Lausitzer Mythen: Lausitzische Merckwürdigkeiten – Budißin
Budißin, insgemein Bauzen genannt,
Ist die Haupt-Stadt in Ober-Lausitz, und lieget 6. Meilen von Görlitz und Zittau, 7. Meilen von Dreßden, 3. Meilen von Löbau, Camentz und Bischoffswerda, an der Spree.
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Von Samuel Grosser
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Das Schloß muß bey 200. Jahren eher als die Stadt erbauet worden seyn, iedoch nicht eben an der Stelle, wo ietzt das Schloß Ortemburg steht, sondern auff dem so genannten Protzschen-Berge gestanden haben. Und die eigentliche Erbauung wird von Aventino und Pantaleone Marggraf Radbodo zugeschrieben.
Der Anfang der Stadt Budißin ist also bald im 9ten Seculo von denen Nachfolgern Kayser Caroli M. angeordnet worden. Denn weil die Böhmischen Hertzoge bereits einen Marck-Flecken daselbst angeleget hatten, wurde derselbe nach und nach in bessern Stand gesetzet: und sonderlich [58] unter denen Sächsischen Kaysern Heinrico Aucupe und seinen Nachkommen so weit gebracht, daß sie einen feindlichen Anfall aushalten, und also von Dithmaro Martisb. in seinem Chronico mit Recht eine Stadt genennet werden konte.
Ob sie nun wol bey denen Pohlnischen und andern feindlichen Einbrüchen kurtz darauff bald wieder in grosse Decadenz gerathen, so haben doch die unter denen Fränckischen Kaysern Heinrico IV.und V. zum Besitz der Ober-Lausitz gelangte Böhmische Hertzoge und Könige derselben sehr sorgfältig wieder auffgeholffen.
Vornehmlich ließ sich Sobieslaus I. Anno 1125. gar sehr angelegen seyn, diese Stadt so haltbar zu machen, daß man im Fall der Noth auff dem Schlosse eine sichere Retirade haben könte. Wie dann auch Uladislaus II. Anno 1175. bey der sich wider ihn in Böhmen entsponnenen Verfolgung, sich mit seiner Gemahlin, Kindern und beweglichen Gütern nach Budißin auff das Schloß Ortemburg in Sicherheit begab. Das Schloß liegt zwar nahe an der Stadt, iedoch auff einem besondern Felsen, und wird also durch einen tieffen Graben und darüber gehende Zug-Brücke von der Stadt entschieden.
Anno 1400. gerieht es durch unvermuthete Feuers-Brunst gäntzlich in die Asche: und wurde erst unter der Regierung Königs Matthiae von dem damaligen Land-Voigt, Herrn George von Stein Anno 1483. wiederum zu bauen angefangen, und binnen 4. Jahren in gar guten Stand gebracht. Wiewol Anno 1621. gerieth es durch Verwahrlosung der darauff liegenden Churfürstlichen Besatzung, abermal in Brand, also, daß es wiederum bis nach dem Münsterischen Friedens-Schlusse wüste liegen muste. Denn weil Lausitz binnen der Zeit vom Kayser Ferdinando II. dem Chur-Hause Sachsen erblich überlassen worden war: liessen Seine Churfürstliche Durchlauchtigkeit Johannes Georgius I. Christmildesten Andenckens Anno 1648. durch dero verordneten Land-Voigt Herrn Curt Reinicke, Freyherrn von Callenberg, zu dessen Reparation zulängliche Anstalt machen.
Die Stadt hat hohe starcke Mauren, feste Rondele, hinter diesen einen geraumen Zwinger, und so dann wieder eine mit Rondelen versehene Mauer: ingleichen haben auch die mit besondern Mühlen, Mauern, Thürmen und Thoren versehene Vorstädte, einen ziemlich breiten gefütterten Graben. Die Ein- und Ausfahrt in die Stadt, geschieht durch 4. Thore, so da sind das Reichen- Löwen- Windische- und Schüler-Thor. Neben diesen sind auch noch 2. Pforten, nemlich die Niclas- und Taschen-Pforte.
Die Dom-Kirche St. Petri hat im 13den Seculo Bischoff Bruno III. zu Meißen erbauet: und der Gottesdienst wird so wohl nach Evangelisch- als Römischen Gebräuchen darinnen abgewartet.
Denn nachdem sich das Evangelium so ausgebreitet, daß die meiste Bürgerschafft demselbigen anhieng: ward Anno 1583. mit dem Herrn Decano und dem Dom-Capitel ein Vergleich getroffen, Krafft dessen dem Römischen Kirchen-Dienste der Chor, nebst dem hohen Altar, wie auch einer besondern Cantzel und Orgel: dem Evangelischen aber der übrige und grössere Theil zugesprochen ward.
Wenn also der Evangelische Gottesdienst um die abgeredete Zeit aus ist, nimmt der Römische seinen Anfang. Ausser dieser Haupt-Kirche hat es noch die Kirche zu St. Michaëlis, zu St. Nicolai, das Hospital-Kirchlein vor dem Reichenbacher-Thore, die Begräbniß-Kirche auff dem Taucher, und die Kirche vor dem Löwen- oder Lauen-Thore. Ingleichen hat auch die Römische Gemeine auff dem Saltz-Marckte vor dem Reichenbacher-Thore eine feine Kirche, darinnen Wendisch gepredigt wird.
Das Land-Hauß auff der Schloß-Gasse ist Anno 1659. gantz neu auffgeführet, aber durch Verwahrlosung Anno 1664. wieder eingeäschert, und also nachmals wieder auffgebauet worden.
Die erste Auffbauung des Rathhauses ist nicht eigentlich bewust: iedoch ist es unter denen Königen, Georgio, Matthia, Uladislao und Ludovico, nach und nach mit beqvemern Gemächern, Gewölben, Kellern, Reichkramen, wie auch einem schönen Thurm versehen worden. Die Thore und Pforten haben gleichfalls ihre schöne Thürme. Denn der Löwen-Thurm wurde Anno 1400 zu bauen angefangen: und ob gleich der Herr Land-Voigt George von Stein, sich beklagte, daß die Steine, so er zum Schloß-Bau gewiedmet, dazu angewendet worden, dennoch auff E. Rath gethanen unterthänigsten Bericht, vom König Georgio gut gesprochen.
Der Reichen-Thurm wurde Anno 1490. der Wendische Anno 1492. der Nicolai-Thurm Anno 1522. nebst dem Thurme über die Nicolai-Pforte vor die Hand genommen. Um eben diese Zeit war auch die Decaney gar baufällig.
Darum ließ sie der damalige Decanus Herr Caspar Emmerich Anno 1521. von Grund auff neu auffführen: und weil dieser Bau auch nicht mehr allzu sicher tauern, sondern hin und wieder wanckelbar werden wolte, haben Seine [59] Hochw. und Gnaden, Herr Lucas von Vitzky etliche Jahre vor ihrem Tode die Decaney zu repariren angefangen, auch durch ihre Sorgfalt den Bau so poussiret, daß sie ausser ihren andern Proben einer rühmlichen Administration sich auch hierdurch ein unvergeßliches Andencken gestifftet haben.
Die Schule wurde von E. Rath Anno 1540. in der Pastey an dem Graben, gegen die Tuchmacher-Gasse angelegt, und so wol mit 3. geraumen Auditoriis, als auch zulänglicher Wohnung vor die Rectores versehen: und ist seither der Zeit, so wohl wegen der gelehrten und fleißigen Docentium, als auch wegen der austräglichen Gestiffte, vor die armen und bedürfftigen Discentes weit und breit in grossem Ruff gewesen. Weil auch E. Rath nach dem Beyspiel anderer berühmten Städte, aus sonderlichem Mitleyden gegen verlassene Waysen-Kinder, auff derselben Erziehung dachte: ward bey dem Ausgange des vorigen Seculi vor dem Lauen-Thore ein zwar nicht prächtiges, doch aber ansehnliches und geraumes Waysen-Hauß gebauet: in dem die verwayseten Kinder zuforderst in der Pietät, Lesen, Schreiben und Rechnen: anbey aber auch in allerhand Hand-Arbeit getreulich unterwiesen werden. Ausser diesen bis anher erzehlten Aedificiis publicis giebt es auch unterhalb dem Schlosse eine schöne Mühle mit 16. Gängen: ingleichen auch noch andere, als eine Walck- Drath- Schleiff- und Paper-Mühle, nicht minder auch einen Kupffer-Hammer. Sonst ist die gute Stadt durch Krieg und Feuers-Brunst zu unterschiedenen malen hefftig mitgenommen worden.
Denn Anno 1400. brannte am Tage Petri Kettenfeyer die gantze Stadt samt dem Schlosse und Burglehn bis auff 50. Häuser ab.
Als die Hußiten A. 1413. mit 40000. Mann anrückten, gieng die gantze Vorstadt und halbe Wendische Gasse im Feuer auff: ingleichen ward auch Anno 1598. den 2. Julii, am Tage Mariä Heimsuchung, das Closter samt der Kirche, Thurm, Glocken, 15. Häusern in der Stadt, und 27. Häusern nebst 9. Scheunen auff dem Taschen-Berge eingeäschert. Anno 1607. betraff dergleichen Feuer-Schaden den 25. April die gantze Seidau, Drath-Mühle und Vorwerge.
Anno 1620. muste die gantze Vorstadt, wie auch der dritte Theil der Stadt dem Feuer unterliegen.
Doch der in dem gantzen dreyßig-jährigen Kriege in dieser Stadt geschehene entsetzlichste Brand-Schaden geschahe Anno 1634. zwischen den Sonntagen Misericordias Domini und Jubilate. Denn damals hatte sie der Kayserliche Oberste Golz mit seiner untergebenen Mannschafft besetzt. Als nun der Sächsische General Arnimb davor rückte und die Stadt aufforderte, ließ der Obriste Golz die Seydau, Fischer-Gasse und Bißel-Vorstadt anstecken. Es erhub sich aber ein Wind, der das Feuer in die Stadt trieb, also daß die Reichen-Gasse, Windische Gasse, nebst der Schloß-Gasse angieng: und wegen der immer weiter um sich fressenden Gluth, in einer halben Stunde, die gantze Stadt, samt allen haupt-Gebäuen darnieder lag. Denn was nicht von sich selber brennen wolte, wurde von den Croaten vollends angesteckt.
Dahero konte weder die Thum-Kirche nebst dem schönen 160. Ellen hohen und mit Kupffer bedeckten Thurme, noch das mit vielen uralten brieflichen Urkunden versehene Rathhauß, ja auch nicht einmahl das im Zwinger abgelegene Schul-Gebäue mit den mordbrennerischen Anschlägen verschonet bleiben.
Ob sich nun wol die arme eingeäscherte Stadt nach und nach wiederum erholete, so gieng doch die Feuers-Noth Anno 1664. bereits wieder an, indem nicht nur das Land-Hauß, sondern auch die Seydau wieder eingeäschert ward. Nicht minder wurden Anno 1686. den 3. Julii bey 300. Häuser, durch ein aus Verwahrlosung entstandenes Feuer, in und ausser der Stadt auffgerieben.
Anno 1704. gerieth das Rathhauß in Brand, und kam der Gestalt nicht nur um seinen Thurm und Stunden-Glocke, sondern auch um seine Giebel und meisten obersten Gemächer.
Welcher Brand denn ein Vorbote eines bald darauff erfolgten grössern Feuer-Schaden war. Denn Anno 1709. gieng den 22. Augusti ein solch Feuer auff, durch dessen überhand nehmende Wuth das Hauensteiner-Gäßlein, die gantze Reichen- Kessel- Hinter- Kessel- und halbe Lauen Gasse, das meiste vom Marckte, der halbe Fleisch-Marckt, die Korn-Gasse, die Wendische- Schüler- und Fleischer-Gasse, der Reichen-Thurm, der Schulhof, die Stein-Gasse, das äußerste Reichen-Thor, der Schwein-Marckt, die Töpffer-Gasse, das neue Gäßlein, der Wendische Graben, der Taschen-Berg, die Gerber-Gasse, jämmerlich in die Asche gelegt wurden.
Daß nun diese, so vielen Brand-Schaden erlittene Stadt, sich dennoch immer wieder auffraffen, und sonderlich bey diesen ietzigen Krieges-Läufften und Geld-Klemmen Zeiten, wie ein verjüngter Phoenix, aus dem Schutt und aus der Asche wieder empor heben [60] können: ist, nächst der erbarmenden Güte GOttes, auch der guten Nahrung zuzuschreiben.
Denn weil sie der Haupt-Ort ist, da von denen Herren Ständen jährlich drey Ordinair-Land-Täge, nebst dem Judicio Ordinario und Hof-Gerichte gehalten: auch von dem Ober-Amte, der Lands-Hauptmannschafft und dem zur Decaney gehörigen Consistorio stets solche Expeditiones vorgenommen werden, derentwegen eine grosse Frequenz von auswärtigen Personen gespühret wird: auch anbey eine grosse Zufuhre aus Böhmen und Nieder-Lausitz von Getreyde und andern Victualien dahin geschieht: ingleichen das Commercium mit Leinwand, Tuchen, Stricker-Arbeit, u.d.g. wegen der beqvemen Situation zur Verkehrung in die Nähe und Ferne, in gar gutem Flor steht: haben die Innwohner nicht nur sattsame Gelegenheit bequem zu leben, sondern auch ihre Brau-Nahrung und andere Handthierung mit gutem Vortheil anzubringen.