Politikverdrossenheit: Warum es für dem Wähler kaum noch etwas zu Wählen gibt
Politikverdrossenheit – Immer mehr Bürger wenden sich von Politik und Parteien ab. Die Wahlbeteiligung verharrt auf konstant niedrigen Niveau. Außenwahrnehmung: Viele Politiker sind nur noch mit sich selbst beschäftigt. Politische Debatten drehen sich häufig nur noch um Personalfragen und inhaltliche Sachthemen sind nahezu von der Bildfläche verschwunden. Die Politikverdrossenheit wird zwar stets beklagt: Aber über die Gründe fast nie berichtet.
Politikverdrossenheit: „Weshalb sich die Bürger abwenden“
„Die Politikverdrossenheit der letzten Jahre hat viele Gründe. Als ein Grund, weshalb sich die Bürger abwenden und ihr Interesse verlieren, wird häufig genannt, dass sich die Politiker letztlich nur mit sich selbst beschäftigen. Doch so viel Selbstbeschäftigung wie derzeit war selten. Seit Wochen werden inhaltliche Diskurse umgangen, Politik mutiert zur Personaldebatte und zu einem Namensroulette. Wofür die Namen stehen, bleibt dabei allerdings unreflektiert. Man betreibt ein Management der Macht und wundert sich, woher die Unbeliebtheit für diesen Berufsstand rührt.“
„Man betreibt ein Management der Macht“
Die Politikverdrossenheit kommt also mitnichten von ungefähr. Ergebnis: Die Wahlbeteiligung verharrt vielerorts auf konstant niedrigen Niveau. Zudem unterscheiden sich die etablierten Parteien kaum noch voneinander – oder anders: Für dem Wähler gibt es kaum noch etwas zu Wählen. Zugleich verhält sich die Machtkonstellation schon seit vielen Jahrzehnten so: Das wichtige politische Gesetze – jenseits des publikumswirksamen Parteienstreits – eigentlich nur mit einer ganz großen Koalition beschlossen werden können: Jede etablierte Partei könnte, wenn nicht im Bundestag, dann zumindest im Bundesrat jedes wichtige Gesetz effektiv verhindern. – Sofern ein Wille vorhanden wäre.
Verabschiedung von wichtigen Gesetzen: Die politische Pattsituation
Diese Situation stellt sich schon seit Jahrzehnten so da. Im Schach würde man so etwas als „Patt“ bezeichnen und ist gleichbedeutend mit dem Ende des Spiels. Da kaum noch eine Partei mit politischen Themen punkten kann, dreht sich die ganze Debatte hauptsächlich um Personalfragen.
Die politische Debatte dreht sich nur noch um Personalfragen
Eigentlich ließe sich diese politische Pattsituation mit Direkter Demokratie lösen, aber davon wollen die etablierten Parteien recht wenig wissen, obwohl im Grundgesetz sehr erhellendes dazu zu lesen gibt.
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
„Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen ist Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen […] ausgeübt.“ Dieses Prinzip ist so wichtig, dass es – so Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes – nicht geändert werden darf. Repräsentative und direkte Demokratie stehen hier dem Wortlaut nach zwar gleichberechtigt nebeneinander. Aber weiter ausgeführt sind im Grundgesetz nur die Wahlen, nicht die Abstimmungen. „
Repräsentative und direkte Demokratie stehen im Grundgesetz gleichberechtigt nebeneinander
„Abstimmungen“ – Frei Übersetzt: Der Bevölkerung wird also seit Jahrzehnten gezielt wichtige Rechte aus dem Grundgesetz vorenthalten und zwar die Direkte Demokratie. Die Situation ist deshalb besonders kurios: Polizei und Geheimdienste verfolgen jeden, der es tatsächlich – oder vermeintlich – versucht, die verfassungsmäßige Ordnung auszuhebeln. Vielleicht wäre es für die Ordnungshüter mal erhellend – vorher – zu lesen, was im Grundgesetz eigentlich drin steht?
Verfassungsmäßige Ordnung: Wenn Grundrechte einfach ignoriert werden
Besonders Artikel 1 bis 20 nehmen eine exklusive Stellung im Grundgesetz ein: Denn jene Artikel sind mit der „Ewigkeitsklausel“ geschützt – bedeutet: Die Politiker haben nicht die Befugnis jene zu ändern. Wenn man so möchte, stellen sie die allerletzte Barriere vor der offenen Diktatur da: Nur macht eine Barriere halt wenig Sinn, wenn sie niemand beachtet.
Wie der Reichstag im Berliner Regierungsviertel verschwindet
Ohnehin geht der Weg eher zu „weniger Demokratie wagen“ hin. Besonders im Berliner Regierungsviertel wird dies überdeutlich: Weder Minister, noch Bundeskanzler oder Bundespräsident können direkt vom Volk gewählt werden, aber jeder einzelne verfügt über einen riesigen Gebäudekomplex: Dagegen wirkt der Reichstag wie ein unscheinbares Nebengebäude. Doch die Asymmetrie der Macht repräsentiert überdeutlich das Hauptquartier des Bundesnachrichtendienstes: Gewissermaßen eine kleine Stadt, innerhalb der Stadt Berlin.
Weniger Demokratie wagen: Die Machtverschiebung nach Brüssel
Die Machtverschiebung findet aber auch anderswo statt. Immer mehr Kompetenzen werden hin zur Europäischen Union verlagert. Aber genau diese Institution hat es vollbracht, die Demokratie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Bei der Wahl des EU-Parlamentes gilt noch nicht mal das Gleichheitsgebot, denn einige Stimmen haben ein höheres Gewicht, als andere. Allerdings hat das EU-Parlament ohnehin nicht viel zu melden. Es kann nur Beschlüsse und Richtlinien der EU-Kommissare durchwinken. Kurzum: Noch weniger Demokratie ist eigentlich kaum vorstellbar.
Bekannter Ausspruch über die DDR – Der Staat wird vom Kommissaren aus Moskau regiert
Auf die DDR wurde Zeit ihres Bestehens immer etwas herab geblickt – frei nach dem Motto: Der Staat wird vom Kommissaren aus Moskau regiert. – Was zum Teil auch stimmte. Sogar ehemalige Kolonialmächte schichten einst ihre Kommissare in ihre jeweiligen Kolonien. Der Begriff „Kommissar“ galt lange Zeit quasi als personifizierte Form einer Fremdbestimmung. Doch der negative Anstrich des „Kommissars“ hat sich in den letzten Jahrzehnten komplett gewandelt. Auch die Fremdbestimmung aus Brüssel soll mittlerweile als „schick“ gelten.
„Kommissar“ – Galt lange Zeit als personifizierte Form einer Fremdbestimmung
Doch allzu viel darf sowieso nicht mehr an der EU kritisiert werden, deren Institutionen gelten praktisch als Sakrosankt und die EU-Flagge als „Heilig“ . Ob die heilige Europäische Union überhaupt noch Reformen zu mehr Demokratie zulässt, das darf getrost bezweifelt werden: Denn mehr Demokratie geht immer mit Machtverlust einher: Genau jene Logik schwingt unterschwellig bei so mancher Politikerrede mit, wenn es um die Verhinderung von Direkte Demokratie geht: Die Politikverdrossenheit gilt somit also für beide Seite.