Iden des März – Die Caesarmörder

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Der Bürgerkrieg im Römischen Reich ebnete den Weg für Caesars Alleinherrschaft, die er 46 v. Chr. in die staatsrechtlich umstrittene Form der Diktatur umwandelte. Die Diktatur war ein Amt, das längst in Vergessenheit geraten war, ein Anachronismus, den Sulla zuvor vergeblich zu reaktivieren versucht hatte. Sie symbolisierte nun, dass Caesar alle Konkurrenten erfolgreich besiegt hatte, aber unklar war, wie er mit der neu gewonnenen Macht umgehen sollte, die nun allein in seinen Händen lag. An der Stelle, wo Caesars Diktatur ihren Ursprung hatte, klaffte eine erhebliche Lücke in der Verfassung der römischen Republik, was verständlich war: Nach dem Sturz des letzten Königs und der Gründung der Republik gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. hatten sich die Römer eine tief verwurzelte Abneigung gegen jede Form monarchischer Herrschaft angeeignet.

Stattdessen übernahm eine herrschende Schicht, die Nobilität, die zwar nach außen hin geschlossen auftrat und Aufsteiger wie Cicero nur widerwillig in ihren Kreis ließ, nach innen jedoch eine strenge Wettbewerbsethik pflegte. Diejenigen, die nobili genere nati waren – aus Familien stammend, die mindestens einen Konsul hervorgebracht hatten – bildeten eine Elite, in der Leistung konsequent mit Ehre belohnt wurde. Maßstab für Ehre waren die Magistraturen, honores, also eigentlich „Ehren(ämter)“, auf deren Treppe erfolgreiche Politiker Stufe um Stufe bis zum Konsulat erklommen. Die größte Ehre war es, als Inhaber eines imperium große Heere gegen auswärtige Feinde zu führen. Ein imperium hatten nur die höchsten Magistrate: Konsuln und Prätoren sowie Prokonsuln und Proprätoren; Letztere waren Magistrate, deren imperium vom Senat verlängert worden war. Pompeius verdankte 67 v. Chr. das Kommando gegen die Piraten, die das Mittelmeer unsicher machten, und Caesar führte 64 v. Chr. den Krieg gegen Mithradates von Pontos sowie zwischen 58 und 50 v. Chr. gegen die keltischen Stämme im Gallischen Krieg; Crassus kämpfte im katastrophalen Krieg gegen die Parther im Jahr 53 v. Chr.

Mit dem Triumvirat und spätestens seit Caesars Sieg über Pompeius 48 v. Chr. waren solche Möglichkeiten zur Bewährung für die Nobilität stark eingeschränkt worden. Sicherlich konnte man sozusagen auf Caesars Ticket Karriere machen, sich wie Marcus Antonius als unentbehrlich erweisen und als Stellvertreter empfehlen. Für Opportunisten bot sich ein reich gedeckter Tisch. Caesar gewährte sogar seinen Gegnern großzügig Amnestie. Wer sich ihm unterwarf, wie es Cicero tat oder Marcus Junius Brutus, dessen Mutter Caesars Geliebte gewesen war, dem war die Milde, clementia, Caesars gewiss. Der jüngere Cato jedoch verzichtete dankend auf Caesars ausgestreckte Hand und nahm sich nach dessen Sieg bei Thapsus im Februar 46 v. Chr., als er in die Enge getrieben wurde, in Utica das Leben.

Catos kompromissloses Handeln verdeutlicht die Schwierigkeiten der Angehörigen der alten Elite im System Caesar. Ehre ließ sich nur noch innerhalb eines Rahmens erwerben, den der Diktator definierte; Leistungen wurden nicht mehr vom Kollektiv der Nobilität honoriert, sondern von einer einzigen Person: Caesar selbst. Der oberste Platz war ohnehin unverrückbar für den Diktator reserviert; das Beste, was er anderen anbieten konnte, war die Position des zweiten Mannes. Es ging nicht länger um Verdienst, sondern um Gunst – keine wirkliche Alternative für einen freien Mann.

Als Caesar Anfang 44 v. Chr. sich selbst zum Diktator auf Lebenszeit ausrufen ließ, dämmerte selbst dem begriffsstutzigsten Senator, dass eine Rückkehr zum freien Wettbewerb der alten Aristokratenrepublik unmöglich sein würde; Caesar war gekommen, um zu bleiben – und um seine Machtfülle an einen geeigneten Nachfolger weiterzugeben. Um das – aus Sicht vieler Senatoren – beängstigende Szenario einer durch Hintertür eingeführten Monarchie zu verhindern, schlossen sich bereits ab 45 v. Chr. Senatoren und einige Ritter zusammen, um Caesars Ermordung zu planen.

Die Gruppe war äußerst heterogen zusammengesetzt und beinhaltete entschiedene Gegner des Diktators aus den Reihen jener, die gegen Pompeius gekämpft hatten sowie langjährige Weggefährten Caesars, die sich nun enttäuscht von ihm abwandten. Gaius Cassius Longinus avancierte schnell zum führenden Kopf dieser Bewegung. Er hatte zunächst Pompeius gedient und war dann ins Lager Caesars gewechselt; dank Caesar war er bis zur Prätur aufgestiegen. Cassius war als einziger Senator mutig genug gewesen, gegen die schmeichelhaften Ehrungen zu stimmen, die das erlauchte Gremium zum Jahreswechsel 45/44 v. Chr. für Caesar beschlossen hatte.

Eine weitere Schlüsselfigur der Verschwörung war Marcus Brutus; obwohl Caesar auch ihn gerade erst zum Prätor gemacht und ihm zuvor als Statthalter die Provinz Gallia cisalpina anvertraut hatte. Cassius’ Mut und Entschlossenheit fehlten Brutus gänzlich; er war ein nachdenklicher Idealist und Stoiker ohne Tatkraft und führte seinen Stammbaum auf den fernen Brutus zurück, der einst die Königsherrschaft gestürzt hatte.

Brutus fand durch seine Frau Porcia, Catos Tochter sowie durch seinen entfernten Verwandten Decimus Junius Brutus Zugang zum Kreis der Caesargegner. Von Caesars alten Anhängern war neben Decimus Brutus auch Gaius Trebonius, Konsul des Jahres 45 v. Chr., frühzeitig in das Komplott verwickelt gewesen; ebenso Lucius Tillius Cimber sowie Lucius Minucius Basilus und Gaius sowie Publius Servilius Casca – allesamt enge Vertraute des Diktators – verschworen sich gegen ihn trotz ihrer steilen Karrieren.

Am 18. März 44 v. Chr., dem Tag an dem Caesar seinen lange geplanten Krieg gegen die Parther beginnen wollte – ein siegreicher Heimkehr würde seine Stellung in Rom völlig unanfechtbar machen –, waren schnelle Maßnahmen erforderlich geworden; denn während dieser Kampagne wäre es kaum denkbar gewesen, Caesar zu ermorden.

Die günstigste Gelegenheit bot sich während einer Senatssitzung im Theater des Pompeius auf dem Marsfeld am 15. März – den Iden des März –, zu der Caesar eingeladen hatte. Als Zeichen seines guten Willens hatte der Diktator seine persönliche Leibgarde einen Monat zuvor entlassen; er fühlte sich sicher und dachte nicht daran, dass ihm etwas zustoßen könnte.

Er hatte seinen Feinden vergeben und wähnte sich von Freunden umgeben; der Diktator war wehrlos und Römer brachten keinen Wehrlosen um – oder etwa doch? Sueton berichtet von düsteren Vorzeichen für Caesars gewaltsamen Tod: Der Opferschauer Spurinna las in den Eingeweiden eines Tieres Warnungen vor Gefahr bis zu den Iden des März.

Ein Vogelschwarm zerfetzte einen kleinen Zaunkönig, der sich mit einem Lorbeerzweig ins Pompeiustheater geflüchtet hatte; noch in der Nacht träumte Caesar davon, über den Wolken zu schweben und Jupiter seine Rechte zu reichen; Calpurnia hingegen hatte einen Albtraum: Sie sah ihren Gatten in ihren Armen erstochen werden und wie das Dach ihres Hauses einstürzte.

Selbst dem völlig aberglaubensfernen Caesar kamen angesichts solcher düsteren Vorahnungen Zweifel daran auf, ob es ratsam sei an der Senatssitzung teilzunehmen; er zögerte seinen Aufbruch zum Pompeiustheater hinaus – dort warteten vor allem natürlich die Attentäter auf ihn – unter ihnen Decimus Brutus.

Der Mitverschworene erinnerte ihn daran welche Konsequenzen es haben könnte nicht zur Sitzung zu erscheinen; niemand wisse schließlich besser als der Diktator selbst wie schnell hochrangige Herren im Senat beleidigt seien.

Unterwegs übergab ihm ein Unbekannter eine Schriftrolle mit angeblichen Details des Attentatsplans; doch Caesar schenkte ihr keine Beachtung und steckte sie unter den Arm während er weiter Richtung Pompeiustheater ging.

Auch als ein Opfer unmittelbar vor Sitzungsbeginn Unglück verheißt besinnt er sich nicht eines Besseren; dem Opferschauer Spurinna gegenüber entgegnete er fröhlich dass nun doch endlich die Iden des März kämen ohne dass etwas von dem prophezeiten Unglück eingetroffen sei.

Damit sind – um einen berühmten Satz zu zitieren den der Diktator bei anderer Gelegenheit geäußert hat – „die Würfel geworfen“. Caesar begibt sich in den Sitzungssaal nimmt Platz und ist sofort von Senatoren umringt die ihm scheinbar ihre Aufwartung machen wollen.

Tillius Cimber tritt nah an ihn heran doch anstatt eine Bitte vorzubringen greift er Caesar bei beiden Schultern als dieser ihn wegschicken möchte; Caesar ruft noch „Das ist ja Gewalt!“, da rammt ihm einer der Casca-Brüder bereits seinen Dolch in den Nacken.

Dem Diktator gelingt es Cascas Arm zu fassen und ihn mit seinem Schreibgriffel zu verwunden; jedoch stechen immer mehr Senatoren auf ihn ein sodass es ihm nicht gelingt aufzustehen.

Caesar bedeckt seinen Kopf mit seiner Toga stößt beim ersten Hieb nur einen Seufzer aus und lässt ansonsten stillschweigend die Dolchstöße über sich ergehen; später werden einige sagen dass Caesar nur zu Marcus Brutus gesagt habe: „Auch Du mein Kind?“

Der Diktator ist tot; Caesars Allmacht hat einem Machtvakuum Platz gemacht das nun darauf wartet gefüllt zu werden – aber wer soll es füllen? Die Mörder Caesars? Sie laufen nach vollbrachter Tat aus dem Theater setzen phrygische Zipfelmützen auf wie sie Sklaven am Tag ihrer Freilassung tragen und rufen Ciceros Namen.

Doch die Römer fühlen sich nicht befreit; den Verschwörern begegnet Ablehnung ja sogar Hass; in dieser angespannten Lage verbarrikadieren sie sich auf dem Kapitol.

Sie haben ihr Ziel erreicht indem sie den beseitigt haben der ihrem Ehrgeiz im Wege stand aber sie haben nicht bedacht was nach Caesar kommen soll: Eine wiederbelebte Republik wie vor den Triumvirn und dem Bürgerkrieg? Doch auf welche Macht könnte diese sich noch stützen?

Der Diktator ist tot aber die Caesarianer sind noch da: Zunächst Marcus Antonius – ein langjähriger Gefolgsmann Caesars ist Konsul und hat somit rechtlich gesehen die höchste Gewalt inne.

Cassius wollte auch ihn töten aber Marcus Brutus sprach sich dagegen aus; dann gibt es noch Marcus Aemilius Lepidus – als Reiteroberst magister equitum Stellvertreter des Diktators Caesar – ebenfalls in Rom befindlich plant er mit seinen Soldaten das von den Caesarmördern besetzte Kapitol zu stürmen.

Antonius kann ihn jedoch davon abbringen da er bestrebt ist nach außen eine halbwegs neutrale Position zwischen Caesars Mördern und seinen Anhängern einzunehmen um seine Stellung in Rom zu festigen.

Noch am Tag von Caesars Ermordung bringt Antonius den im Tempel der Ops auf dem Forum gelagerten Staatsschatz unter seine Kontrolle; wenig später überzeugt er Caesars Witwe Calpurnia dazu ihm auch das enorme Privatvermögen sowie die Papiere des verstorbenen Diktators auszuhändigen.

Am 17. März tagt der Senat und Antonius kann die Senatoren überzeugen dass sie Caesars Verfügungen und Erlassakte acta Caesaris in Kraft lassen müssen; dafür genügt sein Hinweis darauf dass viele anwesende Herren ihre Posten verlieren würden sollten diese für ungültig erklärt werden.

Der Senat beschließt ein Staatsbegräbnis für den Verstorbenen das am 20. März stattfinden soll; Antonius nutzt diese Gelegenheit um den versammelten Bürgern ins Gedächtnis zu rufen wie viel sie dem Verstorbenen schulden.

Für alle sichtbar hält er die blutbefleckte Toga des Diktators hoch und erzielt mühelos den gewünschten Effekt: Der Zorn der auf dem Forum Versammelten richtet sich gegen die Caesarmörder welche Hals über Kopf aus Rom fliehen um ihr Leben zu retten.

Antonius hat somit beantwortet wer das Machtvakuum füllen kann – zumindest vorerst – denn die römische Welt befindet sich bereits auf dem Weg in den nächsten Bürgerkrieg.

Dass dieser für Antonius steinig werden würde kündigte sich am Tag der Testamentseröffnung an als nicht Antonius sondern Gaius Octavius – erst 18 Jahre alt – zum Alleinerben eingesetzt wurde und posthum von Caesar adoptiert wurde.

Dreizehn Jahre später trug Octavius welcher sich dann Gaius Julius Caesar Divi filius nannte (und einige Jahre später Augustus genannt werden sollte) mit Marcus Antonius das finale Kräftemessen um die Alleinherrschaft über das Imperium aus.

Bis dahin rauften sich Caesars Stellvertreter sowie sein Adoptivsohn mehrfach zusammen nur um jedes Mal aufs Neue auseinanderzubrechen; Die Anführer der Caesarmörder Cassius sowie Marcus Brutus besiegten sie im Herbst 42 v.Chr nahe dem makedonischen Städtchen Philippi.

Cicero hatte über jene Männer geurteilt welche sich gegen Caesar verschworen hatten dass sie mit dem Mut von Männern aber mit dem Verstand von Kindern gehandelt hätten animo virili consilio puerili.

Doch am Tag der Schlacht von Philippi war der große Redner sowie Politiker selbst bereits tot; Er hatte den Fehler gemacht sowohl den jungen Caesar als auch Antonius zu unterschätzen während er sich selbst überschätzte.

Nach Caesars Tod glaubte Cicero es gäbe wieder eine Rolle für ihn in der römischen Politik; Er machte sich zum energischen Fürsprecher einer erneuerten Republik in welcher wie früher aristokratischer Wettbewerb unter Vielen gelten solle.

Antonius sowie der junge Caesar spielten dieses Spiel jedoch nicht mit; Ciceros Glaube dass er junge Caesar zügeln könnte um ihn zur Marionette des Senats gegen Antonius zu machen erwies sich als Wunschdenken.

Indem Cicero Antonius durch vierzehn rhetorisch geschliffene Reden als Staatsfeind brandmarkte machte er diesen Mann zum erbitterten Feind welcher Caesars Veteranen blind gehorchten.

Als schließlich junger Caesar sowie Antonius ihre Gegner auf Proskriptionslisten setzten wurde Cicero einer der Ersten welche unter den Schwertern jener Henkersknechte fielen.

Er starb am 7.Dezember 43 v.Chr bei Formiae wobei sein Kopf sowie seine Hände – Werkzeuge eines Redners – als grausame Trophäen mitten in Rom auf dem Forum ausgestellt wurden.”