Hartz IV: Warum die Nettolöhne mit Shanghai konkurrieren können – Aber nicht die Bruttolöhne
SPD: Einer selbsternannten Arbeiterpartei – der die Arbeiter ausgehen: Mag zwar etwas bizarr klingen – entspricht aber tatsächlich der traurigen Wirklichkeit. Kaum ein hochrangiger Politiker von dort kommt noch aus dem Arbeitermilieu. Sogar ein ehemaliger Vorsitzender lässt sich dazu hinreißen: Einem Parteikollegen ins Stammbuch zu schreiben, erst mal „ein paar Jahre arbeiten zu gehen“ bevor er Politik mache. Denn nicht mal die Eltern des betreffenden Politikers kommen aus dem Arbeitermilieu, sondern entstammen – beide – aus wohlsituierten Beamtenverhältnis heraus. Es ist fast unmöglich, eine andere Partei zu finden, die noch weiter vom ihrer Wählerschaft entfernt sei.
SPD: Nicht mal Eltern des Politikers kommen aus dem Arbeitermilieu
Die sozialen Schichten sind hierzulande faktisch homogen Geschlossen. Der soziale Aufstieg durch eigene Leistung mag zwar – in der Theorie – möglich sein, findet aber praktisch fast ausschließlich Andernorts statt.
Aufstieg durch eigene Leistung findet Andernorts statt
Besonders deutlich wird diese Entwicklung, wenn es um das Thema Hartz IV geht. Auch jenseits der SPD wird kaum ein Politiker müde die tatsächlichen oder vermeintlichen Erfolge von Hartz IV zu betonen. Die Einführung von Hartz IV wurde seiner Zeit von einer ganz großen Koalition zwischen CDU, FDP, Grüne und SPD getragen. Federführend war der SPD-Politiker und Gewerkschaftsfunktionär Peter Hartz, welcher später halb-freiwilliger Namenspatron werden sollte.
Hartz IV: Ganz großen Koalition aus CDU, FDP, Grüne und SPD
>>Inge Hannemann – Die Hartz-IV-Diktatur: Eine Arbeitsvermittlerin klagt an (Buch)<<
„Bereits am 22. Februar 2002 nahm eine Expertenkommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Vorstandsmitglieds der Volkswagen AG Peter Hartz ihre Arbeit auf. Diese Kommission «für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt», der übrigens bei 15 Mitgliedern nur eine Frau angehörte, erhielt den Auftrag, Konzepte und Strategien zum effizienten Abbau der Arbeitslosigkeit zu entwickeln. Außerdem sollte sie die maroden und unübersichtlichen Organisationsstrukturen in der Bundesanstalt für Arbeit neu gestalten.“
Jobcenter: Kosten der Verwaltung erreichen jedes Jahr neue Rekorde
Wenn es tatsächlich um Bürokratieabbau gehen sollte: Dann ist das exakte Gegenteil erreicht worden. Die Kosten der Verwaltung sprengen beinahe jedes Jahr den vorgegebenen Rahmen. Auch die Zahl der Klagen vor dem Gerichten ist durch Hartz IV regelrecht explodiert und hat sich auf einen konstant hohen Niveau eingependelt. Da das Geld für die Jobcenter nie zu reichen scheint, greift die staatliche Verwaltung sogar auf abenteuerliche Tricks zurück und zweckentfremdet einfach die Gelder: Der „Rekord bei Geldverschiebung der Jobcenter“ nimmt immer mehr groteskere Formen an. So manch dubiose Übersee-Briefkastenfirma wäre da vor Neid erblasst.
Endloser Kreislauf: Zwischen Hartz IV – Weiterbildung – kurzfristige Beschäftigung
Hartz IV ist erster Linie ein System, welches um sich selbst dreht. Zwar vermeldet die Behörde jedes Jahr – pflichtbewusst – die vermittelten Arbeitslosen: Doch bei genauen Hinsehen bleibt vom hoch gepriesenen Erfolg nicht viel übrig. Viele Arbeitslose werden nur in Weiterbildungsmaßnahmen vermittelt, damit sie kurzfristig aus der Statistik verschwinden und zugleich um die „Erfolgsquote“ künstlich nach oben zu schrauben: Denn auch die sinnloseste Weiterbildungsmaßnahmen gilt als Vermittlungserfolg.
„Viele Langzeitarbeitslose in eine kurzfristige Beschäftigung vermittelt“
„Das liegt unter anderem daran, dass viele Langzeitarbeitslose in eine kurzfristige Beschäftigung vermittelt werden oder Maßnahmen wie eine Weiterbildung erhalten. Endet das Programm nach einigen Monaten wieder, finden die wenigsten einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt. Sie müssen stattdessen zurück zum Jobcenter.“
Hartz IV: „Die wenigsten einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt“
Der Hartz-IV-Komplex besteht eben nicht nur aus Hartz IV, sondern im nähren Umfeld hat sich gewissermaßen eine ganze Hartz-IV-Industrie breit gemacht. Viele Unternehmen, Vereine und Einrichtungen finden sich in einen direkten oder indirekten Abhängigkeitsverhältnis wieder. Für die Einstellung von Hartz-IV-Empfängen stehen beispielsweise üppige staatliche Subventionen zur Verfügung: Es macht halt wirtschaftlich Sinn, einem Arbeitslosen einzustellen und nach ein paar Monaten wieder rauszuschmeissen: Um danach einen neuen Arbeitslosen anzuheuern. Im weitestem Sinne geht es nur darum Fördergelder abzugreifen. Die hohe Fluktuation von Leiharbeiten spricht hierbei für sich selbst.
Die Säule des Hartz-IV-Komplexes
Eine weitere Säule des Hartz-IV-Komplexes sind die Bildungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen der Jobcenter. Ein ganz großer Akteur in jenen Bereich ist die Arbeiterwohlfahrt – kurz AWO. Nach eigner Aussage fühlt sich dieser Verein – er ist wirklich ein Verein – der Partei SPD nahe. Sicherlich nicht ganz zu Unrecht: Manch gescheiterter SPD-Politiker findet sich in AWO wieder. Das „System von SPD und Awo“ ist so eng miteinander verzahnt, dass beide getrennt voneinander kaum existieren können. Die Einführung von Hartz IV – unter Federführung der SPD – war auch für die AWO ein gewaltiges Konjunkturprogramm. Über die Jahre hat das „System von SPD und Awo“ ein regelrechtes Eigenleben entwickelt.
Arbeiterwohlfahrt: „Über viele Jahre hinweg Geld abgezweigt und zweckentfremdet“
„Städtische Rechnungsprüfer finden Hinweise auf Millionenschaden durch AWO-Affäre. … „über viele Jahre hinweg Geld abgezweigt und zweckentfremdet“ worden sei … Aus dem abgezweigten Geld ist nach Einschätzung des Politikers ein „Bargeldpool“ bei der AWO entstanden, aus dem dann Geld an führende Funktionäre verteilt wurde. … Es sei unfassbar, „dass ein Sozialverband dermaßen mafiose Strukturen aufbaut“.
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„Dass ein Sozialverband dermaßen mafiose Strukturen aufbaut“
Dieser ganze Hartz-IV-Komplex verschlingt nicht nur Unsummen an Geld und nützt kaum einem Arbeitslosen etwas, sondern er macht auch Arbeit künstlich teuer: Das wiederum vernichtet Arbeitsplätze. Denn jeder ausgegebene Euro im sogenannten „Sozialbereich“ muss vorher durch Steuern, Gebühren und Abgaben eingenommen werden. Zwar hat Deutschland einen riesigen Niedriglohnsektor errichtet, aber zugleich stehen hohe Lohnkosten im Raum. Wie passt das zusammen? Vereinfacht: Brutto ist nicht gleich Netto – oder anders: Die Nettolöhne können zwar mittlerweile mit Shanghai konkurrieren, aber nicht die Bruttolöhne.
Nettolöhne können mit Shanghai konkurrieren – Aber nicht die Bruttolöhne
Zum Bruttolohn gehört eben auch der Arbeitgeberanteil der Sozialabgaben, der bestenfalls versteckt auf dem Lohnzettel ausgewiesen wird. Die transparente Ausweisung der – tatsächlichen Lohnkosten – würde auch mehr Ehrlichkeit gegenüber dem Arbeitnehmern bringen: Aber selbst für diese Minireform reicht hierzulande schon nicht mehr die politische Kraft.
China: Der soziale Aufstieg durch eigene Kraft
Der soziale Aufstieg durch eigene Kraft hat China zur ökonomischen Weltspitze katapultiert. Viele Menschen haben sich durch eigene Leistung aus der Armut hinauf zur Mittelschicht gearbeitet: Ein Konzept das in Deutschland fast vergessen scheint.