Kriegswirtschaft: “Ein industrieller Krieg mit Massenarmeen war auf längere Zeit ohne eine Mobilisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft nicht durchzuhalten”

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Die Zeitenwende ist angebrochen. Die Debatten um eine allgemeine Dienstpflicht wollen nicht verstummen. Zeitgleich gehen andere schon zwei Schritte weiter und fordern: Kriegswirtschaft. Doch viele Menschen können sich unter einer Kriegswirtschaft wenig vorstellen. Das anschaulichste Beispiel einer Kriegswirtschaft stellt sicherlich der Erste Weltkrieg dar.

“Erste Weltkrieg wurde nicht nur auf den Schlachtfeldern ausgetragen, sondern auch in den Fabriken und Bauernhöfen”

>>14 – Der große Krieg von Oliver Janz (Buch) <<

“Kriegswirtschaft, Arbeit und Frauen – Der Erste Weltkrieg wurde nicht nur auf den Schlachtfeldern ausgetragen, sondern auch in den Fabriken und Bauernhöfen, in den Banken, Häfen und auf den Eisenbahnlinien. Ein industrieller Krieg mit Massenarmeen war auf längere Zeit ohne eine Mobilisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft nicht durchzuhalten. Darauf war keine der beteiligten Nationen vorbereitet, schließlich hatten die militärischen Planungen überall mit einem kurzen Krieg gerechnet. Doch die Vorräte an Waffen und vor allem an Munition gingen rasch zur Neige, auf französischer Seite schon Mitte September, im deutschen, britischen und russischen Heer gegen Ende Oktober. So begannen alle beteiligten Länder schon bald, ihre Volkswirtschaften auf die Erfordernisse eines längeren Krieges umzustellen. Der Staat griff nun überall in einem bisher völlig unbekannten Ausmaß in Wirtschaft und Gesellschaft ein. Der Weltkrieg markiert daher in vieler Hinsicht das Ende des liberalen Zeitalters mit dessen Betonung der Grenzen des Staates und der Selbstregulierung von Wirtschaft und Gesellschaft.”

“Ein industrieller Krieg mit Massenarmeen war auf längere Zeit ohne eine Mobilisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft nicht durchzuhalten”

Natürlich war während des Erste Weltkriegs nicht nur der Verbrauch an Waffen und Munition sehr hoch, sondern eine Armee muss – vereinfacht – mit Gütern des täglichen Bedarfs versorgt werden. Unter Kriegsbedingungen kommt naturgemäß nicht alles an der Front an. Hinzu kommt: Verschleiß und Zerstörung sind als wichtige Faktoren mit einzukalkulieren.

Auch während des Zweiten Weltkriegs wurde auf das Mittel der Kriegswirtschaft zurückgegriffen

Auch während des Zweiten Weltkriegs wurde auf das Mittel der Kriegswirtschaft zurückgegriffen. Bis auf Detailfragen sah die wirtschaftliche Lage für Bevölkerung – wie bei praktisch allen Kriegswirtschaften – doch sehr ähnlich aus. Zu allen Entbehrungen kommt noch die innere Logik der Kriegswirtschaft hinzu. Es wurde mit drakonischen Straften gedroht.

“Auf Wunsch Speers unterzeichnet Hitler am 19. Februar 1942” – “Verordnung des Führers zum Schutze der Kriegswirtschaft”

>>Albert Speer von Karl-Wilhelm Rosberg (Buch) <<

“Auf Wunsch Speers unterzeichnet Hitler am 19. Februar 1942 die „Verordnung des Führers zum Schutze der Kriegswirtschaft“. Darin heißt es unter anderem: „Wer wissentlich falsche Angaben über für die Kriegsführung benötigte Rohstoffe, Materialien, Maschinen, Geräte und Lagerhaltung oder über den Bedarf an Arbeitskräften macht oder wer derartige Anforderungen willkürlich erhöht, wird mit Zuchthaus, in besonders schweren, die Kriegswirtschaft beeinträchtigenden Fällen, mit dem Tode bestraft.“ Die Entscheidung über derartige Fälle liegt natürlich beim Rüstungsminister und gibt Speer bis zum Ende des Krieges ein Mittel in die Hand, das ihm Respekt, ja Furcht einflössend dienen wird.”

Kriegswirtschaft: “Speer bis zum Ende des Krieges ein Mittel in die Hand, das ihm Respekt, ja Furcht einflössend dienen”

Allgemein wird die Kriegswirtschaft mit Ersten und Zweiten Weltkrieg in Verbindung gebracht. Als ausschlaggebendes Merkmal wird häufig die Industrialisierung angesehen. Doch es ist so nicht richtig. Schon während des Dreißigjährige Krieges wurde schon von einer Kriegswirtschaft gesprochen.

Kriegswirtschaft im Dreißigjährige Krieg: “Argumentation mit «Notstand» und «Notwendigkeit» sorgte für einen kontinuierlichen Machtzuwachs”

>>Der Dreißigjährige Krieg von Georg Schmidt (Buch) <<

“Das für die wirtschaftspolitischen Aktivitäten notwendige Geld besorgten sich alle Staaten über Zwangsanleihen und Entschuldungsprogramme. Der Reichsabschied von 1654 bestimmte, dass 75 Prozent der Schuldzinsen gestrichen werden durften. Leidtragende waren die Gläubiger, besonders Stadtbürger und Stiftungen, von denen viele in den Ruin getrieben wurden. Die vertraute Argumentation mit «Notstand» und «Notwendigkeit» sorgte für einen kontinuierlichen Machtzuwachs der Landesherren und ihrer Regierungen. Die Staatsräson verlangte höhere Steuern, und die Landesherren perpetuierten in absolutistischer Manier die ihnen im Krieg zugefallenen «Notstandsrechte». Die dagegen opponierenden Stände wurden als Vertreter von Partikularinteressen angeprangert und zurückgedrängt. Was in Deutschland weder im noch nach dem Krieg stattfand, war eine großflächige wirtschaftliche Modernisierung. Während die schwedische Kriegswirtschaft vor allem im Montangewerbe einen Strukturwandel initiierte und sich das «goldene» Zeitalter der Niederlande auch aus den immensen Kriegsgewinnen erklärt, wurden in Deutschland die vom Krieg ausgehenden Wirtschaftsimpulse etwa für die Metallgewinnung und -verarbeitung durch neue Zerstörungen immer wieder in Frage gestellt.”

“Während die schwedische Kriegswirtschaft vor allem im Montangewerbe einen Strukturwandel initiierte”

Faktisch wurde bereits im 17. Jahrhundert das Konzept einer Kriegswirtschaft bis zum bitteren Ende durchgespielt. Der Dreißigjährige Krieg ist mit der völligen Erschöpfung aller Kriegsparteien geendet. Es wurde eine – vereinfacht – allgemein Amnesie vereinbart und alle Grenzen – so gut es ging – auf die Ausgangslage zurückverlegt. Und auch Napoleon machte sich im 19. Jahrhundert die Kriegswirtschaft zu nutze.

Kriegswirtschaft unter Napoleon: “Es fehlten Schuhe, Uniformen, Pferde und Munition für die Artillerie”

>>Die Schlacht von Klaus-Jürgen Bremm (Buch) <<

“Napoleons Behauptung in seinen Memoiren, er habe somit zum 1. Juni 559.000 Mann unter Waffen gehabt, stimmt allerdings nur bedingt. Tatsächlich bewaffnen konnte er vorerst nur wenig mehr als die 217.000 Soldaten seiner Feldarmee. Zwar waren die Bataillone, die unter Ludwig XVIII. aktiven Dienst geleistet hatte, ausreichend ausgerüstet. Doch für die Neuaufstellung gab es kaum 200.000 Musketen in den Depots, die zu einem Drittel auch noch reparaturbedürftig waren. Es fehlten Schuhe, Uniformen, Pferde und Munition für die Artillerie, deren Bedarf auf immerhin 600.000 Ladungen geschätzt wurde. Gestützt auf 50 Mio. Franc, die der bourbonische Finanzminister, Baron Joseph Dominique Louis, zu Börsenspekulationen zur Seite geschafft hatte und die nach seiner Flucht in der Staatskasse gefunden worden waren, erweckte Napoleon die französische Kriegswirtschaft wieder zum Leben.”

“Erweckte Napoleon die französische Kriegswirtschaft wieder zum Leben”

Man muss in dieser Hinsicht auch die Relationen bedenken: Anfang des 19. Jahrhundert haben weit weniger Menschen in Europa gelebt. Doch die Eigenschaften einer Kriegswirtschaft haben sich über die Jahrhunderte nur wenig geändert. Und nun soll wieder soweit sein.

“Deutschland braucht die „Kriegswirtschaft“!” 

>>Bild<<

“Deutschland braucht die „Kriegswirtschaft“! – Ischinger sieht auch einen politischen Grund, um von „Kriegswirtschaft“ zu sprechen: „Offenbar haben allzu viele noch nicht begriffen, dass wir erst am Anfang der Zeitenwende stehen, und dass es tatsächlich richtigen Krieg mitten in Europa gibt, dessen Ende leider nicht absehbar ist.“

“Europa schaltet auf Kriegswirtschaft”

>>Spiegel<<

“Europa schaltet auf Kriegswirtschaft – Abschotten in der Festung Europa? Das wäre ein Fehler: Wo wir jetzt Rohstoffe und Energie herbekommen – und was die richtige Strategie für die Zukunft ist.”

“Wo wir jetzt Rohstoffe und Energie herbekommen”

Natürlich ist nirgendwo eine verbindliche Definition einer “Kriegswirtschaft” niedergeschrieben. Aber alleine die vielen Eingriffe des Staates auf die wirtschaftliche Entwicklung lassen schon heute tief blicken.