Sorbische Sprache: „Muttersprachliche Kinder wussten am Ende des Schuljahres weniger von ihrer Muttersprache als am Anfang“

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Welche Bedeutung kann eine eigene Sprache haben? Besonders die Lausitzer Sorben mussten die Antwort auf diese Frage in ihrer Geschichte schmerzlich erfahren. Selbst in der Gegenwart ist die Sprache und ihre vielen Ausprägungen bedroht. Teilweise sogar von Vertretern, die sich rein formal dafür einsetzen wollen.

“Die eigene Sprache kann als das entscheidende Merkmal der Minderheitsidentität angesehen werden”

>>Kólesko<<

“Die eigene Sprache kann als das entscheidende Merkmal der Minderheitsidentität angesehen werden. Die Anwendung der eigenen Sprache ist Symbol der Zusammengehörigkeit von Menschen in einer Gruppe bzw. in einem Siedlungsgebiet. Sie fungiert als Verbindungsglied zwischen den Menschen und stärkt deren Selbstwertgefühl.”

Sprache: “Fungiert als Verbindungsglied zwischen den Menschen und stärkt deren Selbstwertgefühl”

Der Verein Kólesko setzt sich insbesondere für das Schleifer Sorbisch im Umfeld der gleichnamigen Gemeinde Schleife – ein. Sicherlich würden die zahlreichen Feinheiten der Sorbischen Sprache in allen ihren Einzelheiten viel zu weit führen. Doch im allgemeinen ist eine Abnahme der Qualität zu beobachteten und dies ist vorwiegend im schulischen Bereich festzustellen.

„Es wäre schön, wenn die Kinder Bücher von Jurij Brezan im Original lesen könnten“

>>Lausitzer Rundschau<<

„Annett Sarodnik hat durchaus Ansprüche an die sorbische Ausbildung in Lausitzer Schulen: „Es wäre schön, wenn die Kinder Bücher von Jurij Brezan im Original lesen könnten.“ Brezan (1916-2006) gilt als einer der bedeutendsten sorbischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Doch um seine Texte lesen und verstehen zu können, seien tiefgreifende Kenntnisse des Sorbischen unabdingbar.“

„Brezan (1916-2006) gilt als einer der bedeutendsten sorbischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts“

Und das ist längst noch nicht alles. Bei einigen Lehrerin kommt sogar die Frage auf: Ob und inwieweit sie die Sorbische Sprache überhaupt beherrschen?

„Die Lehrerin kann doch gar kein Sorbisch!“ 

>>Neues Deutschland<<

„Die Lehrerin kann doch gar kein Sorbisch! Sie sagt nur immer: ›Dobry źeń.‹« Das ist Niedersorbisch und heißt: »Guten Tag.« Viel mehr von dieser in der Niederlausitz nur noch wenig verwendeten Sprache der slawischen Minderheit beherrscht die Lehrerin angeblich nicht. Dabei soll sie Niedersorbisch unterrichten.“

Niedersorbisch konnte nur Dank privater Initiativen gerettet werden

Meist wird diese Kritik weniger durch offizielle Stellen, sondern vielmehr durch betroffene Eltern oder Kinder geäußert. Wohin kann diese Entwicklung führen? Die jüngere Geschichte des Schleifer Sorbisch kann darauf womöglich eine Antwort liefern.

“Obersorbisch sprechende Sorbischlehrer eingesetzt wurden, die das Schleifer Sorbisch als minderwertigen Dialekt oder als schlechtes Sorbisch darstellten”

>>Kólesko<<

“Der Verlust der eigenen Sprache stellt einen wesentlichen Bestandsteil dar, der zum Verlust der eigenen Identität führt. Insbesondere in der DDR-Zeit wurde durch die verantwortlichen Funktionäre der SED und der Domowina in Schleife die Obersorbische Sprache als Schullehrfach favorisiert und durchgesetzt. Die Folge war, dass ausschließlich Obersorbisch sprechende Sorbischlehrer eingesetzt wurden, die das Schleifer Sorbisch als minderwertigen Dialekt oder als schlechtes Sorbisch darstellten. Dies wiederum hatte zur Folge, dass sich die älteren Generationen in den noch vorhandenen Großfamilien, die eigentlich als Bewahrer und Überlieferer der Sprache und Traditionen fungieren sollten, sich diesem Trend völlig verweigerten. Den Kindern entzogen sie die Anwendung für das in der Schule erlernte Obersorbisch aber auch, um Streit aus dem Weg zu gehen, wechselte man in den Familien zu Deutsch. Der Rückgang des in den Familien gesprochenen Schleifer Sorbisch war äußerst dramatisch.”

“DDR-Zeit wurde durch die verantwortlichen Funktionäre der SED und der Domowina in Schleife die Obersorbische Sprache als Schullehrfach favorisiert und durchgesetzt”

Der Einfluss der Sorbischlehrer wirkt also bis in die Familien hinein. Nun der DDR-Staat ist nicht mehr existent: Aber die Domowina existiert bis in die Gegenwart fort und diese tut sich in moderner Zeit mit altbekannten Ideen hervor.

Domowina: “Quereinsteiger-Modell” – “Zusätzlich Lehrkräfte qualifiziert werden können”

>>Radio Lausitz<<

“Die Sorben wünschen sich bei der Gewinnung neuer Lehrer mehr Rückendeckung von der Politik. Domowina-Vorsitzender … sprach heute nach der Sitzung des sächsischen Kabinetts im Haus der Sorben in Bautzen ein Quereinsteiger-Modell an, durch das zusätzlich Lehrkräfte qualifiziert werden können. Es sei jedoch in der Politik nicht unumstritten.”

“Quereinsteiger-Modell” – “Es sei jedoch in der Politik nicht unumstritten”

Insgesamt mutet die Situation schon sehr bizarr an. Der Domowina-Vorsitzende – als formaler Vertreter Sorbischer Interessen – prescht mit Ideen vor, wo selbst die Landesregierung skeptisch ist. Die Domowina wirkt hierbei weniger wie eine Sorbische Interessenvertretung, sondern mehr wie Sprachrohr von Ideen, welche nicht mal mehr die offizielle Landesregierung offen so äußern will. – Warum ist das so? – Die Antwort ist in Berichten – recht eindrucksvoll – nachzulesen.

„Muttersprachliche Kinder wussten am Ende des Schuljahres weniger von ihrer Muttersprache als am Anfang“

>>Gesellschaft für bedrohte Völker<<

„Doch wie sieht es allgemein an den Schulen aus? Als unlängst die Untersuchung der Ergebnisse des Sorbisch-Unterrichts im Nachbarland Brandenburg das Licht der Öffentlichkeit erblickte, war der Schrecken groß: Es gebe zum Beispiel Schüler, die in der 6. Klasse weniger Sorbisch können als im Kindergarten. Schule als Verlernort? In Sachsen ergab die Evaluation der neu eingeführten „2plus“-Methode, bei der Kinder in zwei Sprachen – sorbisch und deutsch – gleichzeitig alphabetisiert werden, schon vor Jahren Ähnliches: Muttersprachliche Kinder wussten am Ende des Schuljahres weniger von ihrer Muttersprache als am Anfang. … 14 Leiter sorbischer Institutionen wandten sich in einem Brandbrief an den sächsischen Kultusminister und die Amtskollegin in Brandenburg. Sie artikulierten dringenden Gesprächsbedarf: Es sei „sehr schwer“, überhaupt noch „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit den erforderlichen sorbischen Sprachkenntnissen zu finden.“ Sie stellen die Funktionsfähigkeit des Bildungssystems mit Blick aufs Sorbische infrage.“

Sorbischuntericht: „Schule als Verlernort?“

In den betreffenden Schulen findet also teilweise sogar eine Rückentwicklung der Sorbischen Sprache statt. Zur Vollständigkeit: Die Domowina ist ein nur eingetragener Verein, welcher keinesfalls mit “die Sorben” gleichgesetzt werden sollte.