Öffentliche Hinrichtung: Warum Sprechverbote zum Alltag gehören
Immer weniger Menschen trauen sich offen ihre Meinung zu sagen. Und das aus gutem Grund: Neben der sozialen Isolation kommen noch handfeste wirtschaftliche Gründe, wie Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung hinzu. Über immer mehr Themen: Sollten sie besser die „richtige“ Meinung haben. Zwar sind die Ergebnisse von Schweigespiralen bekannt: Aber auch darüber muss geschwiegen werden. Beispiel Finanzkrise – Im Jahre 2008 standen weite Teile des Bankensektors vor den finanziellem Kollaps: Mit Milliarden an Steuergeld wurden seinerzeit die Banken gerettet. Aus diesem Anlass wurden Chefredakteure von verschiedenen Medien ins Kanzleramt einbestellt: Damit die neue „richtige“ Meinung später auch Verbreitung findet.
Die halb-geheimen Treffen im Regierungsviertel
„Ein paar Monate zuvor, am 8. Oktober 2008, hatte es ein sonderbares Treffen gegeben, das in diesem Zusammenhang Erwähnung finden soll. Die Bundeskanzlerin hatte an jenem Tag die bedeutenden Chefredakteure der bedeutenden Medien eingeladen. Es war die Zeit, in die der Ausbruch der großen Finanzkrise fiel. Man findet keinen ausführlichen Bericht über dieses Treffen, der veröffentlicht worden wäre und überhaupt nur wenige Erwähnungen in den Archiven, nur hin und wieder einen Nebensatz, eine knappe Bemerkung. An einer Stelle liest man in dürren Worten, worum es an diesem Abend im Kanzleramt ging: Merkel bat die Journalisten, zurückhaltend über die Krise zu berichten und keine Panik zu schüren. Sie haben sich daran gehalten, die Chefredakteure.“
Meinungsfreiheit oder die Unfreiheit von Journalisten?
In dem Zusammenhang lässt der Autor durchblicken: „Merkel hat zu den Journalisten geredet als seien sie Mitarbeiter einer Abteilung im Kanzleramt.“ Allerdings steht Merkel mit ihrer Haltung keineswegs allein auf weiter Flur: Viele Behörden sehen Medienvertreter mittlerweile als weisungsgebundende Untergebene an. Entsprechend Forsch fallen manchmal die Ansagen aus. Nichtsdestoweniger: Im staatlichen Rundfunk gibt es auch schon mal schriftliche Weisungen direkt von „oben“ die buchstabengetreu umgesetzt werden müssen. Im Ergebnis sieht die mediale Welt – zumindest bei kritischen Themen – sehr Einheitlich aus. Die medial-vertretene einheitliche Linie macht aber nur Sinn: Wenn Kritiker auch einer ständigen medialen Diffamierungen ausgesetzt sind. Das verunsichert wiederum viele Bürger und setzt zugleich eine Schweigespirale im Gang. Im Ergebnis: Der Korridor der „zulässigen“ Meinung wird immer enger.
Mediale Welt – Das eintönige Meinungsklima
„Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland hält sich mit der eigenen Meinung zu vermeintlichen Tabuthemen öffentlich zurück. … Demnach achten zwei Drittel der Befragten sehr darauf, was sie im öffentlichen Raum sagen.“
Schweigespirale: Was sie im öffentlichen Raum noch sagen dürfen
Die Zurückhaltung bei vermeintlichen Tabuthemen hat gute Gründe: Die „falsche“ Meinung kann schon mal zum Verlust der Wohnung, des Arbeitsplatzes und sogar des Kontos führen. Nicht selten ist damit die gesamte wirtschaftliche Existenz gefährdet. Und zwar aus guten Gründen: Arbeitsplätze und Wohnung sind rar gesät und häufig hart umkämpft. Auch Banken gewähren nicht mehr jeden problemlos ein Girokonto. Deshalb sollten sie immer bedenken: Welche Meinungsäußerung – in der heutigen Zeit – sie sich noch leisten können. Eines der – wenigen verbliebenen – Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung: Sind öffentliche Foren und Soziale Medien im Internet. Meist unter Schutz der Anonymität.
„Eine Klarnamenpflicht im Internet“
„Manfred Weber und Wolfgang Schäuble treten für eine Klarnamenpflicht im Internet ein. Damit sollen Nutzer in sozialen Netzwerken keine Pseudonyme mehr benutzen dürfen. Soziale Medien seien ein öffentlicher Raum, sagte Weber. Es sollte erkennbar sein, wer hinter einem Profil steht.“
Wenn Denk- und Sprechverbote zum Alltag gehören
Solange es keine strafbare Äußerung sei: Warum muss erkennbar sein, wer hinter einem Profil steht? Die meisten Wahlen finden ja auch als „geheime Abstimmungen“ statt und eigentlich sollte niemand wissen: Wer – welche Partei gewählt hat. Auch die pauschale Äußerung: „Soziale Medien seien ein öffentlicher Raum“ – zeugt von wenig Sachkenntnis. Nicht alle Foren im Internet sind als öffentliche Räume einsehbar: Einige sind als geschlossene Foren konzipiert – begrenzt auf einen ausgewählten Nutzerkreis. Im Allgemeinen: Im Internet spiegelt sich auch nur die realen Welt wieder: Die meisten verschweigen ihre Meinung oder äußern sie im Schutze der Anonymität.
Über drängende Probleme gibt es Sprechverbote
In Wirklichkeit ist genau dass der echte Skandal: Wenn Denk- und Sprechverbote zum Alltag gehören. Eines der Hauptgründe, warum die DDR wirtschaftlich zurückgefallen ist: Über offensichtliche Probleme durfte nicht mehr gesprochen werden – folglich gab es auch keine Probleme mehr. Die Wegseh- und Schweigespirale – hat zu DDR-Zeiten – beinahe bis zum Ende funktioniert.