Spionagetechniken in der Antike während der Ära Hannibals

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Hannibal Barkas war ein militärischer Führer und Stratege aus Karthago, der als einer der bedeutendsten Generäle der Antike angesehen wird. Während des Zweiten Punischen Krieges trat er als Kommandant in Erscheinung. Dank seines strategischen Talents vermochte er zahlreiche Gefechte zu seinen Gunsten zu entscheiden.

Hannibal war ein harter, aber effektiver Lehrer. Der Karthager verdeutlichte den Römern, die im 3. Jahrhundert v. Chr. in diesen Belangen noch recht unerfahren waren, welchen Stellenwert Informationen im Krieg haben – und wie verheerend es sein kann, im Angesicht eines überlegenen Feindes völlig ahnungslos zu sein. Im Mai 218 v. Chr. hatte Hannibals Truppe ihr Winterlager im spanischen Neukarthago verlassen. Über 100.000 Soldaten machten sich auf den Weg zu den Alpen, um den Konflikt ins Land des Gegners zu tragen. Rom und Karthago hatten ihren ersten Krieg um Sizilien geführt, den Karthago 241 v. Chr. verloren hatte. Nun, 23 Jahre später, bot der Streit um das spanische Sagunt die Möglichkeit zur Vergeltung. Hannibal eroberte die Stadt, die mit den Römern verbündet war. Diese erklärten ihm den Krieg, ließen jedoch Hannibal den ersten Schritt machen.

Während Hannibal bereits die Pyrenäen überquerte und auf die Rhône zusteuerte, herrschte in Rom Unklarheit über die eigene Strategie sowie über die Absichten des Gegners. Sollte man Italien auf eine Invasion vorbereiten? Oder wäre es besser, in Spanien zu landen? Oder gleich Karthagos Hauptstadt bedrohen? Als eine römische Flotte unter dem Konsul Scipio mit dem Ziel Spanien auslief, stieß sie mehr oder weniger zufällig auf Hannibals Armee im Rhônedelta, die weiter nördlich bereits dabei war, den Fluss zu überqueren. Scipio kehrte hastig mit einem Teil seiner Streitkräfte nach Italien zurück, um die Halbinsel auf eine Invasion vorzubereiten. Roms militärische Führung war völlig überrascht worden. Hannibal hingegen war bestens informiert über die römischen Pläne. Durch sein Spionagenetz in Rom hatte der Karthager längst erfahren, dass der Feind plante, in Spanien zu landen. Der Historiker Livius berichtet, dass man einen karthagischen Spion in der Hauptstadt erst nach zwei Jahren entdeckte. Man schnitt ihm dann die Hände ab und ließ ihn – als Warnung für mögliche Nachahmer – entkommen. Diese Episode zeigt deutlich, dass die römische Spionageabwehr mit der Situation völlig überfordert war.

Hannibal war auch über die politischen Verhältnisse in Gallien und im Alpenraum gut informiert. Er hatte Kundschafter ausgesandt, um Kontakt zu den dort lebenden Stämmen aufzunehmen, die Lage zu sondieren und die Bedingungen für einen Durchzug der Karthager auszuhandeln sowie die Pässe für die Alpenüberquerung auszukundschaften. Lange bevor seine Truppen Gallien erreichten, wusste Hannibal bereits, dass die meisten Stämme ihm wohlgesonnen waren. Auch zu den Kelten am Südrand der Alpen hatte er früh Kontakt aufgenommen und sich deren Unterstützung gegen Rom gesichert. Rom war erst wenige Jahre zuvor in die Poebene vorgedrungen, und die Stämme suchten nur nach einer Gelegenheit, sich von der noch nicht gefestigten Herrschaft der Tiberrepublik zu befreien – einer Gelegenheit, die Hannibal ihnen gerne bot.

Im Oktober 218 v. Chr. betrat Hannibal Italien. Sobald er das Keltenland im Norden hinter sich gelassen hatte, würde er auf feindlichem Terrain agieren müssen: Nahrung beschaffen und Winterquartiere finden. Zudem könnte er die Römer nur besiegen, wenn das Überraschungsmoment auf seiner Seite war; schließlich konnten diese jederzeit neue Soldaten rekrutieren. Hannibal war sich bewusst, dass Informationen der entscheidende Faktor in diesem Krieg sein würden: Er musste wissen, wo sich die römischen Armeen befanden und welche Pläne sein Gegner verfolgte, während er gleichzeitig sicherstellen musste, dass der Gegner darüber im Unklaren blieb.

Sein Informationsvorsprung ermöglichte es Hannibal, wirksame psychologische Kriegsführung einzusetzen. Im ersten größeren Gefecht auf italienischem Boden, der Schlacht an der Trebia Mitte Dezember 218 v. Chr., errang Hannibal einen Sieg und machte Tausende von Gefangenen. Während er einige Römer unter ihnen mitnahm, ließ er sofort die mit Rom verbündeten Italiker frei, ohne das übliche Lösegeld zu verlangen. Der Karthager wusste, dass es entscheidend war, einen Keil zwischen Rom und seine Verbündeten zu treiben, die einst selbst von Rom besiegt worden waren. Daher verkündete er überall, dass er nicht gegen die Italiker kämpfe, sondern allein gegen Rom. Die Freigelassenen sollten in ihren Heimatgemeinden in ganz Italien von der Großzügigkeit des Karthagers berichten.

Die Geschichtsschreibung kennt zahlreiche Listigkeiten Hannibals. Einige Episoden dienen lediglich dazu, die von den Römern oft beklagte fides Punica zu illustrieren: „Punische Treue“ nannten sie die berüchtigte Hinterlistigkeit der Karthager, die angeblich keine Skrupel kannten, unredliche Tricks anzuwenden, um ihre Gegner zu überlisten. So wird berichtet, dass Hannibal seinen Plünderern befohlen habe, das Landgut des römischen Diktators Quintus Fabius Maximus unbeschädigt zu lassen. Sofort soll in Rom das Gerücht aufgekommen sein, Fabius Maximus stehe mit den Karthagern im Bunde – dessen defensiv ausgerichtete Taktik der verbrannten Erde war ohnehin unpopulär gewesen. Mit demselben Trick soll auch der spartanische Heerführer Archidamos versucht haben, seinen Widersacher Perikles zu diskreditieren, wahrscheinlich ist diese Geschichte jedoch zu schön, um wahr zu sein. Dennoch war Hannibal über die politische Anspannung in Rom gut informiert. Seine Spione am Tiber berichteten ihm von dem Zwist zwischen dem vorsichtigen Fabius Maximus und seinem zum Angriff drängenden Stellvertreter Minucius Rufus. Hannibal reizte Minucius zum Angriff an – dieser hätte für die Römer in eine sichere Katastrophe geführt, wäre nicht Fabius im letzten Moment eingeschritten.

Berichten zufolge fühlte sich Hannibal selbst im Kreis seiner Verbündeten nicht vollkommen sicher vor Attentaten und griff deshalb auf bizarre Verkleidungen zurück. Da er vor allem seinen keltischen Soldaten nicht traute, ließ er sich falsche Haare machen, um ihm verschiedene Lebensalter zu verleihen und wechselte ständig sowohl diese als auch seine Kleidung – sodass sie stets zu den Perücken passten.“ Selbst gute Bekannte hätten ihn nicht erkannt. Seinen Gegner täuschte er mit gefälschten Dokumenten: Fabius Maximus versuchte er mit einem Brief aus Metapont zu ködern – angeblich wollte sich diese Stadt ihm unterwerfen. In Metapont hätte auf Fabius das Unheil gewartet – wäre da nicht ein ungünstiges Omen gewesen, das diese Operation verhinderte. Bei einer anderen Gelegenheit eignete er sich den Ring eines gefallenen Konsuls an; dieser hätte seinen Soldaten Zugang zu sämtlichen Städten Italiens verschafft. Gerade rechtzeitig konnten die Römer ihre Verbündeten warnen. Der Ring sei in Feindeshand gefallen.

Immer wieder gelang es Hannibal, die Römer auszutricksen. Im Frühjahr 217 v. Chr. brachen die Karthager aus der Poebene auf und erreichten das heutige Toscana – obwohl der frisch ernannte Konsul Flaminius genau dies verhindern wollte. Hannibal hatte ihn überlistet und den beschwerlichen Weg über die 1000 Meter hohen Apenninpässe gewählt; nun lag Rom in Reichweite der Karthager und Flaminius musste ihnen hinterherjagen. Prompt geriet der römische Konsul am Trasimenischen See in einen Hinterhalt von Hannibal; dieser hatte das Schlachtfeld hervorragend vorbereitet. Flaminius und ein Großteil seiner 30.000 Männer fanden dabei den Tod.