Nigeria: Christen unter Opfern von Boko Haram
Veröffentlichtes Hinrichtungsvideo unterstreicht die herrschende Gefahrenlage
Mitglieder der Terrorgruppe Boko Haram haben in der Gemeinde Ngoshe im Nordosten Nigerias vier Menschen enthauptet. Die abscheuliche Tat wurde in einem sechsminütigen Video gezeigt, das die Gruppe Mitte Oktober im Internet veröffentlichte. Wie Open Doors nun in Erfahrung gebracht hat, waren zwei der Getöteten Christen.
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Von Open Doors
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„Wir haben nicht denselben Glauben wie sie“
Das Video zeigt, wie Kämpfer von Boko Haram die Hinrichtung zunächst begründen und anschließend ausführen. Dabei beschuldigen sie ihre Opfer der Unterstützung von „Angriffen und Morden“ an Mitgliedern ihrer Gruppe, die mutmaßlich eine Woche zuvor stattgefunden haben sollen.
Beobachter gehen davon aus, dass die getöteten Christen bei einem Überfall auf die nahegelegene Stadt Gwoza am 1. Oktober in die Hände ihrer Peiniger geraten waren. Bei diesem Angriff waren fünf Personen getötet und fünfzehn gefangen genommen worden. Ein lokaler Partner von Open Doors erklärt dazu: „Unter den Gefangenen waren drei Christen, von denen zwei nun ermordet wurden.“ Bei der dritten Person handelt es sich ihm zufolge um eine Frau, die gezwungen wurde, zum Islam zu konvertieren. Ihr Vater wurde nach eigenen Angaben von Boko Haram angerufen und darüber informiert, dass sie nun einen Kämpfer von Boko Haram heiraten solle.
Der lokale Partner berichtet weiter: „Der christliche Mann wurde mit einer Machete inmitten einer Schar von jubelnden Zuschauern hingerichtet, die ‚Allahu Akbar‘ (‚Gott ist am größten‘) riefen. Eine junge Christin, etwa Mitte Zwanzig, wurde ebenfalls ermordet – von ihrem Onkel, der selbst Mitglied von Boko Haram ist. Zuvor sagte dieser: ‚Wir haben nicht denselben Glauben wie sie.‘“ Zudem ist in dem Video zu hören, wie der Onkel ausrief: „Heute werden wir ausführen, was Allah für sie aufgeschrieben hat. Selbst wenn es meine Mutter wäre, die sich gegen unsere Religion wendet, würden wir sie durch die besondere Gnade Allahs vernichten.“ Die Hingerichtete stammt aus einer Familie, in der es sowohl Muslime als auch Christen gibt.
Zahlreiche Vertreibungen, Christen diskriminiert
Diese Ereignisse unterstreichen auf traurige Weise die herrschende Gefahrenlage für Christen in Nordnigeria, die auch eine Untersuchung von Open Doors zum Thema Vertreibung beleuchtet. Ein Forscherteam von Open Doors hat dazu mehrere Orte in Nordnigeria besucht, darunter auch Gebiete in der Nähe von Ngoshe, um Christen über ihre Erfahrungen mit Vertreibung zu befragen. In dem am 1. September veröffentlichten Bericht mit dem Titel „No Road Home“ („Kein Weg nach Hause“) zeigen die Ergebnisse die Ursachen der Massenvertreibung in Nigeria. Vorsätzliche Angriffe auf christliche Gemeinden und das Versagen des Staates, sie zu schützen, werden als Gründe genannt. Darüber hinaus berichteten christliche Binnenvertriebene von Diskriminierung und Vernachlässigung aufgrund ihres Glaubens in den Vertreibungsgebieten und von einer erhöhten Bedrohung für Christen, die versuchen, nach Hause zurückzukehren.
Regierung drängt auf Rückkehr, geflüchtete Christen zögern
John Samuel*, Rechtsexperte von Open Doors für die afrikanischen Länder südlich der Sahara, sagt: „Ungeachtet dieser Angriffe von Boko Haram hat die Regierung des nördlichen Bundesstaates Borno darauf gedrängt, dass die Binnenvertriebenen nach Hause zurückkehren. Die Behörden haben den Rückkehrern Anreize geboten, wie etwa Lebensmittelpakete oder einmalige Zahlungen. Viele vertriebene Christen sind jedoch sehr zögerlich wegen der anhaltenden Unsicherheit und der noch scharfen Minen, die in ihren Dörfern liegen. Einige Christen, die zurückgekehrt sind, wurden von Kämpfern angegriffen und flohen erneut. Die Extremisten von Boko Haram haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie einen Dschihad gegen Menschen führen, die sie als ‚Ungläubige‘ bezeichnen – also gegen jeden, der sich ihrer extremen Auslegung des Islam nicht anschließt. Einige der Menschen, die aufgrund ihres Glaubens ganz besonders ins Fadenkreuz geraten, sind demnach Christen.“
Im Dezember 2023 lebten nach Angaben der „Internationalen Organisation für Migration“ allein im Bundesstaat Borno 1.711.481 Binnenvertriebene – das sind 74 Prozent der Binnenvertriebenen im Nordosten Nigerias.
Auf dem Weltverfolgungsindex 2024 steht Nigeria an 6. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.
*Name geändert