Pisonische Verschwörung in der Antike gegen Kaiser Nero

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Die Pisonische Verschwörung im April 65 stellt einen Versuch dar, bei dem Mitglieder der römischen Senatsaristokratie Kaiser Nero zu töten. In Rom breitet sich eine wechselhafte Stimmung aus. Um den Senator Gaius Calpurnius Piso, der aus einer bis ins 3. Jahrhundert zurückreichenden Familie stammt und zahlreiche Konsuln hervorgebracht hat, bildet sich eine Gruppe von Verschwörern.

Diese erhält Unterstützung nicht nur von Senatoren und Rittern, sondern auch von Soldaten und Frauen, wie Tacitus berichtet. Piso gilt als charismatisch, großzügig und ein hervorragender Redner, weshalb er sich fast automatisch als zentraler Anführer der Bewegung anbietet. Gleichzeitig wird ihm jedoch vorgeworfen, den sinnlichen Vergnügungen und der Verschwendungssucht verfallen zu sein.

Das Urteil des Historikers über die Person, nach der die Verschwörung benannt wurde, ist bestenfalls ambivalent. Die Verschwörer vereint das Ziel, Nero loszuwerden, doch ihre Beweggründe sind äußerst unterschiedlich. Einige hegen persönliche Feindschaft gegen ihn, wie der Dichter Lukan, dessen Werke der Kaiser aus Neid unterdrückt hat; oder der Senator Quintianus, den Nero in einem Schmähgedicht verspottet hat, oder der Prätorianerpräfekt Faenius Rufus, der sich im Schatten seines Kollegen Tigellinus sieht. Andere wiederum, wie der designierte Konsul Lateranus, sind besorgt um den Staat.

Eine weitere Gruppe besteht aus politischen Abenteurern, die sich durch Neros Tod Auftrieb für ihre eigene Karriere erhoffen. Tacitus beschreibt detailliert, wie sich die Verschwörer bei ihren Treffen zunehmend in Rage gegen den Kaiser hineinsteigern und Pläne schmieden, die jedoch schnell wieder verworfen werden. Nero wird misstrauisch, als eine Frau namens Epicharis festgenommen wird, die zuvor versucht hat, den in Misenum stationierten Seeoffizier Volusius Proculus in die Verschwörung einzubinden. Proculus meldet das Gespräch mit Epicharis sofort in Rom, da sie ihm jedoch keine Namen genannt hat, tappen die Ermittler im Dunkeln. Dennoch breitet sich unter den Verschwörern Panik aus. Es entsteht das Gefühl, schnell handeln zu müssen. Zunächst planen sie, Nero in Pisos Villa bei Baiae zu ermorden, doch der Kopf der Gruppe lehnt diesen Plan ab, da er nach dem Mord Racheaktionen von Neros Anhängern fürchtet. Schließlich einigen sich die Verschwörer darauf, das Ceresfest mit seinen Zirkusspielen für das Attentat zu nutzen.

Lateranus soll sich dem Kaiser nähern und sich vor ihm niederwerfen: angeblich um um finanzielle Unterstützung zu bitten; tatsächlich aber soll er ihn so überwältigen, dass die mitverschworenen Prätorianeroffiziere sich auf den wehrlos am Boden liegenden Kaiser stürzen können. Der Senator Flavius Scaevinus, dessen Geist Tacitus als „durch lange Völlerei zerrüttet“ beschreibt, hat sich den ersten Schlag vorbehalten und bereits einen Dolch beschafft. Am Tag vor dem geplanten Anschlag führt Scaevinus ein ausführliches Gespräch mit dem Ritter Antonius Natalis, einer der Schlüsselpersonen der Verschwörergruppe.

Anschließend weist er seinen Freigelassenen Milichus an, den Dolch zu schärfen und Verbandsmaterial sowie Medikamente bereitzustellen; zudem schenkt er seinem Lieblingssklaven die Freiheit und verfasst sein Testament. Bald fühlt er sich niedergeschlagen, hält dann jedoch Reden voller gespielter Fröhlichkeit und genießt schließlich ein noch üppigeres Mahl als gewohnt. Milichus kann die Zusammenhänge erkennen und sieht die Belohnung vor seinem inneren Auge, die ihm zuteilwerden könnte, wenn er das Gesehene den Behörden meldet.

Seine Frau rät ihm zum sofortigen Handeln; viele Sklaven und Freigelassene haben beobachtet, was im Haus geschieht. Es bleibt ihm keine andere Möglichkeit als den Verdacht zu melden. Milichus begibt sich also zum Palast, wird jedoch zunächst abgewiesen. Als er jedoch erklärt, dass er Informationen über eine unmittelbar bevorstehende Gefahr habe, wird er zunächst zu Neros Freigelassenem Epaphroditus gebracht und dann direkt vor den Kaiser selbst geführt, dem er alles detailliert berichtet. Auch den Dolch kann er vorzeigen. Daraufhin wird Scaevinus herbeigerufen. Dieser erklärt jedoch alles mit ruhiger Stimme und bleibt äußerlich gefasst. Milichus sei ein Betrüger, kontert Scaevinus; doch der Freigelassene erinnert sich rechtzeitig an das lange Gespräch zwischen Scaevinus und Natalis am Morgen. Daher wird auch Natalis einbestellt. Er und Scaevinus werden getrennt über ihren Gesprächsinhalt befragt. Ihre Aussagen widersprechen sich gegenseitig und beide werden festgenommen.

Als sie in die Folterkammer geführt werden, bricht zuerst Natalis zusammen und dann auch Scaevinus; beide legen umfassende Geständnisse ab. Insbesondere Natalis belastet eine Vielzahl von Mitverschwörern, die nacheinander verhaftet werden. Einige von ihnen verraten sogar ihre engsten Freunde, einer sogar seine eigene Mutter. Auch Epicharis wird gefoltert; sie bleibt jedoch standhaft und nimmt sich das Leben, bevor sie Namen preisgeben kann. Tacitus setzt ihr ein bewegendes Denkmal. Damit gibt eine Freigelassene ein leuchtendes Beispiel dafür ab, dass sie trotz Folter fremde Männer nicht verriet – während Freigeborene sowie Männer aus dem römischen Ritterstand und Senatoren ohne Folter ihre nächsten Angehörigen denunzierten. Einige der Verschwörer versuchen noch erfolglos Piso zu überzeugen ins Prätorianerlager zu gehen und mit einer leidenschaftlichen Rede die Macht an sich zu reißen. Doch Piso unternimmt nichts Derartiges; er zieht sich in sein Haus zurück und öffnet sich die Pulsadern während Neros Häscher auf dem Weg sind. Die Verschwörung bricht vollständig zusammen; die meisten Mitwisser werden enttarnt und verhaftet – viele von ihnen hingerichtet: Lateranus erhält nicht einmal die Gelegenheit, sich von seiner Familie zu verabschieden; er wird von dem Tribunen Statius erstochen – einem weiteren Mitverschwörer.

Auch auf Seneca fällt Verdacht; obwohl seine Mitwisserschaft nicht bewiesen werden kann. Der Philosoph bestätigt gegenüber dem Tribun Silvanus – ebenfalls Teil der Verschwörergruppe – Natalis’ Aussage: Er habe tatsächlich Piso abgewiesen weil er sich unwohl gefühlt habe. Silvanus berichtet dies Nero; dieser fragt daraufhin ob Seneca bereits Vorbereitungen für seinen Selbstmord getroffen habe. Als Silvanus verneint wird er zu Seneca zurückgeschickt um ihm den Selbstmordbefehl des Kaisers mitzuteilen. Nachdem sich Seneca von seinen Freunden verabschiedet hat öffnet er sich die Pulsadern; da ihm jedoch der Sterbeprozess zu lange dauert lässt er sich Gift reichen.

Als auch dieser Versuch misslingt begibt sich Seneca ins Dampfbad wo er hofft durch Hitze zu sterben. Auch seine Frau Paulina entscheidet sich für den Tod und schneidet ebenfalls ihre Pulsadern auf; Nero ordnet jedoch an ihre Wunden zu verbinden und sie zu retten. Für den Stoiker Seneca liegt – wie Tacitus berichtet – in dem „ehrenvollen Tod“, den Paulina freiwillig akzeptiert noch mehr Glanz (claritudo) als in seinem eigenen Tod den er mit Festigkeit (constantia) erträgt. Die Pisonische Verschwörung scheiterte letztlich an der Unentschlossenheit ihrer Akteure sowie daran dass sie über die Beseitigung Neros hinaus keine politischen Ziele vereinbaren konnten. Wenige Monate nach diesen Ereignissen versuchte Annius Vinicianus Nero zu stürzen; auch sein Vorhaben blieb erfolglos – dennoch starb Nero wenige Monate später; die Verschwörung hatte mittelfristig einen erheblichen Beitrag zur Destabilisierung seiner Herrschaft geleistet.