Reporter als geheimdienstliche Heckenschützen: „Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert“

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Artikel 5 verlangt: „Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird“ – Einst hatte das Bundesverfassungsgericht klare Rechtsnormen gesetzt. Doch die vorherrschende Staatsräson hat hierzu neue „Richtlinien“ herausgeben.

„Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird“

Sogar Journalisten arbeiten direkt für die Geheimdienste und geben es auch ganz offen zu. Aber Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit und weltanschaulicher Neutralität sollen ohnehin nicht mehr zeitgemäß sein. Schließlich macht es das Bundesamt für Verfassungsschutz ja selbst vor: Nicht im Geheimen, sondern als öffentlich einsehbare Mitteilung problemlos nachzulesen.

Rechtsstaatlichkeit und weltanschaulicher Neutralität – Wer braucht sowas noch?

>>Bundesamt für Verfassungsschutz<<

„Aus Sicht der Sicherheitsbehörden bleibt in Bezug auf die Urteilsbegründung des BVerfG festzuhalten, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein solches Verbotsverfahren erfüllt und gleichzeitig die für eine adäquate Sachentscheidung erforderlichen Materialien in dem dafür quantitativ und qualitativ erforderlichen Umfang zusammengetragen werden konnten. Die rechtsstaatlichen Vorgaben der Staatsfreiheit und des fairen Verfahrens fanden dem Gericht zufolge transparent, nachvollziehbar und überzeugend Berücksichtigung.“

Geheimdienste und „ihre“ dazugehörigen Parteien?

Vom NPD-Verbotsverfahren und über die Partei selbst kann ja jeder halten was er gern möchte. Dennoch dürfte die Sichtweise des Bundesamt für Verfassungsschutz äußerst interessante sein. Der Verfassungsschutz hat – eigentlich – als Behörde die Gerichtsentscheidung über das NPD-Verbotsverfahren weltanschaulich neutral hinzunehmen: Stattdessen wird über das Urteil hergezogen. Die Behörde scheint also selbst die rechtsstaatliche Ordnung nicht allzu ernst zu nehmen. Aber es kommt noch besser: Mit einen gewissermaßen „Schlüsselsatz“ gibt das Bundesamt für Verfassungsschutz entlarvendes preis.

„Führungs- und Sammlungsanspruch innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums“ 

>>Bundesamt für Verfassungsschutz<<

„Die durch das Nicht-Verbot potenziell freiwerdenden Aktions- und Agitationsspielräume könnte die NPD nutzen, um ihren Führungs- und Sammlungsanspruch innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums zu erneuern oder zumindest ihre Stellung innerhalb des „Nationalen Widerstands“ selbstbewusst zu betonen und allmählich wieder auszubauen.“

NPD – Die politische Zweigstelle des Verfassungsschutzes?

Diese Aussage ist grundsätzlich erst mal richtig, nur drängt sich hier eine ganz andere Frage auf: Kommt der „Führungs- und Sammlungsanspruch“ der NPD wirklich dem Verfassungsschutz so ungelegen? Immerhin ist das NPD-Verbotsverfahren wegen der zahlreichen Agenten innerhalb der Partei gescheitert. Überspitzt: Die Partei war – und sicherlich ist – derart unterwandert, dass die Abgrenzung zwischen Geheimdiensten und der „Rest-NPD“ faktisch unmöglich sei.

Geheimdienste und ihre leicht zu kontrollierenden Sammelbecken

Vereinfacht: Durch das Fortbestehen der NPD bleibt dem Verfassungsschutz ein leicht zu kontrollierendes Sammelbecken erhalten. Im Umkehrschluss kommt aber die Frage auf: Was bleibt unter solchen Bedingungen noch vom Demokratie und Rechtsstaat übrig? Sicherlich kann man über die NPD und ihre Geheimdienstzirkel die Nase rümpfen, aber die Spitzeltätigkeit ist eben nicht nur auf einige Parteien beschränkt. Und keinesfalls überall sind die dahinter liegenden geheimdienstlichen Strukturen so offensichtlich erkennbar.

„Jahrelang hat der Journalist Wilhelm Dietl geleugnet – Für den BND gearbeitet zu haben“

>>Stern<<

„Jahrelang hat der Journalist Wilhelm Dietl geleugnet, für den BND gearbeitet zu haben. Jetzt wurde er geoutet: Dietl hat in zehn Jahren 650.000 Mark vom BND für seine Dienste erhalten.“

Wilhelm Dietl:

„Ich wurde 1982 von der Pressestelle des BND angeworben. In den letzten Tagen als Klaus Kinkel noch BND-Präsident war. Damals hatte ich als Reporter der Zeitschrift Quick einige Artikel über den Nahen Osten veröffentlicht. Die Pressestelle hat dann zwei Leute geschickt, die vom Referat 16A kamen, das beim BND für Nahost zuständig war. Die haben mich gefragt, ob ich bereit wäre, Aufträge zu übernehmen. Nachdem ich damals frei war – ich hatte 1981 bei der Quick aus anderen Gründen gekündigt – habe ich zugesagt. … Ich habe weiterhin frei für die Quick gearbeitet, ja. Und ich habe Bücher geschrieben. Journalist war meine Legende. Eigentlich war ich Agent.“

„Journalist war meine Legende – Eigentlich war ich Agent“

Das einige Journalisten auf der „Gehaltsliste“ des Geheimdienstes stehen: Das dürfte wohl niemanden wirklich verwundern. Jedoch die eignen – amtlichen – Verlautbarungen des Bundesnachrichtendienst lassen dann doch aufhorchen.

Bundesnachrichtendienst: „Nehmen keinen Einfluss auf ausländische Regierungen oder die dortige öffentliche Meinung“ 

>>Bundesnachrichtendienst<<

„Der BND hat keine exekutiven Befugnisse. Wir dürfen niemanden verhaften und nehmen keinen Einfluss auf ausländische Regierungen oder die dortige öffentliche Meinung. Unser Produkt sind Informationen.“

Bundesnachrichtendienst: „Unser Produkt sind Informationen“ 

Der vermeintliche „Kampf gegen Falschmeldungen“ scheint also unmittelbar vor dem Toren des behördlichen Geheimdienstes zu stoppen. Natürlich üben sogenannte „Geheimdienst-Journalisten“ einem gewaltigen Einfluss auf die öffentliche Meinung aus. Bei vielen Journalisten kann man sich ohnehin die Nähe zu gewissen geheimdienstlichen Strukturen denken: Alleine durch die Art der Berichterstattung und aus welcher Perspektive die Protagonisten heraus handeln.

Kampf gegen Falschmeldungen – Oder, Kampf für die gerade vorherrschende Staatsräson?

Letztendlich läuft es auf Zustände vergleichbar wie in der NPD hinaus: Alleine durch die Masse an Geheimdienstleuten lässt sich kaum mehr ein objektives Urteil über die Presselandschaft machen. Ursprünglich hatte mal das Bundesverfassungsgericht hierzu ein gegenteilige Aussage gemacht.

„Moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert“

>>Bundesverfassungsgericht<<

„Art. 5 GG verlangt jedenfalls, daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten.“

„Ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten“

Mit „moderne Instrument der Meinungsbildung“ war damals noch der Rundfunk gemeint, aber es würde sicherlich heute für das Internet genauso gelten. Jeder der eine andere Meinung als die gerade vorherrschende Staatsräson vertritt, derjenige wird als Verbreiter von „Falschnachrichten“ gebrandmarkt und letztendlich zur Zensur freigegeben. Da aber jede Art von Gegenöffentlichkeit verschwindet, finden innerhalb des engen Meinungskorridors zusätzlich noch selbst verstärkende Kräfte statt. Kurzum: Selbst sogeannte „Gemäßigte“ innerhalb der Staatsräson werden zunehmend an den Rand gedrängt.