“Geprotschte“ Datierungen – Staatsräson in der Geschichtsschreibung: Die Anfälligkeit der Archäologie für Betrug

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Die Anfälligkeit der Archäologie für Betrug zeigt sich nicht nur in der gezielten Fälschung von Artefakten, sondern auch in der Manipulation von Kontexten und Fundstätten. Oftmals entstehen durch wirtschaftliche, politische Interessen oder persönliche Ambitionen Situationen, in denen Wissenschaftler unter Druck gesetzt werden, sensationelle Entdeckungen zu präsentieren.

“Er grub den Schatz aus, putzte ihn und prahlte damit in Videos”

>>Goldrausch – Wie die Gier nach Gold die Menschen zu Verbrechern machte von Urs Willmann (Buch) <<

“Er grub den Schatz aus, putzte ihn und prahlte damit in Videos, die er auf YouTube zeigte: „Da muss man schon ein wenig posieren damit“, sprach er in die Kamera. Erst als ihm nach sieben Monaten die Polizei auf den Fersen war, meldete er den Fund. Warum er dies nicht früher getan habe? Er begründete es damit, dass er erst habe klären wollen, worum es sich handelte. … Die Pfälzer Landesarchäologen sind zwar froh, dass sie dank Sonden-Benny in den Besitz des „Barbarenschatzes von Rülzheim“ geraten sind. Hätte dieser jedoch den Fund umgehend gemeldet, hätte er wissenschaftlich gründlicher aufgearbeitet werden können. Bei seiner dilettantischen Bergung hat der Finder das Gros der Spuren gründlich verwischt. Es lässt sich daher nur spekulieren, warum der mit Blei aus Trier gefertigte spätrömische Klappstuhl – ein weltweit einzigartiges Fundstück – Applikationen trägt, die mit hunnischem Kunsthandwerk auf dem Balkan vergleichbar sind. Im Fundkontext hätten sich vielleicht weitere Hinweise finden lassen. Ruhte sich auf dem Klappstuhl ein Römer aus? Ein hunnischer Fürst, der sich auf einem Feldzug im Römischen Reich herumtrieb? Oder gehörte das Sitzmöbel einem Verbündeten des Imperiums? Der Landesarchäologe Axel von Berg tut sich daher schwer damit, das Verhalten des damals 21-jährigen Sondengängers als Lappalie abzutun. Für ihn ist es ein klarer Fall von Raubgrabung: „Der Schatz wurde ohne unser Wissen mit einer Metallsonde entdeckt und unmittelbar danach aus dem Boden gerissen ohne jegliche Dokumentation.“

“Schatz wurde ohne unser Wissen mit einer Metallsonde entdeckt und unmittelbar danach aus dem Boden gerissen”

Bereits die Wahl des Namens ist aufschlussreich. Bei dem “Barbarenschatz von Rülzheim” bedient man sich offenbar großzügig der Herabwürdigung vermeintlich minderwertiger Völker aus der Antike. Zudem sieht sich der genannte Landesarchäologe, der wegen der “Schatzsuche” völlig aus dem Häuschen ist, ist mit vergleichbaren Vorwürfen konfrontiert, die gegen ihn selbst erhoben werden.

“Die archäologische Datenbasis für das „Schlachtfeld von Riol“ – angeblicher Fundort einer historisch bezeugten Schlacht”

>>Focus<<

“Die archäologische Datenbasis für das „Schlachtfeld von Riol“ – angeblicher Fundort einer historisch bezeugten Schlacht aus dem 1. Jahrhundert nach Christus Geburt – habe sich bei der Überprüfung als unzureichend herausgestellt. Worum es bei den anderen 16 Verdachtsfällen geht, war zunächst unklar. … Gesamtes Ausmaß des Skandals muss noch geklärt werden Aufgrund konkreter Anhaltspunkte, der Archäologe habe geschichtsträchtige archäologische Funde bewusst manipuliert, war die Aufklärung mit externer Unterstützung und Beratung angestoßen worden. Diese solle das genaue Ausmaß der betroffenen Funde klären.”

“Archäologe habe geschichtsträchtige archäologische Funde bewusst manipuliert”

Teilweise wurde er als Star-Archäologe oder “Indiana Jones vom Mittelrheingehandelt, ohnehin erregt der Fall weltweit mehr Aufmerksamkeit als hierzulande. Angesichts dieser Vorwürfe ist wohl die etablierte Archäologie nicht weit vom sogenannten “Sonden-Benny” entfernt.

“Die Archäologie-Szene ist erschüttert: kein Neandertaler, keine Römerschlacht?”

>>Stern<<

“Die Archäologie-Szene ist erschüttert: kein Neandertaler, keine Römerschlacht? Ein Landesarchäologe soll gefälscht haben. Und es stellt sich die Frage, warum das nicht früher auffiel.”

“Ein Landesarchäologe soll gefälscht haben” – “Warum das nicht früher auffiel”

Die Frage ist sehr einfach zu beantworten. Weil es allen in der etablierten Archäologie schlicht egal ist. Das ungeschriebene Gesetz lautet, solange sie nur die Staatsräson in der Geschichtsschreibung einhalten, dann können sie nahezu machen was sie wollen. Nur der vermeintliche “Sonden-Benny” muss sich vor ernsten Konsequenzen fürchten.

Der Fall Rigodulum

Der Fall Rigodulum illustriert diese Problematik anschaulich. Bei den Ausgrabungen in der betreffenden Region wurde deutlich, dass viele Funde nicht nur angezweifelt wurden, sondern auch gezielt als spektakuläre Entdeckungen vermarktet wurden. Dokumentationen und Berichte, die die Authentizität dieser Artefakte belegen sollten, entpuppten sich nach gründlicher Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit als unzureichend und teilweise gefälscht. Diese Vorgänge mögen bei der Öffentlichkeit ein gewisses Stirnrunzeln hervorrufen, jedoch nimmt die archäologische Disziplin insgesamt dies eher mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Zumal das Schlachtfeld von Rigodulum hervorragend in das vorgefertigte Geschichtsbild passt. Dass es sich mehr um ein System handelt, lässt sich auch an anderen Beispielen ablesen. Reiner Protsch wurde auf den Lehrstuhl für Anthropologie an der Goethe-Universität berufen, obwohl er weder ein Abitur nachweisen konnte noch eine Habilitation, die zu jener Zeit in hierzulande Voraussetzung für eine Berufung war. Trotzdem legte er eine Steile Karriere hin.

Altersdatierung: “Kamen sensationelle „Ergebnisse“ heraus” – “Schätzte mehr oder minder freihändig”

>>Welt<<

“Er sollte an der Frankfurter Universität ein Labor für Radiokarbon-Datierung aufbauen. In Wirklichkeit maß er jedoch nicht (die entsprechende Anlage kam bis mindestens 1982 „über ein frühes Experimentierstadium nicht hinaus“, wie der Archäologie Thomas Terberger schrieb, der Protsch enttarnte), sondern schätzte mehr oder minder freihändig. Dabei kamen sensationelle „Ergebnisse“ heraus, unter anderem sollten Schädel 20.000 bis 30.000 Jahre älter sein, als zuvor angenommen. Obwohl unter Kollegen bereits seit Längerem über „geprotschte“ Datierungen spekuliert wurde, flog der jahrzehntelange Betrug erst 2004 auf.”

“Geprotschte“ Datierungen – Staatsräson in der Geschichtsschreibung

Der Archäologe war somit in der Lage, auf dem Weg der Staatsräson in der Geschichtsschreibung eine bemerkenswerte und aufsehenerregende Laufbahn einzuschlagen. In diesem Zusammenhang spielt die Datierung eine zentrale Rolle. Dadurch werden auch Völker voneinander abgegrenzt.

“Slawische Siedlungsgebiet östlich der Elbe kann anhand der zahlreichen slawischen Orts- und Flussnamen identifiziert”

>>Auf den Spuren der Indoeuropäer von Harald Haarmann (Buch) <<

“Das slawische Siedlungsgebiet östlich der Elbe kann anhand der zahlreichen slawischen Orts- und Flussnamen identifiziert werden, die sich über das Mittelalter hinaus bis in die Neuzeit erhalten haben. Dazu gehören Ortsnamen, die mit slawischen Suffixen enden wie -in (Berlin, Schwerin, Stettin, Eutin), -itz und -ick (Bardowick, Grömitz, Kücknitz, Neustrelitz), -ow (Güstrow, Hagenow, Rathenow), Flussnamen wie Stepenitz, Warnow oder Pulsnitz und die Namen von Landschaften (z.B. die Lausitz benannt nach dem slawischen Stamm der Lutizen). Die Lutizen waren die Nachkommen von Slawen, die zwischen 1300 und 500 v. Chr. die nach ihnen benannte Lausitzer Kultur begründet hatten.”

“Lutizen waren die Nachkommen von Slawen, die zwischen 1300 und 500 v. Chr. die nach ihnen benannte Lausitzer Kultur begründet hatten”

Die Lausitzer Kultur sowie die Lausitzer Sorben werden von Archäologen aufgrund ihrer Datierungsmethoden nicht miteinander verknüpft, obwohl beide Gruppen dieselben Burgen in der gleichen Region genutzt haben. Zudem stehen am Ende auch politische Fragestellungen zur Debatte, da es um die Anerkennung als indigene Bevölkerung geht, was von der Bundesregierung strikt abgelehnt wird. In diesem Kontext nimmt die Staatsräson in der Geschichtsschreibung einen erheblich größeren politischen Stellenwert ein als etwaige Betrugsfälle.