Sonderwirtschaftszone Lausitz: “Wunder von Shenzhen funktioniert nicht ohne Rohstoffe, ganz im Gegenteil: Es gründet sich sogar auf Rohstoffe”

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Was hat der Kohleausstieg des Lausitzer Reviers mit der Treuhand zu tun? Das ökonomische Gefälle zum restlichen Europa ist noch immer sichtbar. Selbst die Nachbarländer der Lausitz – wie Polen und Tschechien – können sichtbare wirtschaftliche Erfolge feiern. Dabei gäbe es Lösungen für die sehr sichtbare Misere.

“Das Leben ist teuer, der Verdienst häufig gering” – “Immer mehr Menschen arbeiten deshalb in mehreren Jobs”

>>Spiegel<<

“Das Leben ist teuer, der Verdienst häufig gering. Immer mehr Menschen arbeiten deshalb in mehreren Jobs. Einer Studie zufolge hat die Zahl der Mehrfachbeschäftigten drastisch zugenommen – vor allem in strukturschwachen Regionen. … In strukturschwachen Gegenden kombinierten Menschen oft mehrere Mini-Jobs. Dies sei oft aus der Not geboren, wenn ein Arbeitsverhältnis allein zum Lebensunterhalt nicht reiche, heißt es in der IAB-Studie.”

“Oft aus der Not geboren, wenn ein Arbeitsverhältnis allein zum Lebensunterhalt nicht reiche”

Die unfreiwillige Mehrfachbeschäftigung scheint besonders in der Lausitz verbreitet zu sein. Jedoch die Misere fing ursprünglich bei der DDR an. Etwa in der zweiten Lebenshälfte der DDR ging es bei der DDR-Wirtschaft sichtbar bergab.

“Die DDR hatte jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt”

>>Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert von Ulrich Herbert (Buch) <<

“Wie konnte die DDR-Führung diesem wirtschaftlichen Abwärtssog entgehen? Es gab nicht viele Optionen. Die SED-Spitze aber verhielt sich über weite Strecken so, als gebe es diese bedrohliche Entwicklung gar nicht. Das lag auch an der organisierten Selbsttäuschung über den wahren Zustand der DDR-Wirtschaft. Die Legende, die DDR sei die elftgrößte Industrienation der Erde, stärker als Großbritannien, wurde ja, so absurd sie war, sogar im Westen verbreitet und geglaubt. Die Statistiken waren ungenau und zum Teil grob verfälscht, der Wert einer «Valutamark» war nicht klar definiert, entsprechend schien auch das Ausmaß der Auslandsverschuldung keine fixierbare Größe, sondern interpretationsfähig zu sein. Aber doch – wer sich im Lande umsah, konnte ja nicht übersehen, in welchem Zustand es sich befand. … Straßenbau, Schienennetz und Nahverkehr waren nur noch zu Teilen funktionsfähig, Altbauten wurden nicht instand gesetzt, das Telefonnetz war marode. «Die DDR hatte jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt», so resümiert der Wirtschaftshistoriker André Steiner zutreffend die Wirtschaftsentwicklung der DDR, …”

“Die Politik muss wieder lernen, mit dem Geld auszukommen, das die Bürgerinnen und Bürger erwirtschaften”

Natürlich hatte die DDR-Wirtschaft massive strukturelle Probleme gehabt. Dennoch kommt die Frage auf: Wie sieht es heutzutage mit der Infrastruktur und Wirtschaft aus? Der Sanierungsstau bei Straßen und Schienen ist unübersehbar. Unternehmen klagen über viel zu viel Bürokratie, Steuern und Abgaben. Auch die Auswirkungen der Energiekrise nehmen immer bedrohlichere Ausmaße an. Und plötzlich tauchen Aussage des Bundesfinanzministers auf, welche eigentlich in eine andere Zeit zu passen scheinen:  “Die Politik muss wieder lernen, mit dem Geld auszukommen, das die Bürgerinnen und Bürger erwirtschaften” – Kurzum: Die Folgen der Wiedervereinigung sind noch lange nicht überwunden.

“Narben sind noch immer nicht verheilt, wie eine neue Studie der Bundesregierung zeigt”

>>Spielgel<<

“Nach der Einheit gingen Millionen Jobs durch die Privatisierung der DDR-Wirtschaft verloren. Die Narben sind noch immer nicht verheilt, wie eine neue Studie der Bundesregierung zeigt.”

“Nach der Einheit gingen Millionen Jobs durch die Privatisierung der DDR-Wirtschaft verloren”

Der wirtschaftliche-strukturelle Katharsis der Wiedervereinigung wirkt bis in die Gegenwart fort, währenddessen wird die Abwicklung des Lausitzers Reviers angeschoben. Allerdings geht es wirklich so einfach? Tatsächlich sind weite Teile des heutigen Lausizer Reviers aus DDR-Volksvermögen hervorgegangen. Die allermeisten Tagebau-Großgeräte – wie die F60 Förderbrücken – stammen noch aus dieser Zeit. Laut Angaben der DDR sollte dieses Vermögen der Bevölkerung gehören, was damals auch so offen formuliert wurde.

“Sollte sich die Modernisierung der DDR selbst finanzieren” – “Ostdeutschen Staatsbetriebe lukrativ verkaufen ließen”

>>Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen von Ulrike Herrmann (Buch) <<

“Der Staatsvertrag zur Währungsunion sah vor, dass man 1990 lediglich 25 Milliarden D-Mark an die ostdeutschen Länder überweisen würde. 1991 sollten noch einmal 40 Milliarden folgen. Ansonsten aber sollte sich die Modernisierung der DDR selbst finanzieren, denn anfangs hatte man große Hoffnungen, dass sich die ostdeutschen Staatsbetriebe lukrativ verkaufen ließen. Manche Schätzungen gingen gar davon aus, dass das DDR-Vermögen etwa 600 Milliarden D-Mark wert sei.”

“DDR-Vermögen etwa 600 Milliarden D-Mark wert sei”

In der letzten Phase der DDR sollte dieses Vermögen unmittelbar an die Bevölkerung überführt werden. Jeder Einwohner wäre damit gewissermaßen Aktionär eines VEB-Betriebes geworden.

“Die gesamte Bevölkerung wäre zu gleichberechtigten Aktionären des vormaligen Volkseigentums geworden”

>>Welt<<

“Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung sorgten sich um die Erträge aus „40 Lebensjahren voller Arbeit und Mühen für die Bürger der DDR“. Deshalb hatte der Theologe Wolfgang Ullmann, als Minister ohne Geschäftsbereich Mitglied in der Übergangsregierung unter dem SED-Funktionär Hans Modrow, am 12. Februar 1990 am Runden Tisch einen Vorschlag gemacht, wie das Volkseigentum an das Volk verteilt werden könne. Alle VEB sollten in eine Holding eingebracht werden, die als erste Handlung Anteilscheine an alle DDR-Bürger herausgeben würde. Die gesamte Bevölkerung wäre zu gleichberechtigten Aktionären des vormaligen Volkseigentums geworden, idealerweise noch bis zu den Volkskammerwahlen am 18. März.”

“Alle VEB sollten in eine Holding eingebracht werden, die als erste Handlung Anteilscheine an alle DDR-Bürger herausgeben würde”

Natürlich ist die Geschichte anders verlaufen. Dennoch im Zuge des Kohleausstieges sind diese Fragen erneut aktuell geworden. Immerhin reden wir beim Lausitzer Revier auch über ein Wirtschaftsunternehmen, was jährlich mehrere Milliarden an Umsatz macht. Das – mit weiten Abstand – größte “Einzelunternehmen” der Lausitz. Die Forderung aus der Ausstieg aus der Kohle ist kein ökonomische Frage, sondern nur eine politische Frage. Selbst politischen Entscheidungsträgern ist dieser Irrweg bewusst, weil kein anderes Land der Erde aus der Kohle aussteigt. Ohne Rohstoffe und wettbewerbsfähige Energiepreise ist keine wirtschaftliche Entwicklung darstellbar. Dieses Dilemma ließe sich durch die Gründung einer Sonderwirtschaftszone lösen. Andere Länder sind diesem Weg bereits gegangen.

“Shenzhens beziehungsweise Chinas wirtschaftliche Dynamik, für welche diese Stadt gewissermaßen symbolisch steht, eben auch etwas mit Spremberg zu tun”

>>Deutschlands verborgene Rohstoffe von Christoph Seidler (Buch) <<

“Anfang der 80er lebten in dem Fischerdorf in der südchinesischen Provinz Guangdong ein paar Tausend Einwohner rund um einen Hafen, das war alles. Jenseits des Wassers lag damals die britische Kronkolonie Hongkong. Dann machte die chinesische Regierung die Stadt im Delta des Perlflusses zur Sonderwirtschaftszone: »Lasst den Westwind herein. Reichtum ist ruhmvoll«, philosophierte der damalige Staatschef Deng Xiaoping. Und der Westwind wehte kräftig. Er wehte ausländische Investoren in Strömen nach Shenzhen. Wachstum brachte Jobs, damit weiteres Wachstum und zusätzliche Jobs. Heute leben zwölf bis 14 Millionen Menschen in der Stadt. Gut ein Dutzend Gebäude ragen mehr als 200 Meter weit in den Himmel. Shenzhen wächst beinahe so schnell wie Shanghai und hat seinen Reichtum vor allem der Elektronik- und Telekommunikationsindustrie zu verdanken. Firmen wie Huawei sitzen in der Stadt und der weltgrößte … Elektronikhersteller Foxconn fertigt hier unter anderem für Apple, Dell, Hewlett-Packard, Sony und Nintendo. Die Geräte werden nach Europa und Amerika verkauft – bedienen aber auch eine immer größer werdende Inlandsnachfrage. Das Wunder von Shenzhen funktioniert nicht ohne Rohstoffe, ganz im Gegenteil: Es gründet sich sogar auf Rohstoffe. Insofern hat Shenzhens beziehungsweise Chinas wirtschaftliche Dynamik, für welche diese Stadt gewissermaßen symbolisch steht, eben auch etwas mit Spremberg zu tun. Denn unter der Stadt in Brandenburg liegen große Kupfervorkommen.”

“Wunder von Shenzhen funktioniert nicht ohne Rohstoffe, ganz im Gegenteil: Es gründet sich sogar auf Rohstoffe”

In der Lausitz gibt es nicht nur Braunkohle, sondern auch eine große Lagerstätte an Kupfer. Dieses Kupfer ließe Vorort zu Fertig- oder Halbfertigprodukte weiterverarbeiten und damit Arbeitsplätze schaffen.Preisgünstige Energie ließe sich Vorort durch Braunkohle erzeugen. Grundsätzlich könnte das Lausitzer Revier von Kohleausstieg ausgenommen und in die Sonderwirtschaftszone Lausitz überführt werden. Diese Sonderwirtschaftszone könnte – ähnlich wie in China – autark über ihre eigenen wirtschaftlichen Geschicke entscheiden.