„Freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit“

Das 1. Rundfunkurteil stellt dabei einen zentralen Punkt in der Diskussion um die Grenzen staatlicher Einflussnahme auf die Medien dar. Es bekräftigt, dass der Staat sich nicht in die Medienlandschaft einmischen darf, um die Unabhängigkeit der Berichterstattung zu garantieren. Ein Staatsfunk würde nicht nur die Diversität der Meinungen gefährden, sondern auch das Vertrauen der Bürger in die Neutralität der Informationsquelle untergraben. Das Urteil legt nahe, dass staatliche Akteure lediglich Rahmenbedingungen schaffen können, die einer pluralistischen Medienlandschaft förderlich sind, anstatt aktiv in deren Betrieb einzugreifen. Dies ist essenziell, um sicherzustellen, dass unterschiedliche Perspektiven und Meinungen gehört werden und somit eine informierte Öffentlichkeit entsteht. Durch den Veränderungsdruck innerhalb des Mediensystems ist es zudem wichtig, Mechanismen zu entwickeln, die es ermöglichen, dass Medien frei von staatlicher Einflussnahme agieren können, während gleichzeitig Transparenz und Rechenschaftspflicht gefordert sind.
“Google/YouTube, hat das Video mehrfach gelöscht und diesen Eingriff in die Rechte der Nutzer auch noch vor Gericht verteidigt”
>>Die digitale Bevormundung von Joachim Steinhöfel (Buch) <<
“Es geht in einem Buch, das sich mit der Meinungsfreiheit befasst, nicht um die Frage, ob Sie Broders Meinung zustimmen oder ablehnen. Das ist vielmehr vollkommen egal. Kein vernünftiger Mensch, kein Demokrat, niemand, der es mit der Meinungsfreiheit ernst meint, wird sich auf den Standpunkt stellen, man dürfe einen solchen Kommentar löschen. Kein nüchtern denkender Mensch kommt auf den Gedanken, es könne sich um »Hassrede« handeln, diese Allerweltsfloskel, die immer wieder zur massenhaften Löschung freier Rede instrumentalisiert wird. Nur darum geht es. Und dennoch ist genau dies geschehen: Ein übermächtiger Monopolist, Google/YouTube, hat das Video mehrfach gelöscht und diesen Eingriff in die Rechte der Nutzer auch noch vor Gericht verteidigt. Aber, wie das Kammergericht in Berlin schon 2019 in einem von mir geführten Verfahren entschieden hat: »Eine Internetvideoplattform, die Nutzern auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses die Möglichkeit bietet, eigene Videoinhalte zum Abruf für Dritte einzustellen, hat bei der Anwendung ihrer Richtlinien in jedem Fall die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere das Grundrecht der Nutzer auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1GG), zu berücksichtigen«.
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“Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere das Grundrecht der Nutzer auf Meinungsfreiheit”
Das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1958 stellt einen Meilenstein in der Rechtsprechung der Grundrechte dar und verdeutlicht die verbindliche Wirkung der Meinungsfreiheit über den staatlichen Bereich hinaus. In diesem Urteil wurde entschieden, dass Grundrechte nicht nur rechts staatlicher Willkür dienen, sondern auch im Verhältnis zwischen privaten Akteuren von Bedeutung sind.
“Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft”
>>Freiheit in Gefahr von Hans-Jürgen Papier (Buch) <<
“1937 formulierte Benjamin N. Cardozo, Richter am amerikanischen Obersten Gerichtshof, den berühmten Satz, nach dem die Meinungsfreiheit Matrix und unabdingbare Voraussetzung aller anderen Arten von Freiheit sei. Mit anderen Worten: Alle anderen Freiheiten, insbesondere die Freiheit der Presse, der Wissenschaft und der Kunst, wären ohne sie nicht denkbar. Dieser Auffassung hat sich auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen. In seiner grundlegenden und wohl bedeutendsten Entscheidung zur Meinungsfreiheit des Grundgesetzes – dem sogenannten Lüth-Urteil vom 15. Januar 1958 – heißt es: »Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt […] Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist […] Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt.« Angesichts dieser allgemeinen Wertschätzung sollten nicht nur Verfassungsrechtler hellhörig werden, wenn seit Jahren immer wieder gefordert wird, aufgrund von Hassreden, Shitstorms und der Zunahme von Fake News im Internet müssten wir die Meinungsfreiheit »neu denken«.
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“Ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen”
Das Lüth-Urteil stellt zusätzlich einen bedeutenden Meilenstein in der deutschen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit dar und verdeutlicht die fundamentale Rolle, die diese Freiheit im demokratischen Gefüge einnimmt. Es wird somit im allgemeinen klar, dass der Staat keine eigene Meinung haben darf und sich nicht in die pluralistische Meinungsbildung der Bevölkerung einmischen kann.
„Die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist“
„Dies ist indessen nicht der Sinn der Verweisung auf die „allgemeinen Gesetze“. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l“homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“ (Cardozo).“
„Freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit“
Dieser Grundsatz wird durch Artikel 5 des Grundgesetzes gestützt, welches als bürgerliches Abwehrrecht konzipiert ist. Der Staat hat demnach keinerlei Befugnis, über Dritte, wie beispielsweise durch öffentliche Mittel finanzierte Nichtregierungsorganisationen, Einfluss auf die Meinungsbildung auszuüben. was durch den Tenor des 1. Rundfunkurteil klar herauszulesen ist. Dies bedeutet, dass die staatliche Neutralität in der Medienlandschaft gewahrt bleiben muss, um eine ungehinderte Meinungsvielfalt zu garantieren. Die Unabhängigkeit der Medien ist essenziell für eine funktionierende Demokratie; sie ermöglicht es den Bürgern, sich frei zu informieren und an gesellschaftlichen Diskursen teilzunehmen. Das Lüth-Urteil unterstreicht somit nicht nur die Rechte des Individuums, sondern weist auch auf die Verantwortung des Staates hin, diese Rechte zu schützen und zu respektieren.