Geschichte: Die Kreuzzüge gegen Christen
Als Papst Urban II. im Jahre 1095 zum Kreuzzug gegen die Muslime aufrief: Erreichte – wider erwarten – das Kreuzfahrerheer tatsächlich die Stadt Jerusalem und besetzte das Heilige Land. Der Erste Kreuzzug steht noch heute sinnbildlich für alle anderen Kreuzzüge da. Dabei richteten sich viele – wenn nicht die allermeisten – Kreuzzüge gezielt gegen Christen. Weniger fanatischer Glaubenseifer, sondern rasche Siege und reiche Beute lockten viele Ritter in die Kreuzfahrerkriege.
Kreuzzüge: Wenn Christen andere Christen töten
>>Die Kreuzzüge von Jonathan Riley-Smith (Buch) <<
„Im April 1202 war Papst Innozenz III. noch voller Hoffnung – jedenfalls gab er sich so –, aber sein Dekret vom September 1201, demzufolge Kreuzfahrer sich auch gegen den Willen ihrer Ehefrauen dem Kreuzzug anschließen durften, muss doch als Zeichen einer wachsenden Verzweiflung gewertet werden. Außerdem erzählte man sich jetzt, viele der Kreuzfahrer seien mit dem ganzen Unternehmen unzufrieden. Einige lösten ihre Gelübde nicht ein; andere beschlossen, nicht über Venedig zu reisen, sondern trafen ihre eigenen Vorkehrungen und begaben sich auf direktem Weg nach Palästina. … An diesem Punkt schlug ihnen der Doge eine einstweilige Stundung ihrer Schulden vor, bis diese aus der zu erwartenden Kriegsbeute bezahlt werden konnten. Er tat dies unter der Bedingung, dass die Kreuzfahrer Venedig bei der Rückeroberung des Hafens von Zadar an der dalmatischen Küste unterstützten, den die Ungarn in ihre Gewalt gebracht hatten. Die Anführer des Kreuzzuges willigten ein und fanden sich somit in einer kuriosen Lage wieder: Sie sollten ihren Feldzug mit dem Angriff auf eine christliche Stadt eröffnen, die noch dazu einem Kreuzfahrer gehörte, denn König Emmerich von Ungarn hatte selbst das Kreuz genommen.“
Zweiter Kreuzzug: „Angriff auf eine christliche Stadt“
Abgesehen von ihren hehren Zielen: Fügte der Vierte Kreuzzug mehr Schaden der Christenheit, als den vermeintlichen Ungläubigen zu. Wie kam es dazu? Um das zu begreifen, muss man die Hintergründe verstehen. Zu jener Zeit war die wirtschaftliche Lage in Europa nicht allzu berauschend. Viele Ritter und Adelige waren knapp bei Kasse. Der Vierte Kreuzzug war von Anfang an darauf ausgelegt: Beute zu machen. Durch gezielte Plünderungen sollte nicht nur die Kriegskasse aufgefüllt werden, sondern zugleich versprachen sich viele Kreuzritter davon Reichtum oder zumindest ein besseres Leben.
Plündern: Wenn Kreuzritte knapp bei Kasse sind
Nachdem die christliche Stadt Zadar geplündert war, zog das Kreuzfahrerheer weiter nach Konstantinopel. Auch diese christliche Stadt wurde zunächst belagert und anschließend geplündert. Zudem war Konstantinopel nicht irgendeine Stadt, sie war Hauptstadt des Byzantinischen Reiches und zugleich Sitz des Patriarchen von Konstantinopel: Also gewissermaßen der „Vatikan“ des Ostens. Trotz verschiedener Differenzen sahen sich sowohl der Patriarch von Konstantinopel, als auch der Papst im Rom gegenseitig als Christen an. Die Plünderung von Konstantinopel durch ein christliches Kreuzfahrerheer sorgte daher für eine tiefe Verwerfungen, die bis in die heutige Zeit hinein reicht. Viel weiter als nach Konstantinopel ist der Vierte Kreuzzug ohnehin nicht gekommen. Offensichtlich konnten die Kreuzritter genügend Beute in der vormals reichen Stadt machen. Schlussendlich waren es also mehr weltliche und weniger geistliche Gründe, die die Kreuzritter antrieben.
Der Albigenserkreuzzug richtete sich gezielt gegen Christen
Tatsächlich handelte es sich beim Vierten Kreuzzug um keinen Einzelfall, die meisten Kreuzzüge waren – willentlich oder unwillentlich – gegen Christen gerichtet. Während man den Vierten Kreuzzug noch mit sehr viel Wohlwollen als tragischen „Unfall“ in den Wirren eines Krieges werten könnte: Gibt es hingegen beim Albigenserkreuzzug keine solchen Zweifel mehr. Der Albigenserkreuzzug richtete sich – von Anfang an – direkt gegen Christen.
Zynismus: „Die vom wahren Glauben Abgefallenen wieder auf den rechten Weg zu führen“
>>Im Feuer des Glaubens von Kay Peter Jankrift (Buch) <<
„Der Geistliche hatte sich zu Lebzeiten mit Nachdruck dem Kampf gegen die Lehren der auch Katharer genannten Albigenser im Süden Frankreichs gewidmet, die von der römisch-katholischen Kirche als Häresie gebrandmarkt wurden. Nach der Ermordung des päpstlichen Legaten Pierre von Castelnau am 15. Januar 1208, den der Oberhirte mit der Aufgabe betraut hatte, den ketzerischen Kräften entgegenzuwirken und die vom wahren Glauben Abgefallenen wieder auf den rechten Weg zu führen, rief Innozenz III. (1160/1161–1216) zum Kreuzzug gegen die Katharer auf. Dominikus, der gemeinsam mit Pierre von Castelnau im Languedoc gegen die katharische Häresie gepredigt hatte, schloss sich diesem sogenannten Albigenserkreuzzug an. Simon IV. von Montfort (um 1160–1218), der den Kreuzzug anführte, hatte Dominikus einige Jahre zuvor ebenfalls kennengelernt. Zeitgenössischen Schilderungen zufolge gingen die Kreuzfahrer mit rücksichtsloser Gewalt gegen die Einwohner der südfranzösischen Städte vor, die von ihnen eingenommen wurden. Rund 20 000 Menschen sollen dem Wüten von Simons Heer am 22. Juli 1209 in Béziers zum Opfer gefallen sein. Traurige Berühmtheit erlangten dabei die Worte des päpstlichen Gesandten Arnaud Amaury (gest. 1225), Abt des Klosters von Cîteaux und später Erzbischof von Narbonne. Auf die Frage der Kreuzfahrer, wie sie denn die Rechtgläubigen von den Häretikern unterscheiden sollten, soll der Geistliche geantwortet haben: Tötet sie alle! Gott wird die Seinen schon erkennen.“
„Wie sie denn die Rechtgläubigen von den Häretikern unterscheiden sollten“ – „Tötet sie alle!“
Der okzitanische Adel im heutigen Südfrankreich war weitestgehend Antiklerikal und Antirömisch eingestellt. Die Katharer stellten dort eine Hausmacht da und sie waren sehr Einflussreich. Zwar waren sie alle Christen, aber aus Sicht des Papstes zu unabhängige Christen. Denn nach Ansicht des obersten Hirten im Rom, bestand die sehr realistische Gefahr, dass der okzitanische Adel seine internen Differenzen überwinden und einen Unabhängigen Staat ausrufen könnte. Und zwar auch Unabhängig von Rom. Es ging hier weniger um theologische Meinungsverschiedenheiten, sondern um pure Macht. Dieser potentielle Staat würde wiederum als Keimzelle dienen: Was andere Herrscher ebenfalls dazu bewegen würde, ihr Verhältnis mit dem Papst „neu“ zu überdenken. Etwas Vergleichbares sollte ungefähr 300 Jahre später – mit dem Reformtor Martin Luther – ablaufen.
Weniger theologische Meinungsverschiedenheiten – Sondern pure Macht
Die Unabhängigkeit vom Papst bedeutet nicht nur Einbußen von Macht und Prestige, sondern zugleich auch finanzielle Verluste. Deshalb wurde der Albigenserkreuzzug auch mit solche Härte geführt: Nicht Zuletzt um ein Exempel zu statuieren.
Wendenkreuzzüge: Christianisierung als Vorwand
Der Vorwand der Christianisierung musste auch bei den „Wendenkreuzzügen“ oder wahlweise diversen Eroberungskriegszügen herhalten. Zum Teil waren die Slawen lange zuvor bereits Christen geworden, was aber die christlichen Heere nicht davon abhielt: Diese nochmals zu „Christianisieren“ .
„Vorwand der Christianisierung vorgetragenen Wendenkreuzzüge“
„Seit Karl dem Großen bemühte sich der deutsche Feudalstaat, die slawischen Gebiete tributpflichtig zu machen. Zur Abwehr der unter dem Vorwand der Christianisierung vorgetragenen Wendenkreuzzüge bauten die Slawen eine Vielzahl von Burgwällen. … Während sich die nördlich der Sorben lebenden obodritischen und lutizischen Wenden nach dem großen Slawenaufstand von 983 noch bis ins 12. Jahrhundert ihre politische Unabhängigkeit bewahrten, wurden fast alle sorbisch-wendischen Stämme bereits im 10. Jahrhundert endgültig unterworfen. … Im Jahr 963 n. Chr. berichtet Chronist Widukind von Corvey: „In dieser Zeit besiegte Markgraf Gero mit härtester Kampfführung die Slawen, welche sich Lusizer nennen und unterwarf sie sich vollständig, obgleich nicht ohne eigene schwere Verwundung und unter Verlust seines Neffen, des besten Mannes, und auch vieler anderer edler Männer.“ Bereits 939 n. Chr. hatte Gero unter Vortäuschung friedlicher Absichten dreißig Wendenfürsten zu einem Gastmahl eingeladen und nachts heimtückisch ermorden lassen, um den Slawen die Führungsschicht zu nehmen.“
„Welche sich Lusizer nennen und unterwarf sie sich vollständig“
Der Vorwand der Christianisierung lässt sich nur notdürftig aufrecht erhalten. In erster Linie ging es darum tributpflichtige Völker zu erschaffen. Besonders die Wendenkreuzüge waren in Wirklichkeit sehr blutige Eroberungskriege. Vereinfacht: Die einfachen Soldaten wollten bei den Kreuzzügen meist nur durch Plündern zu Wohlstand kommen und die Herrscher wiederum ihre Machtbasis ausbauen.