LNG-Import: Vorteile von Floating Storage and Regasification Units (FSRU) gegenüber landseitigen Terminals
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Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Folgen für Europas Energiewirtschaft und die Versorgungssicherheit. Während die Rohölversorgung aufgrund einer Vielzahl von Bezugsländern und hinreichend dimensionierten Importinfrastrukturen im Falle ausfallender / boykottierter russischer Lieferungen kaum eingeschränkt sein dürfte, ist dies bei Erdgas nicht der Fall. 94 % des in Deutschland verbrauchten Erdgases wurden 2020 importiert, 55,2 % stammen aus Russland (Norwegen: 30,6 %, Niederlande 12,7 %). Russisches Erdgas wird über Ferngasleitungen nach Europa / Deutschland transportiert.
Zur Steigerung der Versorgungssicherheit und Ablösung russischer Erdgaslieferungen wird aktuell über den verstärkten Import von verflüssigtem Erdgas (Liquified Natural Gas, LNG) aus den USA und Katar diskutiert. Neben der Strom- und insbesondere Wärmeproduktion wird Erdgas auch für unterschiedliche industrielle und chemische Prozesse (u. a. Herstellung von Acetyl, Ammoniak und andere Basischemikalien) eingesetzt, in denen es kurzfristig nicht substituierbar ist.
LNG-Importterminalinfrastruktur in Deutschland
In Deutschland existiert aktuell kein Importterminal für Flüssigerdgas, die Bundesregierung will daher Pläne für den Bau je eines stationären LNG-Terminals in Brunsbüttel (8 Mrd. m³ / a) und Wilhelmshaven (10 Mrd. m³ / a) so schnell wie möglich umsetzen. Für Planung, Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme des Terminals wird eine Dauer von üblicherweise fünf bis fünfeinhalb Jahren angegeben, vor dem Hintergrund der aktuellen Situation soll der Bau schnellstmöglich beschleunigt werden. Hierfür hat der Bundestag im Mai 2022 das LNG-Beschleunigungsgesetz beschlossen. Eine weitere Beschleunigung soll durch den raschen Einsatz von vier FSRU-Schiffen (Floating Storage and Regasification Unit, schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheit) erreicht werden.
Schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheiten / Floating Storage and Regasification Unit (FSRU)
Schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheiten können das verflüssigte LNG von LNG-Tankern löschen, speichern und zur direkten Einspeisung in das Erdgasnetz regasifizieren. Hierbei wird das etwa -160° C kalte verflüssigte LNG (Konsistenz eines Slushy) mittels der Exportpumpen des Tankschiffs oder den Pumpen der FSRU mit geringerer Kapazität gelöscht und ggf. gespeichert. Mithilfe einer Reihe von LNG-Verdampfern (Wärmetauscher unter Nutzung des Meerwassers) wird das LNG auf über 0° C erwärmt und so wieder in einen gasförmigen Zustand versetzt. Im Anschluss wird das Erdgas für den Fernversand über das Hochdruck-Pipelinenetz komprimiert (80 – 110 bar) und über die Hochdruck-Ladearme des Anlegers ins Pipelinenetz eingespeist. Eine landseitige Erdgas-Verdichterstation ist nicht notwendig. Alternativ kann mithilfe der FSRU das flüssige LNG in kleinere LNG-Tanker (Small Scale LNG Tankschiffe mit Größen zwischen 1.000 m³ bis 15.000 m³ Volumen) umgeschlagen oder über eine vakuumisolierte LNG-Pipeline an Land transferiert werden, um es dort in Tankfahrzeuge (Lkw, Kesselwagen) zu verladen.
Die Speicherkapazität der FSRU beträgt üblicherweise 170.000 m³. Dies entspricht in etwa sieben Tage maximale Einspeiseleistung.
Eine FSRU erlaubt Entladungen bis einschließlich Q-Max Tankschiffen, die bis zu 266.000 m³ LNG transportieren können. Bei einer maximalen Entladerate von 90 % besitzen Q-Max eine Entladekapazität von 240.000 m³ LNG. “Da eine FSRU nicht mehr als netto 153.000 m³ LNG aufnehmen kann muss das überschüssige Volumen der Q-Max Entladekapazität von 240.000 m³ durch die Einspeisekapazität der FSRU absorbiert werden. In Spitzenlastsituationen stehen der FSRU im Rahmen des Standarddesigns zusätzliche 50 % Wiedervergasungskapazität zur Verfügung. Entsprechend sollten Q-Max Tankschiffe nur während der Peak Saison eingesetzt werden.”1 In der Regel sollten kleinere LNG-Tankschiffe mit einer Maximalkapazität von 170.000 m³ (Entladekapazität 153.000 m³) eingesetzt werden.
Vorteile von FSRU ggü. landseitigen Terminals
Der Einsatz von schwimmenden Speicher- und Regasifizierungseinheiten hat diverse Vorteile. Sie sind vergleichsweise schnell zu errichten und bieten trotz hoher Charterraten2 Vorteile bei der Wirtschaftlichkeit, da kein Risiko bezüglich der Nutzungsdauer besteht. Werden sie nicht mehr benötigt, können die Charterverträge gekündigt und die FSRU an den Eigner zurückgegeben werden. Die landseitige Infrastruktur kann mit einem Ship-to-Shore-Interface und der Einbindung in das Gasnetz mit etwaigen Pufferspeicherkapazitäten vergleichsweise schlank gehalten werden. Eine LNG-Importinfrastruktur, die maßgeblich auf FSRU setzt, ist im Vergleich zu stationären Terminals hochflexibel und auch für eine kürzere Nutzungsdauer ausgelegt. Das wirtschaftliche Risiko liegt beim Schiffseigner.
Kritiker:innen des Bau von stationärer LNG-Importinfrastruktur monieren, dass sich der Betrieb eines LNG-Terminals erst nach einer Laufzeit von 30 bis 40 Jahren rechne. Die Vorhaben seien somit mit dem Ziel inkompatibel, bis 2045 klimaneutral zu sein. Vielmehr werde die Pfadabhängigkeit in fossile Energien beibehalten bzw. gar erhöht. Private Investoren hätten aufgrund der fehlenden Rentabilität der LNG-Terminalinfrastrukturen von Investitionen abgesehen bzw. geplante Vorhaben in Deutschland gestoppt. Die Zeitlücke zwischen einer gesetzlich festgelegte Höchstnutzungsdauer und der wirtschaftlich benötigten Mindestnutzungsdauer der Terminalinfrastrukturen müsste entschädigt bzw. gefördert werden.
Im LNG-Beschleunigungsgesetz ist vorgesehen, dass Genehmigungen für die LNG-Anlagen bis spätestens 31. Dezember 2043 befristet sind (§ 5 (1) Nr. 4 LNGG). Ein Weiterbetrieb der Anlagen über diesen Zeitpunkt hinaus könne nur für klimaneutralen Wasserstoff und dessen Derivate genehmigt werden, um Übereinstimmung mit den deutschen Klimazielen zu gewährleisten. Unter der Annahme, dass der Gesetzgeber diese Regelung im Nachhinein nicht aufweicht, besteht eine Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Mindestnutzungsdauer und der genehmigungsrechtlichen Maximalnutzungsdauer der LNG-Importinfrastruktur von 20 Jahren.
Zwar ist perspektivisch vorgesehen, die Terminals Brunsbüttel und Wilhelmshaven für den Import von grünen Wasserstoffderivaten wie Ammoniak umzurüsten. “Eine Umrüstung von LNG-Importterminals für den [direkten] Import von Wasserstoff scheint technisch nicht lösbar zu sein. Die deutlich geringere Transport- und Lagertemperatur von Flüssigwasserstoff gegenüber LNG stellt deutlich erhöhte Anforderungen an Umschlagsgerät und Lagertanks. Die Lagertanks für Flüssigwasserstoff müssten eine deutlich höhere Isolierung als LNG-Lagertanks aufweisen, um die boil-off rate (BOR) [tägliche prozentuale Menge des gelagerten Wasserstoffs, die durch Überschreiten der Siedetemperatur den Aggregatzustand wechselt und gasförmig wird] gering zu halten. Landseitige Lagertanks für LNG ermöglichen abhängig von der Außentemperatur eine BOR zwischen 0,023 %/Tag und 0,03 %/Tag. Bei Tanks von LNG-Tankern liegt die BOR zwischen 0,1 %/Tag und 0,15 %/Tag. Tanks für die Lagerung von Flüssigwasserstoff weisen eine BOR zwischen 0,4 %/Tag und 1,3 %/Tag auf. Würde Flüssigwasserstoff in LNG-Tanks gelagert werden, würde die BOR aufgrund der geringeren Isolierung deutlich höher ausfallen.”3 Ein Großteil der Terminalinfrastruktur ist daher zu ersetzen, d.h. über eine kürzere Nutzungsdauer abzuschreiben und somit mit höheren Betriebskosten verbunden.
Bei FSRU liegt das wirtschaftliche Risiko beim Schiffseigner. Dieser kann die Anlage nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsdauer oder bei Erreichung der aktuell gesetzlich zulässigen Höchstnutzungsdauer (Ende 2043) in ein anderes Land verlegen und dort wirtschaftlich sinnvoll weiternutzen.
Der große Nachteil der FSRU: sie sind knapp und daher teuer
Ende 2021 existierten weltweit insgesamt 48 FSRU, fünf sind im Bau (eine Einheit wird 2022 fertiggestellt).4 Aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage nach LNG-Importkapazität sind die Charterraten stark gestiegen. Laut Medienberichten beträgt die Charterrate für die durch die Bundesregierung angemieteten FSRU etwas mehr als 200.000 Euro / Tag und Schiff (pro Jahr über 75 Millionen Euro / Schiff). Im Bundeshaushalt wurden für die Charter der vier FSRU für einen Zeitraum von zehn Jahren Haushaltsmittel in Höhe von drei Milliarden Euro freigegeben.
In Kombination mit den weltweit ebenfalls sehr knappen LNG-Transportkapazitäten und den daraus resultierenden hohen Kosten für den LNG-Schiffstransport ergeben sich hohe Gesamtkosten für den LNG-Import nach Deutschland. Deutschland benötigt zur vollständigen Substitution der russischen Erdgasimporte etwa 55 der 588 größeren LNG-Tankschiffe5 (Stand Ende 2021, Schiffe >50.000 m³). Die notwendige Importterminalkapazität könnte über fünf bis sechs FSRU abgedeckt werden, Deutschland plant aktuell die Anschaffung von vier schwimmenden Speicher- und Regasifizierungseinheiten.
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