Lausitzer Geschichte: Der Kälberberg bei Elstra

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Eine halbe Stunde westlich von Elstra erhebt sich der Kälberberg, der mit zu denjenigen Höhen gehört, die sich zwischen Bischofswerda und Kamenz hinziehen und aneinanderreihen, wie die Glieder einer Kette und im Volksmunde vielfach als die „Sieben Berge“ bezeichnet werden.

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Von Friedrich Bernhard Störzner

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Der steilste, wenn auch nicht der höchste unter ihnen, ist der Kälberberg. Er hat nur eine Höhe von 363 Meter. Ueber und über ist er mit Wald bedeckt. Von Westen her ist der Berg leicht zugänglich, nicht aber von den anderen Seiten. Nach Norden, Osten und Süden hin sind die Abhänge so steil, daß man von hier aus nur mit Anstrengung ihn ersteigen kann.

An den Fuß des eigentlichen Kegels schmiegt sich das Dörfchen Boderitz, das zu den Ortschaften zählt, welche man als das Wohlaer Ländchen bezeichnet. Von Boderitz aus ist die Höhe des Kälberberges in 20 Minuten zu erreichen, freilich nach einem sehr steilen Aufstiege. Doch die gehabte Anstrengung wird reichlich belohnt; denn der Fernblick vom Kälberberge ist ein entzückender, besonders nach Nordosten hin, da hier der aufragende Wald den Ausblick nicht hemmt. Im Sonnenglanze blitzen die Spiegel der seeartigen Teiche bei Deutsch-Baselitz herauf. Das Auge schweift weit über die Landesgrenze hinaus. Den Horizont schließen die ausgedehnten Waldungen bei Hoyerswerda ab. Selbst das Spreewaldgebiet ist deutlich zu erkennen.

An den nordöstlichen Fuß schmiegen sich die Dörfchen Welka und Wohla, letzteres mit einem bedeutenden Rittergute. Unten aus dem Tale der Schwarzen Elster grüßt das idyllisch gelegene Dorf Prietitz mit seinem „Haingarten“, der den Burgberg bedeckt. Aus derselben Richtung grüßt das Nonnenkloster St. Marienstern herüber. Nach Süden zu schweift der Blick durch die Lichtungen des Waldes in die Bischofswerdaer Gegend. Das Auge erblickt die Orte Gödlau, Rauschwitz, Kindisch, Burkau, ferner den Butterberg bei Bischofswerda und den Valtenberg bei Niederneukirch.

Zu der Nachbarschaft des Kälberberges gehören in nördlicher Richtung der Wohlaer Berg, der Eulenstein, der Hennersdorfer Berg, in westlicher und südlicher Richtung der Brandhübel, der Heilige Berg und der 411 Meter hohe Schwarze Berg bei Rehnsdorf.

Die Höhe des Kälberberges bildet einen 500 Schritte langen Kamm, der von Osten nach Westen gerichtet ist und dachfirstartig verläuft. Er bildet eine Art Felsengrat, der hie und da sogar sehr scharf sich hervorhebt und aus gewaltigen Felsenplatten gebildet wird, die nach Norden zu spitzwinklig geneigt sind, als habe eine von Süden kommende Welle dieselben aufgerichtet. Wie eine Mauer nehmen diese Felsen sich aus, besonders von Norden her betrachtet. Der östliche Teil dieses Kammes bildet ein 80 Schritte breites und 150 Schritte langes Plateau, dessen nördlicher Rand von haushohen, fast senkrecht abfallenden Felsen gebildet wird. Auf der West-, Süd- und Ostseite wird dieses Plateau von einem 8 bis 12 Meter tiefen Graben umgeben, dessen äußerer Abschluß ein 5–8 Meter hoher Wallkamm ist. Fünfzig Schritte unterhalb desselben nimmt man am Bergabhange abermals einen Graben und Wall wahr. Da, wo nach Osten zu das eigentliche Plateau beginnt, ist der Felsengrat durchstochen. Es kommt hier zur Bildung eines 10 Meter tiefen und 8 bis 16 Meter breiten Grabens. Der untere Umfang des Plateaus beträgt 700 Schritte, der Wallkamm hat noch eine Länge von ungefähr 500 Schritten. Auf dem Plateau sind mehrere 3–4 Meter tiefe trichterförmige Gruben vorhanden.

Diese eigentümliche und auffällige Beschaffenheit des Plateaus spricht deutlich dafür, daß die Höhe des Kälberberges in früheren Zeiten befestigt gewesen sein muß. Die Sage erzählt auch von einer Burg, die einst hier oben gestanden habe. Die auf dem Plateau umherliegenden Steine wären noch Reste des ehemaligen Mauerwerkes. Jene Gruben sollen die Cysternen und Brunnen gewesen sein. Ganz wahrscheinlich haben wir auf dem Kälberberge die Reste einer Heidenschanze vor uns, wie solche in der näheren und weiteren Umgebung vorhanden sind, z. B. unten in Wohla, in Boderitz, in Prietitz, drüben in Ostrow, auf dem Ohorner Steinberge, auf dem Sibyllensteine. Nach dem Umfange und der doppelten Umwallung zu schließen, muß die Schanze auf dem Kälberberge eine der größten und wichtigsten in der weitesten Umgegend gewesen sein, dazu aber auch gewiß eine der festesten und sichersten; denn dafür spricht schon die ganz vorzügliche Lage, wie sie die Natur nicht besser schaffen konnte. Darum bildete die Schanze auf dem Kälberberge in den Zeiten der größten Gefahr für die Umwohner eine sichere Zuflucht. Von hier oben aus war das umliegende Gelände meilenweit zu überschauen. Den nahenden Feind konnte man rechtzeitig erspähen. Die Schanze auf dem Kälberberge zu erstürmen, das wird dem Feinde wohl schwer gelungen sein; denn die steilen Abhänge und die doppelte Umwallung waren kaum zu überwindende Hindernisse.