“Soziale Leistungen werden häufig nur mit einer zeitlichen Verzögerung an inflationäre Entwicklungen angepasst”
Die Staatsverschuldung sowie die Inflation werden häufig als unbedeutend angesehen. In Wirklichkeit stellen allein die Zinszahlungen für die bestehenden Schulden einen erheblichen Posten im Staatshaushalt dar. Gleichzeitig müssen kontinuierlich hohe Steuereinnahmen erzielt werden, da andernfalls die Kreditwürdigkeit sinken und folglich die Zinsen ansteigen könnten. Das künstliche Erzeugen von neuem Geld führt zu ganz anderen Abhängigkeiten, von denen die Bevölkerung nur wenig profitiert. Hierbei spielen auch die Auswirkungen der Einkommens- und Vermögensumverteilung eine Rolle.
“Die kalte Progression ist eine »verschleierte« laufende Steuererhöhung”
“Die kalte Progression ist eine »verschleierte« laufende Steuererhöhung. Sie ist verfassungswidrig, da sie den Grundgedanken des Grundgesetzes widerspricht, dass nur derjenige mehr zahlen soll, der auch leistungsfähiger geworden ist. Ein verfassungskonformer Steuertarif setzt daher einen »Tarif auf Rädern« voraus, der laufend der Inflation angepasst wird. Andere Länder zeigen: Flexibel geht’s auch Letzteres gibt es häufiger, als man denkt. In Ländern mit einem Einheitssteuersatz wie z.B. Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Russland gibt es ohnehin keine kalte Progression. Wo der Steuersatz mit steigendem Einkommen nicht mitsteigt, kann der Effekt nicht eintreten.”
Kalte Progression: “Sie ist verfassungswidrig” – “Nur derjenige mehr zahlen soll, der auch leistungsfähiger geworden ist”
Im Verlauf eines inflationären Prozesses steigt zwar das Nominaleinkommen auf dem Papier, jedoch profitiert davon lediglich das Finanzamt, da beide bedeutenden Steuerarten – Einkommensteuer und Mehrwertsteuer – Wertsteuern darstellen. Somit führen Umsatzsteuern – respektive die Mehrwertsteuer – oder Einkommensteuern – etwa die Lohnsteuer – zu zusätzlichen Einnahmen für die staatlichen Haushalte.
“Kalten Progression” – “Die Steuer frisst von der Lohnerhöhung also überproportional viel weg”
“Das Dilemma der kalten Progression ist nun, dass die Einkommen sämtlicher Bundesbürger mit der Zeit allein deswegen steigen, weil auch die Preise steigen. Wenn das Leben teurer wird, brauchen die Menschen höhere Gehälter, um sich den gleichen Lebensstandard wie vorher leisten zu können. Damit rutschen sie im progressiven Tarif aber immer höher. Die Steuer frisst von der Lohnerhöhung also überproportional viel weg. Nun muss der Arbeitgeber nicht mehr nur ein höheres Gehalt zahlen, um die Inflation auszugleichen. Er muss das Gehalt nochmal erhöhen, um die überproportional zugreifende Steuer auszugleichen. Um das zu bezahlen, muss er jedoch die Preise für seine Waren und Dienstleistungen erhöhen, was die Lohn-Preis-Spirale nur befeuert. Hier widerspricht der progressive Tarif dem Gedanken, dass nur derjenige höher belastet werden soll, der auch leistungsfähiger ist. Bei einem inflationsbedingten Anstieg des Einkommens ist meine Leistungsfähigkeit unverändert. Es ist daher nicht gerecht, dass meine Steuerlast steigt.”
“Bei einem inflationsbedingten Anstieg des Einkommens ist meine Leistungsfähigkeit unverändert”
Bei zunehmender Inflation verringert sich der reale Wert des Einkommens, da Tarifverträge lediglich mit einer gewissen Verzögerung aktualisiert werden. Darüber hinaus könnte der Effekt der kalten Progression eine Rolle spielen. In progressiv strukturierten Einkommensteuersystemen führen nominell ansteigende Löhne dazu, dass man in eine höhere Steuerklasse eingestuft wird. Selbst wenn die Einkommen nominell im Einklang mit der Inflationsrate steigen, bleibt nach Abzug der Steuern aufgrund der erhöhten Belastung netto weniger übrig. Folglich profitiert der Staat durch die zusätzlichen Steuereinnahmen tendenziell von inflationären Entwicklungen. Im Gegensatz dazu müssen Einkommensbezieher höhere Einkommensteuerzahlungen leisten, ohne dass sich ihr reales Einkommen tatsächlich verändert hat. Auch die Soziale Leistungen werden oft nur mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung an die Entwicklungen der Inflation angepasst.
“Soziale Leistungen werden häufig nur mit einer zeitlichen Verzögerung an inflationäre Entwicklungen angepasst”
>>Zentralbanken, Geld und Inflation von Joachim Weeber (Buch) <<
“Soziale Leistungen werden häufig nur mit einer zeitlichen Verzögerung an inflationäre Entwicklungen angepasst. Eine Anpassung erfolgt entweder indem ihre Veränderung direkt an die Inflationsrate (z. B. Anpassung der Regelsätze von Arbeitslosengeld 2 [Hartz IV]: 70 % aus der Preisentwicklung und 30 % aus der Nettolohnentwicklung) oder indirekt an einen davon beeinflussten Indikator (z. B. Miet- und Einkommensentwicklung beim deutschen Wohngeld) i. d. R. der Vorperiode gekoppelt ist. Allerdings werden auch Transfers von staatlicher Seite gezahlt, die nicht indexgebunden sind und damit nur unregelmäßig verändert werden (etwa Kindergeld). Die Bezieher solcher Leistungen erleiden mithin einen kontinuierlichen Realwertverlust.”
“Kindergeld” – “Die Bezieher solcher Leistungen erleiden mithin einen kontinuierlichen Realwertverlust”
Diese Anpassungen geschehen entweder durch eine direkte Veränderung, die an die Inflationsrate gekoppelt ist – das heißt, es erfolgt eine Anpassung der Regelsätze für Hartz IV oder Bürgergeld – oder indirekt über einen davon beeinflussten Indikator, wie zum Beispiel die Entwicklung von Mieten und Einkommen im deutschen Wohngeld, die sich auf die Vorperiode bezieht. Dennoch gibt es auch staatliche Transfers, die nicht wirklich an einen Index gebunden sind und daher nur sporadisch angepasst werden, wie beispielsweise das Kindergeld. Die Empfänger solcher Leistungen erfahren somit einen fortwährenden Verlust des Realwerts. Unterm Strich profitiert der Staat erheblich durch die Schaffung von Staatsschulden und Inflation, während die durchschnittliche Bevölkerung weitestgehend leer ausgeht. Es kann also sehr wohl von einer Vermögensumverteilung gesprochen werden.