“Sie dürfen ihren Fantasienamen weiterhin behalten” versus “Menschen ihr Recht auf Social Media verwirken” – Lässt sich das Recht auf Anonymität per Grundgesetz herleiten?
Viele Personen sind in den sozialen Netzwerken aktiv, jedoch nutzen nicht alle ihren echten Namen. Auf einigen großen Plattformen bestand lange Zeit die Angst, mit einem Pseudonym enttarnt zu werden. Denn es ist schon seit Langem untersagt, sich mit einem falschen Namen anzumelden. Wer erwischt wurde, musste dem Netzwerk bis vor Kurzem eine Kopie seines Ausweises vorlegen und wurde bei Verwendung eines Fantasienamens gesperrt. Die rechtliche Situation sieht dazu jedoch etwas differenzierter aus.
“Sie dürfen ihren Fantasienamen weiterhin behalten”
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“Nun hat der Bundesgerichtshof die Regel zumindest für all die Nutzer gekippt, die schon vor dem 25. Mai 2018 bei dem sozialen Netzwerk angemeldet waren (Urteil vom 27.01.2022, Aktenzeichen III ZR 3/21 und III ZR 4/21). Sie dürfen ihren Fantasienamen weiterhin behalten. Der Grund: Zumindest damals verstieß die Facebook-Regel gegen geltendes deutsches Recht. Bis zum letzten Jahr stand das Recht auf Anonymität in § 13 Abs. 6 TMG, der lautete: »Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.« Heute steht das fast gleichlautend in § 19 TTDSG.”
“Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen”
Warum ist es überhaupt notwendig, seinen tatsächlichen Namen im Internet preiszugeben? Befürworter einer Klarnamenpflicht möchten damit vor allem gegen “Hass und Hetze” im Internet vorgehen. Dies mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, da das Recht auf Anonymität geradezu unverzichtbar zu sein scheint.
“Die Ermittler schließen eine politisch motivierte Tat nicht aus”
“Brandanschlag auf Auto von Politikwissenschaftler Patzelt – Die Polizei will nichts ausschließen – auch keine politisch motivierte Tat: In Dresden ist das Auto des Politikwissenschaftlers Patzelt angezündet worden. … Die Ermittler schließen eine politisch motivierte Tat nicht aus. Patzelt ist insbesondere im linksextremen Spektrum umstritten.”
“Brandanschlag auf Auto von Politikwissenschaftler Patzelt”
“Initiative “Torten für Menschenfeinde – “Sahra Wagenknecht bekommt Torte ins Gesicht geworfen – Tortenangriff auf Sahra Wagenknecht: Beim Linken-Parteitag in Magdeburg wurde die Fraktionschefin am Samstag mit einer Schokoladentorte beworfen.”
“Beim Linken-Parteitag in Magdeburg wurde die Fraktionschefin am Samstag mit einer Schokoladentorte beworfen”
Trotz der bestehenden Risiken ist das Recht auf Anonymität fragil. Der Bundesgerichtshof hat nur unter dem “alten Recht” entschieden und somit versäumt, diese grundlegende Frage für die heutige Zeit abschließend zu klären. Ob das Recht auf Anonymität im Internet weiterhin Bestand haben wird, bleibt ungewiss. Es gibt Hinweise, die auf eine andere Entwicklung hindeuten.
“Einige Porno-Portale können in Zukunft in Deutschland gesperrt werden”
“Einige Porno-Portale können in Zukunft in Deutschland gesperrt werden. Konkret handelt es sich um xHamster, Pornhub und YouPorn. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat damit der Beschwerde der Landesanstalt für Medien NRW recht gegeben. Konkret geht’s darum, dass die Anbieter in Zypern sitzen und jene frei zugänglichen pornografischen Inhalt im Netz verbreiten.”
“Anbieter in Zypern sitzen” – Wie ist es mit der “Weltraumtheorie” des BND vereinbar?
Es geht hierbei um eine Art von Ausweiskontrolle. Der Jugendschutz wird also vorgeschoben, um gewissermaßen einen Fuß in die Tür für eine Klarnamenpflicht zu bekommen. Dieses Vorgehen ist allenthalben schon alt bekannt.
Zensur-Behörde: „Hokuspokus – endlich ein Gesetz!“
„Wenn’s schon nicht gelingt, die tatsächlichen Probleme zu lösen, die Arbeitslosigkeit, die Flüchtlingsfrage, die Steuerreform, dann löst man geschwind ein Scheinproblem. Hokuspokus – endlich ein Gesetz! Endlich ist die Jugend gerettet! Endlich können sich die armen Kleinen am Kiosk keine Aktphotos mehr kaufen und bringen das Geld zur Sparkasse.“
Erich Kästner: „Löst man geschwind ein Scheinproblem“
Erich Kästner erlangte durch seine Kinderbücher Bekanntheit, obwohl er keineswegs als feindlich gegenüber Kindern oder Jugendlichen abgestempelt werden kann. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen während der NS-Zeit verstand er das “Wesen des staatlichen Jugendschutzes” sehr gut. Bereits in der Kaiserzeit wurde diese Methode zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit eingesetzt. Diese These wird auch von einigen Politikern unfreiwillig unterstützt.
“CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt hatte im Landtag “verwirkbare Social-Media-Lizenzen für jeden Nutzer” gefordert”
“Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt hatte im Landtag “verwirkbare Social-Media-Lizenzen für jeden Nutzer” gefordert, … . Voigt erklärte daraufhin: “Der Begriff ‘verwirkbare Lizenzen’ war falsch gewählt. Es sollte keinesfalls der Eindruck entstehen, dass Usern der Zugang zu Social Media zugeteilt werden soll. Was gemeint war: Es wird gesperrt, wer gegen Recht und Gesetz verstößt. Das Netz darf kein rechtsfreier Raum sein.” Albert Weiler, Thüringer Spitzenkandidat der WerteUnion, findet dafür klare Worte: “Mario Voigt möchte, dass Menschen ihr Recht auf Social Media verwirken. Ein Aufschrei der Gesellschaft und schon wird der Vorhang wieder ein Stück zugezogen. Man hätte das ja nicht so gemeint. Doch, man hat es so gemeint.”
“Menschen ihr Recht auf Social Media verwirken”
Was seine genaue Absicht war, bleibt jedoch ebenso unklar. Jedenfalls hat er in seiner Ansprache auch ein Verbot von Bots und die Pflicht zur Verwendung von Klarnamen gefordert – oder wie auch immer man das interpretieren mag. Unabhängig davon steht er mit solchen Vorschlägen nicht alleine da.
“Forderung nach einer Klarnamenpflicht in den sozialen Medien”
>>Digitaler Faschismus von Maik Fielitz & Holger Marcks (Buch) <<
“Dazu gehört etwa die Forderung nach einer Klarnamenpflicht in den sozialen Medien. »Anonymität ist immer die Versuchung zur Hemmungslosigkeit«, sagt zum Beispiel Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der mit einer solchen Pflicht Hassrede erschweren möchte. Andere wiederum, wie etwa Horst Seehofer, überlegen, die Messenger- Dienste zur Entschlüsselung zu zwingen, um die digitalen Freiheiten »mit den unabweisbaren Bedürfnissen der Sicherheitsbehörden in Einklang« zu bringen.”
Wie ist “mit den unabweisbaren Bedürfnissen” der Bürger bestellt?
Die gesamte Diskussion ist insofern interessant, da Themen wie Jugendschutz, Terrorismus und die “Bedürfnisse der Sicherheitsbehörden” offenkundig immer im Fokus stehen. Die Interessen der Bürger scheinen jedoch immer irgendwie vernachlässigt zu werden. Es lässt sich nicht einmal als im Sinne des Staatswohl gerechtfertigt darstellen, sondern es scheinen eher Einzelinteressen einer breiteren parteiübergreifenden-politischen Fraktion zu sein, die weder Kritik noch Meinungsfreiheit toleriert. Dabei könnte das “Recht auf Anonymität” sogar sehr einfach aus dem Grundgesetz abgeleitet werden: Das Recht auf Meinungsfreiheit in Verbindung mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, da staatliche Sicherheitsbehörden offensichtlich nicht in der Lage sind, den Schutz der Bürger zu gewährleisten.