Iran: Begnadigte Christen erneut inhaftiert

Bericht dokumentiert drastische Zunahme von Haftstrafen gegen Christen im Jahr 2024
„Wenn ich freigelassen werde, werden sie mich wieder ins Gefängnis stecken, weil ich weiterhin an Christus glaube? Werde ich wieder von meiner Familie getrennt werden?“ – So oder ähnlich besorgt äußerten sich iranische Christen immer wieder bezüglich des Vorgehens der Regierung. Die Sorgen sind begründet – wie Nasser Navard Gol-Tapeh und Joseph Shahbazian Anfang des Monats erleben mussten: Nach ihrer vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis wurden beide am 6. Februar erneut verhaftet.
___________________
Von Open Doors
___________________
Gründe für die Verhaftungen bislang unklar
Joseph (60 Jahre) und Nasser (63) waren im Zusammenhang mit ihrer Leitungsfunktion in einer Hauskirche beide zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt worden (offizielle Begründung: „Gefährdung der nationalen Sicherheit“).
Nasser wurde im Oktober 2022 nach fast fünf Jahren Haft entlassen, während Joseph im darauffolgenden September nach etwas mehr als einem Jahr im Gefängnis wieder freikam.
Am Morgen des 6. Februar wurden beide laut Informationen der Menschenrechtsorganisation Article 18 von Geheimdienstagenten in ihren Häusern in der Region Teheran erneut verhaftet und in das berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht.
Nasser verweigerte offenbar aus Protest gegen seine laut Article 18 unrechtmäßige erneute Verhaftung zunächst jedes Essen. Nach Angaben lokaler Kontaktpersonen wurde neben den beiden zeitgleich auch eine Reihe anderer Christen im Großraum Teheran festgenommen. Sie befinden sich bis auf Weiteres in staatlichem Gewahrsam. Die Gründe für die Verhaftungen sind bislang unklar.
Joseph ist Christ iranisch-armenischer Abstammung, während Nasser vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert ist. Ihre erneute Verhaftung zeigt einmal mehr, dass Christen jeglichen Hintergrunds potenzielle Ziele der Regierung sind, sobald sie ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen Christen in Hauskirchen praktizieren.
Haftstrafen gegen Christen 2024 versechsfacht
Im Januar 2025 veröffentlichte Article 18 gemeinsam mit Open Doors, Christian Solidarity Worldwide und Middle East Concern einen Bericht über Rechtsverletzungen an iranischen Christen im Jahr 2024. Darin wird unter anderem von sechsundneunzig Christen berichtet, die im vergangenen Jahr zu insgesamt 263 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden 22 Christen zu insgesamt 43,5 Jahren Haft verurteilt.
Der Bericht trägt den Titel „Die Spitze des Eisbergs“, um darauf aufmerksam zu machen, dass zahlreiche weitere Fälle nicht gemeldet werden. (Die englische Version ist hier abrufbar.)
Eine der Empfehlungen in dem Bericht, der vergangenen Monat bei den Vereinten Nationen in Genf vorgestellt wurde, lautet, dass die iranischen Behörden „die Kriminalisierung der Organisation und der Mitgliedschaft in Hauskirchen beenden“ sollen, während eine zweite Empfehlung um Klarheit darüber bittet, „wo persischsprachige Christen frei in ihrer Muttersprache Gottesdienst feiern können, ohne Angst vor Verhaftung und Verfolgung zu haben“.
Gerade für Konvertiten aus dem Islam ist es im Iran faktisch unmöglich, gemeinsame Gottesdienste zu feiern, ohne sich dabei strafbar zu machen.