Iran: Oberstes Gericht lässt Christen hoffen
Häufig verwendete Urteilsbegründung gegen Christen auf dem Prüfstand
Am 24. November hat der Oberste Gerichtshof Irans eine Überprüfung der Urteile gegen neun christliche Konvertiten angeordnet. Im Blickpunkt der Kritik steht dabei die Urteilsbegründung. Die bevorstehende Neuverhandlung weckt Hoffnungen auf eine Aufhebung der harten Strafen und womöglich eine Neuausrichtung der Rechtsprechung im Blick auf Christen.
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Von Open Doors
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„Förderung des Christentums ist kein Verbrechen“
Khalil Dehghanpour, Hossein Kadivar, Pastor Abdolreza (Matthias) Haghnejad, Kamal Naamanian, Mohammad Vafadar, Mohammad (Shahrooz) Eslamdoust, Babak Hosseinzadeh, Mehdi Khatibi und Behnam Akhlaghi, Mitglieder einer Hauskirche in Irans nördlicher Stadt Rascht, wurden im Januar und Februar 2019 verhaftet. Neun Monate später, im Oktober, wurde jeder von ihnen wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit durch die Förderung des christlichen Zionismus“ zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Sie legten gegen ihre Urteile Berufung ein, jedoch ohne Erfolg.
In seinem Urteil vom 3. November, das erst am 24. November verkündet wurde, erklärte der Oberste Gerichtshof in der iranischen Hauptstadt Teheran, dass die Entscheidung der Vorinstanz revidiert werden müsse. Als Begründung wird laut Middle East Concern (MEC) darauf verwiesen, dass die Förderung des Christentums und der „zionistischen Evangelisation“ in Privathäusern nicht den Tatbestand von „Versammlungen und geheimen Absprachen gegen die innere oder äußere Sicherheit“ erfüllen würden. MEC fasst weiter zusammen, dass der Fall der neun Männer nicht „der in den Artikeln 499 und 500 des Strafgesetzbuches hinterlegten Definition von Gruppen“ entspreche, die darauf abzielen, die nationale Sicherheit zu stören. Darüber hinaus dürfe die Förderung des Christentums und die Gründung einer Hauskirche nicht als Verbrechen angesehen werden.
Ausgang der Revision völlig offen
Der Oberste Gerichtshof hat eine Neuverhandlung vor einem Revolutionsgericht angeordnet, die zur Freilassung der neun Christen führen könnte. „Wir gehen an diese Nachricht mit einem gewissen ‚vorsichtigen Optimismus‘ heran, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist“, so Mansour Borji, Leiter der Rechtsabteilung von Artikel 18. „Das Revolutionsgericht muss diese Stellungnahme berücksichtigen, aber es kann seine frühere Entscheidung entweder bestätigen oder zurückziehen. Wird es bestätigt, muss der Oberste Gerichtshof es ein zweites Mal überprüfen. Während wir also dieses Urteil und sein ‚Potenzial‘ begrüßen, warten wir betend auf das Ergebnis des Wiederaufnahmeverfahrens, bei dem viele andere Faktoren eine Rolle spielen können“, sagte er.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs erging eine Woche, nachdem die Kampagne #Place2Worship auf Initiative von Hosseinzadeh und Akhlaghi ins Leben gerufen worden war; sie wird von mindestens 10 christlichen Organisationen unterstützt, darunter Open Doors. Damit soll auf den dramatischen Mangel an Versammlungsorten für viele Christen in Iran hingewiesen werden.
Ebenfalls eine Woche vor dem Urteil verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 17. November eine Resolution, in der sie auf „weit verbreitete Muster schwerer Menschenrechtsverletzungen“ in Iran hinwies, unter anderem gegen religiöse Minderheiten.
Auf dem Weltverfolgungsindex 2021 steht Iran an 8. Stelle der Länder, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.