Mit 70 Jahren als Ballerina tanzen? – Die Ungerechtigkeiten im Rentensystem
Rente mit 67? Oder doch erst Rente mit 70? – Mit immer neuen Forderungen versuchen sich verschiedene Politiker gegenseitig zu Überbieten: Als Begründung muss eine vermeintlich höhere Lebenserwartung herhalten. Tatsächlich können schon heute nur die Allerwenigsten bis zum 60. Lebensjahr arbeiten. Sogar die offizielle Arbeitslosenstatistik: Zählt Arbeitslose ab einem Alter vom 58 Jahren überhaupt nicht mehr mit. Das grundsätzliche Problem wurde zwar indirekt „amtlich“ Nnerkannt, nur keine Schlüsse daraus gezogen. Denn in Wirklichkeit verstößt die Rentenversicherung damit gegen das Grundgesetz.
Die Ungerechtigkeiten im Rentensystem
Vereinfacht: Nicht alle Berufe sind dafür geeignet bis zum 70. Lebensjahr zu arbeiten. Warum sieht man beispielsweise so selten eine 70jährige Ballerina tanzen? – Es gibt schlicht Keine. Für gewöhnlich hören die meisten Balletttänzer mit dem 40. Lebensjahr auf und das hat gute Gründe.
Ballerina: „Schon fast im Niedriglohnbereich verharrend“
„Schon fast im Niedriglohnbereich verharrend, hat niemand die Möglichkeit, Rücklagen zu bilden, und Tänzer denken selten ans Morgen. Zu sehr sind sie mit der nächsten Vorstellung beschäftigt. Ihre teure, dauernd verschwitzte Trainingskleidung müssen sie selbst stellen. Immerhin, die genau auf ihren Fuß zugeschnittenen, dann selbst in diffiziler Näh-, Klopf- und Klebearbeit optimierten Spitzenschuhe bekommen die Frauen vom Theater. Bei den Solistinnen sind das mindestens ein Paar pro Vorstellung, manchmal auch pro Akt: Danach sind sie zu weich, taugen höchstens noch fürs Training. Und schließlich müssen auch die dauernd schmerzenden Füße und Zehen verpflastert, gesalbt, mit Schmerzmitteln betäubt, mit Fensterwischleder, Geschirrtüchern, Watte, Klopapier oder sogar rohen Schnitzeln entlastet werden.“
Mit 70 Jahren im Ballett tanzen?
In Frankreich und Russland genießen die schönen Künste einen viel höheren Stellenwert – Kurzum: Die Gagen sind höher und die Tänzer gehen mit 42 Jahren in Rente. Es ist dort breiter gesellschaftliche Konsens, dass die Balletttänzer spätestens dann am Ende ihrer Kräfte angelangt sind und auch Körperlich keinen anderen Beruf mehr ausüben können.
Für Ballerina gibt es keine Sonderregelungen
Doch für Ballerina gibt es hierzulande keine nennenswerten Sonderregelungen. Die einzige echte Sonderregel im Rentensystem gilt – historisch bedingt – für Bergleute unter Tage.
Warum viele Arbeiter die Rente nicht mehr erleben
>>Deutsche Rentenversicherung<<
„Wie die meisten anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind auch Bergleute gesetzlich rentenversichert. … Diese Art der Rente erhalten Sie, wenn Sie mindestens 60 Jahre alt sind und die Mindestversicherungszeit (wird Wartezeit genannt) von 25 Jahren mit ständigen Arbeiten unter Tage erfüllt haben. Diese Altersgrenze wird jedoch schrittweise auf das 62. Lebensjahr angehoben.“
Früher Tod: Berufskrankheiten und Unfallgefahr
Was die Deutsche Rentenversicherung verschweigt: Besonders Bergleute unter Tage weisen im Schnitt eine viel geringe Lebenserwartung auf. Neben der ständig präsenten Unfallgefahr, haben insbesondere Bergleute mit typischen Berufskrankheit – wie der Staublunge – zu kämpfen. Denn allzu oft wird – einseitig – auf die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen abgestellt: Doch bei der Betrachtung von einzelnen Berufsgruppen: Da ergibt sich ein viel deutlicheres Bild.
Ungerechtigkeit und Lebenserwartung: Warum viele Menschen keine Rente beziehen
„Wer viel Geld verdient, wird zusätzlich mit einem langen Leben belohnt. Besonders gut stehen Physiker, Ärzte und Ingenieure da. Aber auch Gymnasiallehrer und evangelische Pfarrer haben eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung. Für Gerüstbauer, Dachdecker und Bergleute sieht es hingegen düster aus.“
„Für Gerüstbauer, Dachdecker und Bergleute sieht es hingegen düster aus“
Die allerbesten Daten über die unterschiedlichen Lebenserwartungen von einzelnen Berufen dürften die privaten Versicherungen haben, weil es schließlich ihre Geschäftsgrundlage bedeutet. Neben klassischen Berufskrankheiten weisen zudem viele Berufe eine erhöhte Unfallgefahr auf. Nicht selten macht ein Gerüstbauer oder Dachdecker nur einem „Fehltritt“ in seinem Leben. Bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit das Renteneintrittsalter überhaupt nicht mehr zu erleben, ist bei manchen Berufen extrem Hoch.
Warum die Rentenversicherung das Sozialstaatsprinzip ignoiert
Nur darauf nimmt die Deutsche Rentenversicherung – bis auf eine Ausnahme – keinerlei Rücksicht. Aber diese Ungerechtigkeit wird kaum Thematisiert. Denn Entscheidend ist nicht nur die alleinige Rentenhöhe, sondern auch die statistische Bezugsdauer der Rente: Das Sozialstaatsprinzip – abgeleitet aus dem Grundgesetz – verbietet eigentlich solche Ungleichbehandlungen.