Obrigkeitshörigkeit im Gerichtssaal: „Die kleinen Diebe hängt man, die Großen läßt man laufen“

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Am eingänigen Sprichwort scheint doch etwas dran zu sein: „Die kleinen Diebe hängt man, die Großen läßt man laufen.“ Rein formal sollen laut Artikel 3 vorm Gesetz alle Menschen gleich sein: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ – Doch die sogenannte Rechtspraxis spiegelt ein ganz anderes Bild der Lage wider.

Hat die viel gescholtene Obrigkeitshörigkeit etwa im Gerichtssaal überlebt?

Eine Kassiererin wird wegen zwei Pfandbons von 1,30 Euro gekündigt, während ein Polizist wegen gewerbsmäßigen Überstundenbetrug weiter im Dienst bleiben kann? Solche Fälle lassen das Recht in einem seltsamen Licht erscheinen. Auch beim Verhängen von Gefängnisstrafen scheint weniger die Tat, sondern mehr die Person entscheidend. Hat die viel gescholtene Obrigkeitshörigkeit etwa im Gerichtssaal überlebt? Viele Urteile lassen zumindest dem Verdacht aufkommen.

„Fristlose Kündigung wegen zwei Pfandbons von 1,30 Euro“

>>n-tv<<

„Der Fall „Emmely“ – Ihr Fall – eine fristlose Kündigung wegen zwei Pfandbons von 1,30 Euro – hatte 2008 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.“

Überstundenbetrug eines Polizisten versus Pfandbons einer Kassiererin

Allgemein war beim Fall „Emmely“ wenig Sozialromantik zu spüren. Jenseits aller Gerichtsurteile und Gesetze lässt sich gewiss lange darüber streiten, ob so eine Kündigung gerechtfertigt sei.

Überstundenbetrug eines Polizisten: „Wegen Betrugs in 86 Fällen, davon in 13 Fällen gewerbsmäßig“

>>Mittelbayerische<<

„Polizist fälschte Zeitkonten – Der 58-jährige Polizeibeamte wurde wegen Betrugs zu Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte bei den Überstunden geschummelt. … Am Dienstag stand der Regensburger wegen Betrugs in 86 Fällen, davon in 13 Fällen gewerbsmäßig, vor dem Amtsgericht.“

Urteil eines Polizeibeamten: Elf Monaten Bewährung – Erst ab zwölf Monaten droht die Kündigung

Der fragliche Polizist wurde lediglich zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Normalerweise ist eine „Kündigung“ für einen Beamten erst bei einer Strafe ab zwölf Monaten möglich. Doch im diesem Fall stehen nicht etwa zwei Pfandbons mit 1,30 Euro Gesamtwert im Raum, sondern es handelt sich um ganz andere Summen.

Artikel 3 des Grundgesetzes: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ – Mehr frommer Wunsch als Realität

Rein formal sollen laut Artikel 3 vorm Gesetz alle Menschen gleich sein: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ – Doch die sogenannte Rechtspraxis spiegelt ein ganz anderes Bild der Lage wider. Aber nicht nur in der Arbeitswelt wird mit zweierlei Maß, sondern auch im Sozialbereich sind offenbar zwei verschiedene Rechtssysteme gültig.

„Jobcenter Mitarbeiterin veruntreute 75.000 Euro Gelder für Obdachlose“

>>HartzIV.org<<

„Jobcenter Mitarbeiterin veruntreute 75.000 Euro Gelder für Obdachlose – 75.000 Euro hatte sich die Frau bisher unbemerkt auf ihr privates Konto überwiesen und damit teure Urlaubsreisen und ausgiebige Shoppingtouren finanziert. … Obwohl die Frau “aus reinem Gewinntreiben” handelte, beließ der Richter es bei einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen gewerbsmäßiger Untreue, das Urteil ist rechtskräftig.“

75.000 Euro: „Zweijährigen Bewährungsstrafe wegen gewerbsmäßiger Untreue“

Über Jahre konnte die Frau unbemerkt ein kleine Vermögen auf ihr privates Konto überweisen. Bei so einer plumpen Vorgehensweise können die Kontrollmechanismen bei der Behörde nicht besonders ausgeprägt sein. Zudem fällt auch hier die milde Strafe auf, wobei bei anderen Fallen bei viel geringen Summen es plötzlich Gefängnisstrafen hagelt.

„Insgesamt knapp 8000 Euro“ – „Ein 45-Jähriger muss für 20 Monate in Haft“

>>Westdeutsche Allgemeine Zeitung<<

„Ein 45-Jähriger muss für 20 Monate in Haft. … Über Jahre hat ein 45-Jähriger aus Bayern Hartz-IV-Leistungen und Arbeitslosengeld bezogen, obwohl er als Schrottsammler teilweise hohe Einnahmen generierte. … Der Mann betrog in den Jahren 2014 und 2015 zunächst die Agentur für Arbeit. Er meldete sich arbeitslos und bezog insgesamt knapp 8000 Euro, obwohl er als Schrottsammler unterwegs war.“

Offensichtliche Schieflage in der Rechtsprechung

Ob heutzutage wirklich alleine durch das Schrottsammler sich so große Summen erzielen lassen: Das scheint eher fraglich sein. Zudem ziehen bei echter oder vermeintlicher Schwarzarbeit die Behörden gerne eine ziemlich weltfremde Schätzung heran. Aber im Gegensatz zur Jobcenter Mitarbeiterin muss der Schrottsammler ins Gefängnis gehen.