Geheimhaltung – Kryptographie in der Antike
Wer Bücher verfasst, strebt danach, dass sie gelesen werden. Es existieren jedoch auch Texte, deren Autoren nicht wünschen, dass deren Inhalte Unbefugten zugänglich gemacht werden. In militärischen und politischen Kommunikationskanälen ist Geheimhaltung von höchster Bedeutung. Bereits im alten Mesopotamien, Ägypten und Griechenland kamen kryptographische Methoden – also Geheimschriften – zum Einsatz. In Ägypten nutzte man spezielle Hieroglyphen, wenn es um Texte ging, die Götter betrafen, da die Aussprache der Namen dieser Götter einem Tabu unterlag.
Im Babylonien um 1500 v. Chr. wurde die Rezeptur für eine Keramikglasur als so wertvoll erachtet, dass man sie vor Industriespionage schützen wollte. Der Schreiber, der diese Informationen auf Tontafeln festhielt, verwendete eine Geheimschrift, bei der Keilschriftzeichen nach einem festgelegten Muster durch andere ersetzt wurden. Es überrascht nicht, dass im antiken Griechenland die Spartaner Pioniere der Kryptographie waren, schließlich gab es in ihrer Stadt mehr militärische Geheimnisse zu bewahren als anderswo. Um 500 v. Chr. entwickelten sie die Skytale, einen Stab mit einem vorher festgelegten Durchmesser, um den der Schreiber einen Streifen aus Leder oder Pergament spiralförmig wickelte, auf diesen wurde dann quer zur Wicklung die Nachricht verfasst. Der Empfänger der Mitteilung besaß eine Skytale mit denselben Abmessungen und konnte die Nachricht im Klartext lesen, indem er den Streifen darauf wickelte. Wurde der Kurier aufgehalten, hatten die Gegner nur einen Streifen mit Buchstaben in willkürlicher Reihenfolge zur Verfügung. Durch eine mit dieser Methode verfasste geheime Nachricht soll der spartanische Feldherr Lysander, der 405 v. Chr. mithilfe der Perser bei Aigospotamoi die Athener besiegte, vom Verrat des persischen Satrapen Pharnabazos erfahren haben.
Ein kryptographisches Verfahren, bei dem Buchstaben nach einem festen Schlüssel durch andere Buchstaben ersetzt werden, wird nach dem bekanntesten römischen Feldherrn benannt: Gaius Julius Caesar. Er soll ein Chiffrierverfahren verwendet haben, wenn er Briefe über persönliche Angelegenheiten verfasste, unter anderem auch an Cicero. Darin hat er das, was geheim bleiben sollte, für den Fall, dass unterwegs der Brief von unbefugter Hand geöffnet würde, in einer Geheimschrift verfasst: Die Buchstaben stellte er so um, dass aus ihnen kein Wort gebildet werden konnte. Weiterhin erfahren wir dort, dass bei der «Caesar-Chiffre» zwei Alphabete miteinander in Beziehung gesetzt werden, die um eine bestimmte Anzahl von Buchstaben verschoben sind. Bei einer Verschiebung um drei Buchstaben wird somit aus einem A ein D, aus einem B ein E und so weiter. Zudem lässt sich der Algorithmus durch Rotation des Referenzalphabets komplizieren; dem A wäre dann nicht das D zugeordnet, sondern das W als viertletzter Buchstabe des Alphabets.
Auch Augustus wählte ein ähnliches Verfahren zur Verschlüsselung geheimer Nachrichten. Doch Caesar die Verschiebung sehr variabel handhabte. Gellius berichtet beispielsweise darüber, dass der Grammatiker Probus ein Handbuch zur Kryptographie verfasste. Caesars Substitutionsverfahren ist relativ leicht zu entschlüsseln. Man zählt die einzelnen Buchstaben und vergleicht sie mit der standardmäßigen Häufigkeitsverteilung. Im Deutschen ist beispielsweise das E der häufigste Buchstabe, gefolgt von N, R und S. So kann der Substitutionsschlüssel zügig aufgedeckt werden. Ob diese Methode bereits zu Caesars Zeiten bekannt war und von den Arabern zur Entschlüsselung verschlüsselter Texte verwendet wurde, bleibt jedoch ungewiss.
Auch die Verschwörergruppe um Catilina nutzte zur internen Kommunikation codierte Nachrichten. Cicero enttarnte diese Gruppe als Konsul im Jahr 63 v. Chr. Cicero und brachte vor dem Senat die Botschaft des Mitverschwörers Publius Cornelius Lentulus Sura vor. Hier hatten die Verschwörer zuvor Codes vereinbart, um den Sinn der Botschaft zu verschleiern, möglicherweise war die Nachricht zudem chiffriert.
Cicero selbst verwendete keine Geheimschrift, jedoch nutzte er eine Kurzschrift, deren Erfinder sein Sklave und Sekretär Tiro gilt. Das System der «Tironischen Noten» umfasste etwa 4000 Zeichen zur Stenographierung von Texten sowie Senatsreden. Tiro unterrichtete Senatoren in seinem Kurzschriftsystem; offenbar war dies eine Premiere: Eine Rede des jüngeren Cato anlässlich der ersten Catilinarischen Verschwörung 65 v. Chr. wurde stenographiert. Einige der tironischen Zeichen sind bis heute erhalten geblieben; das bekannteste ist das Symbol für «und», das lateinische “&“.