Schürer-Papier & Sonderwirtschaftszone Lausitz: Wie würde eine alternierende Version des Strukturwandels aussehen?

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Braucht es eine Neuauflage des “Schürer-Papiers” und eine Sonderwirtschaftszone für die Lausitz? – Tatsächlich taucht diese Frage immer wieder auf. Oder anders gefragt: Wie würde eine alternierende Version des Strukturwandels aussehen?

“Steuerrechtliche Aspekte einer Sonderwirtschaftszone Lausitz”

>>Deutscher Bundestag (PDF-Datei) <<

“Steuerrechtliche Aspekte einer Sonderwirtschaftszone Lausitz – Der Auftraggeber erkundigt sich nach den rechtlichen Möglichkeiten zur Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone Lausitz. Insbesondere möchte er einen Überblick erhalten, ob und welche Steuervergünstigungen in einer Sonderwirtschaftszone gewährt werden könnten.”

“Rechtlichen Möglichkeiten zur Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone Lausitz”

Die Errichtung einer Sonderwirtschaftszone wird sogar im Abschlussbericht der Kohlekommission mehrmals angeregt. Trotzdem wird dieser und andere Aspekte darin ausgeblendet.

Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – Hat es wirklich jemand gelesen?

>>Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ <<

“Die Rahmenbedingungen für Investitionen in solche Arbeits- und Ausbildungsplätze sind daher wirtschaftsfreundlich und investitionsanreizend auszugestalten, damit bestehen­ de Wertschöpfungsnetzwerke, die in den Regionen etabliert (z. B. Chemie, Papier, Aluminium, Stahl, Energiewirtschaft) und bisher eng mit der Kohleverstromung verwoben sind, auch dort verbleiben und mit eigenen Investitionen die regionale Entwicklung fördern, statt ihre Standortwahl zu überdenken. Ziel muss es darüber hinaus sein, gerade in diesen Branchen zusätzliche Investitionen zu generieren. Hierfür sind wettbewerbsfähige Strompreise und eine dau­erhaft sichere Energieversorgung unverzichtbare Grundlagen unseres Industriestandortes.”

“Hierfür sind wettbewerbsfähige Strompreise und eine dau­erhaft sichere Energieversorgung unverzichtbare Grundlagen unseres Industriestandortes”

Im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen wird häufig auf genau auf dieses Papier verwiesen. Dummerweise sagt der Inhalt aber etwas ganz anderes aus. Vielleicht sollte an dieser Stelle mal ein kleiner Abriss aus der Energiekrise eingeworfen worden.

“Angekündigten Stellenabbau in den Alstom-Werken in Bautzen und Görlitz”

>>Landkreis Görlitz<<

“Zum angekündigten Stellenabbau in den Alstom-Werken in Bautzen und Görlitz, ehemals Bombardier, äußert sich  … Landrat des Landkreises Görlitz: „Mit großer Verwunderung und Enttäuschung haben wir von den Plänen zum Stellenabbau in Görlitz und Bautzen erfahren und auch von der Art und Weise der Information an die Belegschaft. Der Abbau bedeutet einen massiven Verlust an Wirtschaftskraft und Fachkompetenz für unsere Region, die eine lange Tradition im Schienenfahrzeugbau hat. Parallel dazu sehen wir uns mit den Auswirkungen des Kohleausstieg konfrontiert. Ich fordere daher den Bund und das Land auf, sich dringend für den Erhalt der beiden Werke und der Arbeitsplätze einzusetzen, auch im Hinblick auf die Belastungen hinsichtlich des Strukturwandels. Wir müssen alles dafür tun, den Menschen vor Ort Zuversicht für die Zukunft zu geben, dazu gehören sichere Arbeitsplätze und neue Impulse. …. ”

“Maja-Möbelwerk Wittichenau beendet Produktion zum Jahresende”

>>Zeit<<

“Maja-Möbelwerk Wittichenau beendet Produktion zum Jahresende – Betroffen sind rund 450 Mitarbeiter. Gespräche mit Betriebsrat sollten zügig aufgenommen werden, hieß es. «Wir nehmen unsere soziale Verantwortung wahr, jeden Kollegen und jede Kollegin bei der Suche nach einem neuen Arbeitgeber in dieser schwierigen Situation so gut wie möglich zu unterstützen», sagte Geschäftsführer  … .”

“Maja-Möbelwerk Wittichenau” – “Betroffen sind rund 450 Mitarbeiter”

>>Radio Lausitz<<

“Beschäftigte des Waggonbaus Niesky halten am Nachmittag wieder Mahnwache vor dem Werktor. Sie fordern von der Geschäftsführung eine Strategie für den Standort und damit eine Perspektive.”

“Waggonbaus Niesky” – “Eine Strategie für den Standort und damit eine Perspektive”

>>Märkische Oderzeitung<<

“Mitarbeiter ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt demonstrieren für Unterstützung des Stahlstandortes – Mitarbeiter von ArcelorMittal und weiterer Unternehmen fordern Hilfe bei der Zukunftssicherung des Standortes.”

“Mitarbeiter ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt demonstrieren für Unterstützung des Stahlstandortes”

Die paradoxe Situation ist nun: Die Regierung hält weiter am Kohleausstieg fest, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht mal die eigenen Papiere hergeben: Unter den vorliegenden wirtschaftlichen Bedingungen müsste der Kohleausstieg unverzüglich beendet werden. Es würde aber gleichzeitig ein Ausweg für die Politik darstellen: Denn sie könnte einfach auf die vorliegenden Beschlüsse der Vorgängerregierung verweisen.

Wie würde eine alternierende Version des Strukturwandels aussehen?

Nur, wie würde eine alternierende Version des Strukturwandels aussehen? Unabhängig von Kohleausstieg sind die wirtschaftlichen Folgen der Wiedervereinigung immer noch nicht überwunden. Es treffen also im heutigen wirtschaftlichen Lagebild gleich mehrere Probleme aufeinander. Hier könnte man die Arbeit des “Schürer-Papiers” erneut aufgreifen.

“Mit diesem “Schürer-Papier” wurde die verheerende Schlußbilanz der DDR- Wirtschaft durch das SED-Regime selbst offengelegt”

>>Deutscher Bundestag (PDF-Datei) <<

“Als kurz nach dem Sturz Honeckers (17./18. Oktober 1989) der neue Generalsekretär des SED Egon Krenz am 24. Oktober den Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission Gerhard Schürer aufforderte, zusammen mit einem Krisen-Komitee eine geheime und schonungslose “Analyse der tatsächlichen volkswirtschaftlichen Situation” vorzulegen, welche in deutlichem Kontrast zu den bisher üblichen schönfärberischen Lageberichten stehen sollte, schrieb dieser darin: “Im internationalen Vergleich der Arbeitsproduktivität liegt die DDR gegenwärtig um 40 % hinter der BRD zurück.” Daß noch nicht einmal dies der Wirklichkeit entsprach, wissen wir heute. Mit diesem “Schürer-Papier” wurde die verheerende Schlußbilanz der DDR- Wirtschaft durch das SED-Regime selbst offengelegt.”

“Im internationalen Vergleich der Arbeitsproduktivität liegt die DDR gegenwärtig um 40 % hinter der BRD zurück”

Das “Schürer-Papier” ist aus heutiger Sichtweise mehrfach aufschlussreich. Ein vergleichbares ungeschöntes wirtschaftliche Lagebild ist heutzutage ebenso wenig auffindbar oder es ist vermutlich genauso als geheim eingestuft. Auch aktuelle Zahlen über das Alter des Maschinenparks von Unternehmen, Investitionsstau und damit einhergehenden Rückgang der Arbeitsproduktivität tauchen gemeinhin nicht auf. Stattdessen wird nur auf dem Mangel an Fachkräften verwiesen, was bei der DDR-Wirtschaft ebenfalls ein erhebliches Problem darstellte. Dennoch hat das “Schürer-Papier” weitaus mehr ausgesagt.

“Gemeint ist das sogenannte »Schürer-Papier«, eine kritische Bilanz des DDR-Planungschefs”

>>Um jeden Preis: Im Spannungsfeld zweier Systeme von Günter Mittag (Buch) <<

“DDR-Planungschef redet Klartext: Gerhard Schürer soll anderthalb Wochen vor dem Mauerfall den Bankrott der DDR erklärt haben, heißt es. Gemeint ist das sogenannte »Schürer-Papier«, eine kritische Bilanz des DDR-Planungschefs, die er gemeinsam mit anderen Fachleuten im Oktober 1989 erstellte. Das Papier gab es – alles andere ist Legende, wie Schürer in seinen 1996 erstmals erschienenen Erinnerungen nachweist. Die Neuausgabe enthält ein umfangreiches Vorwort von Egon Krenz und ein Nachwort von Herbert Graf, der sich kritisch mit der damaligen Analyse auseinandersetzt, sie in die internationale Lage einordnet und die Bedeutung von Schürers Memoiren für die Nachwelt würdigt.”

“Schürer-Papier” – “Das Papier gab es – alles andere ist Legende, wie Schürer in seinen 1996 erstmals erschienenen Erinnerungen nachweist”

Das “Schürer-Papier” hat nicht nur die Probleme der DDR-Wirtschaft offen gelegt, sondern auch konkrete Lösungen vorgeschlagen. Das Das “Schürer-Papier” kam kurz vor der Wiedervereinigung – noch zu DDR-Zeiten – heraus. Und genau an dieser Stelle kommt die Frage auf: Wo hat China zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich gestanden?

“1990 wurde der Shanghaier Stadtteil Pudong zur zweiten Sonderwirtschaftszone erklärt”

>>Zeit meines Lebens von Theo Sommer (Buch) <<

“Alles begann vor vier Jahrzehnten in Shenzen, einem Fischerdorf von 20 000 Einwohnern an der Grenze zur britischen Kronkolonie Hongkong. Der Reformpatriarch Deng Xiaoping erhob es 1980 zum Labor der Volksrepublik, als er dort die erste von vier Sonderwirtschaftszonen des Landes einrichtete. Heute leben und arbeiten in Shenzen fast doppelt so viele Menschen wie in der Sieben-Millionen-Stadt Hongkong. 1990 wurde der Shanghaier Stadtteil Pudong zur zweiten Sonderwirtschaftszone erklärt. Auch er hat seitdem einen phänomenalen Aufstieg genommen. Als ich vor achtundvierzig Jahren das erste Mal die Volksrepublik besuchte, war Pudong – der Kern des modernen Shanghai am Ostufer des Huangpu – großenteils noch ein moskitoverseuchter Sumpf mit vielen Ententeichen. Heute ist es Chinas Finanzdistrikt, der mit seinen Wolkenkratzern unweigerlich an Manhattan erinnert. Das 492 Meter hohe Shanghai World Financial Center, im Volksmund seiner Form wegen der »Flaschenöffner« genannt, war lange der dritthöchste Wolkenkratzer der Welt, der 632 Meter hohe Shanghai Tower der zweithöchste und der höchste Chinas. Ähnliche »Manhattans« sind in allen größeren Städten entstanden.”

Sonderwirtschaftszone: “Bald wies Schanghai zweistellige Wachstumsraten aus und ließ den Rest des Landes weit hinter sich”

>>Live aus China. Mein Leben im Reich der Mitte von Barbara Lüthi (Buch) <<

“Steuereinnahmen musste Schanghai weitgehend an die Zentralregierung in Peking abliefern. Diese Entwicklung fand erst 1989 ein Ende. Zehn Jahre, nachdem er in Südchina die Marktöffnung voran getrieben hatte, erlaubte der Reformer Deng Xiaoping auch Schanghai loszulegen. Schanghais Führung übernahm eine Stadt, die am Boden war. Doch sie berief sich auf ihre wirtschaftliche Tradition und gründete 1990 auf der anderen Seite des Huang Pu-Flusses die Sonderwirtschaftszone Pudong. Bald wies Schanghai zweistellige Wachstumsraten aus und ließ den Rest des Landes weit hinter sich. In kürzester Zeit wurde die Stadt durch eine Kombination von wirtschaftlicher Prosperität und staatlicher Kontrolle mit einem Kraftakt hochgezogen. Heute ist Schanghai nicht nur Drachenkopf der Nation, sondern Speerspitze der globalen Konsumgüterindustrie. Chanel, Gucci, Louis Vuitton, Fendi, Prada, Zara, H&M, Mango und wie sie alle heißen, verwandeln die Stadt in ein riesiges Einkaufszentrum. Jeden Tag eröffnen neue Geschäfte und hoffen auf lukrative Umsätze, wenn mehr und mehr Menschen vom Land in die Stadt ziehen.”

“Heute ist Schanghai nicht nur Drachenkopf der Nation, sondern Speerspitze der globalen Konsumgüterindustrie”

Eine alternierende Version des Strukturwandels wurde andernorts bereits erfolgreich vorgeführt. Dazu sind niedrige Strompreise und vielleicht ein alternierender Strommarkt speziell für die Lausitz unerlässlich.