Lausitzer Mythen: Der Schatz im kirschauer Raubschlosse
Ungefähr zwei Stunden von Budissin, bei’m Dorfe Kirschau, erheben sich in einer anmuthigen Gegend einige Berge, auf deren einem sich von Osten gegen Süden – ungefähr 89 Schritte hin – einige wenige Trümmer, bestehend in einem verfallenen Thore, dessen Höhe ehedem gegen acht Ellen betragen haben mag, jetzt aber, wegen des aufgehäuften Schuttes, kaum vier Ellen mißt.
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Die Breite des auf der Südseite liegenden Thores beträgt ungefähr fünf Ellen. Neben diesem ersten Thore ist auf der rechten Seite ein zweites, ebenfalls vernichtetes Thor zu bemerken, bis zu welchem vielleicht die zerstörte Brustwehr zur Vertheidigung des Hauptthores gegangen seyn mag. Auch von diesem Thore stehen nur noch Bruchstücke bis zum Schwibbogen hin. Einige Schritte weiter, den Berg hinan, stößt man noch auf ein Thor, von welchem aber nur noch die rechte Seite oben auf dem Berge vorhanden, indem die linke i. J. 1804 in das gleich neben anliegende Thal hinabgerollt ist. Von einem Wappen oder andern Zeichen ist keine Spur vorhanden. Mit diesem Thore scheint nun noch ein anderes verbunden gewesen zu seyn, welches ungefähr vierzig Schritte von letzterm entfernt liegt und wahrscheinlich das Hauptthor der Burg gewesen seyn mag. Es befindet sich fast ganz auf des Berges Höhe, kehrt sich jedoch nach Süden. Das Schloß selbst mag sich der Länge nach auf des Berges südwestlicher Seite hingezogen und so viel sich bis jetzt ungefähr ausmitteln läßt, gegen acht und vierzig Schritt Länge und sechszehen bis zwanzig Schritte Breite enthalten haben. Auf der östlichen Seite des Schlosses gewahrt man auf dem Gipfel des Berges einen, von einer ringsum laufenden Mauer eingeschlossenen Raum, welcher wohl der Schloßhof gewesen seyn mag. Jetzt ist dieser Platz unter dem Namen des Gartens bekannt und seine Länge beträgt von Ost nach West acht und vierzig, von Süd gen Nord sechs und funfzig Schritte, seine Gestalt ist fast zirkelförmig. Die auf der östlichen Seite ihn umschließende Mauer hat daselbst noch jetzt eine Höhe von fünf, auf den übrigen Seiten kaum von zwei Ellen, und gegen das Schloß, d. i. nach Südwest zu, ist nichts von Mauerwerk zu bemerken. An der östlichen Hofmauer zeigt sich dicht an der Aussenseite ein rundes Gemäuer von einigen Ellen im Durchmesser, welches für einen Brunnen ausgegeben wird, wohl aber die Reste von der Burgwarte seyn mögen. Auf der westlichen Seite findet man noch eine Oeffnung, deren Weite zwei Ellen, die Vertiefung aber fünf und zwanzig Schritte beträgt, wovon die Sage meldet, daß sie zu einem unterm Spreebette bis auf die Budissiner Straße hinter Postwitz leitenden, unterirdischen Gange geführt habe. Wahrscheinlicher aber ist es, daß man daselbst Nachgrabungen nach Schätzen oder Anlegung eines Bergwerks bezweckt habe. Weit über achtzig Ellen tief, im Abgrunde, fluthet die eingeengte Spree über regellos hingerollte Steinwacken. Gegenüber liegt der Mühlberg, über welchen die Straße von Budissin nach Schirgiswalde führt.
Unbekannt ist das Jahr der Entstehung dieses Raubnestes, unbestimmt das von seiner Zerstörung. Wahrscheinlich fiel letztere in die Jahre 1323, 1337, 1351 oder 1359.
Seine Erbauung wird einem Fräulein von Steinkirch, so wie die der Schirgiswalder Kirche dem Fräulein von Kostitz, ihrer Freundin, zugeschrieben, wobei Letztere gegen Erstere geäußert haben soll: „Wie ihr Schaafstall (Kirche) eine längere Dauer, als ihr Felsennest haben würde.“ Nach Ableben des Fräuleins v. Steinkirch gerieth die Burg in fremde Hände und da deren Besitzer durch die Wegelagerungen die Gegend beunruhigten, sahe man sich höchsten Orts genöthiget, ernste Maasregeln zu ergreifen; daher denn auch diese Burg das Schicksal anderer Raubnester erfuhr und im eigentlichen Wortsinne bis auf den Grund zerstört wurde.
In dieser Gegend nun ist es nicht geheuer, indem zu gewissen Zeiten, vorzüglich um die Frühjahr- und Herbst-Tag- und Nachtgleiche, sich furchtbare Gestalten sehen lassen, man vernimmt Kettengerassel und Schwertgeklirr, welches mit Jammertönen und dumpfem Gewimmer abwechselt. Oft hört man aber auch Stimmen, wie bei lärmenden Gelagen, Humpengeklirr, schallendes Gelächter und wilder Gesänge Melodieen. Hier, im Schooße der Erde, ruhet nun ein großer eiserner Kessel, gefüllt mit Gold und Goldeswerth, welchen man in der Nacht von Petri Kettenfeier unter gewissen Zauberformeln, wobei man einen schwarzen Kater, schwarzen Hahn und schwarze Schlange schlachtet, ihr Blut auf die Erde träuft, bei Bilsenkraut (hyoscyamus niger) verbrennt und die Asche in die vier Weltgegenden streut, heben kann.
Im Jahre 1602 wagte es ein Bauer mit Hilfe seines Sohnes diesen Schatz zu heben, begann die Beschwörung, welche – nach der Aussage seines Sohnes – in so weit glückte, daß sich der Berg öffnete und der Kessel sichtbar wurde; allein da der gute Landmann etwas von den Zauberformeln vergessen hatte, oder sie nicht gehörig aussprach, erschien ein schwarzer furchtbarer Ritter mit blutrothem Helmbusch. Feuer flackerte aus der Erde und eine schauderhafte Stimme rief: „Wehe, wehe! Dir und Deinen Thaten!“ Ein Donnerschlag erfolgte, der Schatz verschwand, der Sohn ergriff die Flucht und den Vater fand man am andern Morgen mit umgedrehtem Halse und schwarzem Gesichte in dem sogenannten Garten entseelt.