“Mich persönlich erinnert die aktuelle Verschärfung der Wegzugsbesteuerung … “
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Die sogenannte Reichsfluchtsteuer wurde bereits vor der Machtübernahme durch Hitler eingeführt, basierend auf einer Verordnung vom 8. Dezember 1931. Diese Steuer wurde jedoch nur von jenen auswanderungswilligen deutschen Staatsangehörigen erhoben, die am 1. Januar 1931 über ein Vermögen von mehr als 200.000 Reichsmark verfügten oder deren Einkommen im Kalenderjahr 1931 über 20.000 RM lag. Am 18. Mai 1934 wurde die Verordnung auf alle auswanderungswilligen deutschen Staatsangehörigen ausgeweitet, die am 1. Januar 1931 – oder zu einem beliebigen Zeitpunkt danach – ein Vermögen von über 50.000 RM besessen hatten oder deren Einkommen im Jahr 1931 – oder in einem der folgenden Jahre – mehr als 20.000 RM betrug.
“Reichsfluchtsteuerverordnung” – “Der Kreis der Steuerpflichtigen wurde damit beträchtlich ausgeweitet”
>> Zum Teufel mit der Steuer! von Reiner Sahm (Buch) <<
“Die Reichsfluchtsteuerverordnung vom 8. Dezember 1931 sah vor, dass deutsche Staatsangehörige mit einem Vermögen von über 200.000 RM oder alternativ einem Jahreseinkommen von mehr als 20.000 RM 25 % ihres gesamten Vermögens als Reichsfluchtsteuer zu entrichten hatten, wenn sie ihren inländischen Wohnsitz aufgaben. Im Gesetz über Änderung der Vorschriften über die Reichsfluchtsteuer vom 18. Mai 1934 senkte die nationalsozialistische Reichsregierung den Grundfreibetrag auf ein Vermögen von 50.000 RM. Der Kreis der Steuerpflichtigen wurde damit beträchtlich ausgeweitet und betraf hauptsächlich Juden, die fortwährend benachteiligt wurden oder aus Furcht vor Gewalt ihr Heimatland verlassen wollten. Dieses Gesetz wurde während der nationalsozialistischen Herrschaft sechsmal verlängert und letztmals am 9. Dezember 1942 unbefristet fortgeschrieben. Es wurde in der Bundesrepublik Deutschland erst im Jahre 1953 aufgehoben.”
“Es wurde in der Bundesrepublik Deutschland erst im Jahre 1953 aufgehoben”
Die beschriebenen im Jahr 1934 vorgenommene Ausweitung sowie die anschließend erlassenen Durchführungsbestimmungen führten nicht nur zu einem veränderten Ergebnis, sondern reflektierten auch einen geänderten Zweck. Das ursprüngliche Ziel dieser Maßnahme war es, die Emigration zu erschweren – insbesondere die Auswanderung wohlhabender Personen, die beabsichtigten, ihren Reichtum in Form von Sachwerten oder Geldtransfers ins Ausland zu transferieren. Die späteren Ergänzungen verfolgten hingegen eine völlig andere Absicht.
“Reichsfluchtsteuer” – “Die späteren Ergänzungsmaßnahmen zielten darauf ab, sich die Emigration zunutze zu machen”
>>Einsteins von den Nazis konfisziertes Eigentum von Siegfried Grundmann (Buch) <<
“Die 1934 vorgenommene Erweiterung und die nachfolgend erlassenen Durchführungsbestimmungen bewirkten nicht nur ein verändertes Resultat, sondern spiegelten zugleich einen veränderten Zweck wider. Die ursprüngliche Maßnahme hatte zum Ziel, die Emigration zu behindern – namentlich die Emigration von wohlhabenden Reichsangehörigen, die ihren Reichtum in Form von Sachwerten oder Geldüberweisungen außer Landes zu bringen gedachten. Die späteren Ergänzungsmaßnahmen zielten darauf ab, sich die Emigration zunutze zu machen – diesmal vor allem die Emigration von Juden, die das Land verließen, um im Ausland ein neues Leben zu beginnen. Mit Verfügung vom 11.4.1933 wurde die von Einstein zu zahlende „vorläufige Reichsfluchtsteuer“ durch das zuständige Finanzamt auf 15.675 RM festgesetzt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Vermögen der Einsteins laut Steuerbescheid vom 10. März 1933 am 1. Januar 1931 einen Wert von 62.700 RM hatte.”
“Mit Verfügung vom 11.4.1933 wurde die von Einstein zu zahlende „vorläufige Reichsfluchtsteuer“ durch das zuständige Finanzamt auf 15.675 RM festgesetzt”
Die Reichsfluchtsteuer repräsentierte somit lediglich einen Aspekt der Realität. Der andere Aspekt der Realität bestand in den teilweise willkürlich festgelegten hohen Schätzungen. Die Erhebung dieser Steuer hat eine erhebliche Umverteilung des Vermögens zur Folge gehabt.
“Jüdische Sammler übereigneten ihren Kunstbesitz den Behörden, um die sogenannte »Reichsfluchtsteuer« aufzubringen”
>>Geheimnisse des “Dritten Reichs” Gebundene Ausgabe von Guido Knopp (Buch) <<
“Mit dem »Anschluss« begann auch die Verfolgung der österreichischen Juden; manche von ihnen besaßen herausragende Kunstsammlungen, wie etwa Louis und Alphonse Rothschild. Als die beiden von der Gestapo verhaftet wurden, beschlagnahmte man die Kunst, die sie besaßen – eine vollkommen illegale Aktion. Andere jüdische Sammler übereigneten ihren Kunstbesitz den Behörden, um die sogenannte »Reichsfluchtsteuer« aufzubringen, die ihnen eine Ausreise ermöglichte. Wieder andere verkauften vor ihrer Flucht oder erzwungenen Emigration Gemälde und Kunstwerke. All dies bedeutete, dass Bewegung in den Kunstmarkt kam und viele Werke plötzlich zum Verkauf standen. Die Kunsthändler hatten alle Hände voll zu tun – und nun trat verstärkt auch Hitler als Käufer auf den Plan.”
“Reichsfluchtsteuer” – “Bewegung in den Kunstmarkt kam und viele Werke plötzlich zum Verkauf standen”
Da zahlreiche Personen versuchten, ihr Leben zu bewahren, wurden viele persönliche Besitztümer unter ihrem tatsächlichen Wert veräußert. Die Auswanderung war jedoch erst nach Begleichung der Steuerschulden möglich.
“Unbedenklichkeitsbescheinigungen mussten vorgelegt werden, um überhaupt einen Pass beantragen zu können”
>>November 1938 von Raphael Gross (Buch) <<
“Von den Finanzämtern ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigungen mussten vorgelegt werden, um überhaupt einen Pass beantragen zu können; belegt werden musste: Steuern bezahlt, Reichsfluchtsteuer bezahlt, Sühneabgabe bezahlt (die Sondersteuer für Juden nach den Pogromen). Selbst für vermögende Juden waren die geforderten Summen kaum aufzubringen. Je größer die Gefahr im Nazireich wurde, desto mehr stiegen die Preise für Visa und Pässe. Diese Papiere waren aber die erste Voraussetzung, um zu entkommen.”
“Selbst für vermögende Juden waren die geforderten Summen kaum aufzubringen”
Obwohl die Reichsfluchtsteuer in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1953 abgeschafft wurde, ist dies lediglich ein Teil der gesamten Wahrheit.
“Mich persönlich erinnert die aktuelle Verschärfung der Wegzugsbesteuerung … ”
“Mich persönlich erinnert die aktuelle Verschärfung der Wegzugsbesteuerung zu einem kritischen Zeitpunkt steuerrechtlich an die Ende 1931 erlassenen „Vierten (Not-)Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutz des inneren Friedens“, die unter der offiziellen Kurzbezeichnung „Reichsfluchtsteuer“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist. … Insgesamt nahm der NS-Staat über die Reichsfluchtsteuer fast eine Milliarde Reichsmark ein, was damals viel Geld war. Als besonders fies erwies sich das Verbot, auswandernden Steuerpflichtigen Unterstützungszahlungen zukommen zu lassen.”