menge gesetzwidrige Straftaten geschehen.
„Zahlreiche Verfahren wegen Datenabfragen an Polizeicomputern“
„Zahlreiche Verfahren wegen Datenabfragen an Polizeicomputern – mehr als 400 Ordnungswidrigkeits-, Straf- oder Disziplinarverfahren eingeleitet worden sind. … Vollständig sind die Zahlen nicht, … „
„Vollständig sind die Zahlen nicht“ – Nicht mal die Datenmissbrauchsfälle können genannt werden
Solche Datenbanken laden nun mal regelrecht zum Missbrauch ein: Zugleich ist die Gefahr erwischt zu werden gering und die verhängten Strafen weisen mehr einen symbolischen Charakter auf. Dabei reicht das Missbrauchsspektrum vom Nachstellen einer privaten Liebschaft, über das Ausspähen eines missliebigen Nachbarn bis hin zu Industriespionage hinüber.
Warum der laxe Umgang mit Datenschutz für Unternehmen schädlich sei
Kurzum: Der laxe Umgang mit Datenschutz zieht auch wirtschaftliche Konsequenzen hinter sich her. Sofern rechtsstaatliche Grundsätze offen Missachtet werden, dann überlegen sich Unternehmen zweimal, ob die Standortwahl wirklich die richtige sei? – Denn wichtige Geschäftskontakte oder Patente im Anmeldeverfahren stehen faktisch Schutzlos dar. Außerdem leitet sich nicht umsonst das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung aus dem Grundgesetz her.