Rentner versus Pensionäre am Bundesverfassungsgericht: “Die Richter messen mit zweierlei Maß”
Das Bundesverfassungsgericht ist äußerst streng, wenn es um die traditionellen Prinzipien des Berufsbeamtentums geht. Während andere Bestimmungen des Grundgesetzes den Veränderungen der Zeit, den veränderten Ansichten und den gesellschaftlichen Verhältnissen unterliegen, werden die Privilegien der Beamten genauso geschützt wie die Menschenwürde.
“Die dauerhafte Kürzung der Rente beim vorzeitigen Ruhestand ist mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes vereinbar”
“Die dauerhafte Kürzung der Rente beim vorzeitigen Ruhestand ist mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes vereinbar. … Nach den Worten der Verfassungsrichter durfte der Gesetzgeber auf den – durch hohe Arbeitslosigkeit ausgelösten – rasanten Zuwachs an Frühverrentungen in den 90er Jahren mit Kürzungen reagieren, um die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren.”
“Kürzung der Rente” – “Um die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren”
Neben dem Rentenurteil gibt es viele kuriose Urteile des höchsten Gerichts zum Beamtenrecht. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Allgemeinen schwer vorhersehbar. Eine Ausnahme bildet das Beamtenrecht: In wichtigen Angelegenheiten wird tendenziell zugunsten der Beamten entschieden, während in weniger wichtigen Fällen eher zu ihren Ungunsten, um damit keinesfalls der Eindruck entstehen könnte, die Verfassungsrichter wären parteiisch.
“Geldbedarf, als Begründung für Eingriffe in die Rechte der Beamten werden vom Verfassungsgericht nicht anerkannt”
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“So sind die Ansprüche von Arbeitnehmern und Rentnern durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützt. Das Verfassungsgericht beurteilt Eingriffe in das Eigentum von Arbeitnehmern und Rentnern jedoch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit. Wenn eine Maßnahme von gewichtigem öffentlichen Interesse bestimmt ist, wie beispielsweise die Renten-Nullrunde 2004, dann handelt es sich nicht um eine Verletzung von Eigentumsrechten (1 BvR 1247/07). Und als gewichtiges öffentliches Interesse gilt auch die Verbesserung der Finanzlage der öffentlichen Haushalte. Für Beamte und Pensionäre werden Verhältnismäßigkeitsüberlegungen jedoch kaum angestellt. Der Schutz der »hergebrachten Grundsätze« ist fast absolut. Haushaltstechnische Überlegungen, also schlicht Geldbedarf, als Begründung für Eingriffe in die Rechte der Beamten werden vom Verfassungsgericht nicht anerkannt. Die Richter messen mit zweierlei Maß.”
“Die Richter messen mit zweierlei Maß”
Das Bundesverfassungsgericht hat die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentner als rechtmäßig angesehen. Die Verdoppelung der Beiträge sei Teil eines Maßnahmenpakets zur Sicherung der Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und daher nicht zu beanstanden, so die Richter. Diese Maßnahme sei notwendig, um eine wachsende Finanzierungslücke aufgrund des medizinischen Fortschritts und der steigenden Anzahl älterer Menschen zu schließen – 1 BvR 2137/06. Laut den Richtern verstößt dies nicht gegen das Prinzip der Gleichbehandlung, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder den Vertrauensschutz.
„Auszahlungen aus der betrieblichen Altersvorsorge müssen ganz normal versteuert werden”
„Auszahlungen aus der betrieblichen Altersvorsorge müssen ganz normal versteuert werden. Auch Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung werden fällig – die die Betriebsrente schnell um ein Fünftel schmälern. Ein häufig genutzter Weg der betrieblichen Altersvorsorge ist die Direktversicherung in Form der Entgeltumwandlung, die Ihr Arbeitgeber für Sie abschließt. Darauf haben Sie als Arbeitnehmer sogar einen gesetzlichen Anspruch. Die Versicherung wird dann durch Ihren teilweisen Verzicht auf Gehaltsauszahlung und ggf. durch Arbeitgeber-Zuschüsse dotiert. Das so angesparte Kapital wird dann später „verrentet“ und als Betriebsrente ausgezahlt. In der Ansparphase sind die Beiträge innerhalb bestimmter Grenzen steuer- und sozialabgabenfrei. Die Grenzen werden jedes Jahr neu festgelegt. … Dabei gibt es allerdings einen „Pferdefuß“: Ihre späteren Betriebsrenten unterliegen der Steuer- und Sozialabgaben-Pflicht. Das heißt: Ein guter Teil der Steuer- und Sozialabgabenlast wird letztlich nur in die Zukunft verschoben.“
“Späteren Betriebsrenten unterliegen der Steuer- und Sozialabgaben-Pflicht”
Ähnlich ist bei anderen privaten Altersrenten zu beobachten. Durch einen Beschluss wurde eine Regelung bestätigt, die seit 2004 in Kraft ist – 1 BvR 1924/07. Diese besagt, dass auf Direktlebensversicherungen Krankenkassenbeiträge, die über zehn Jahre berechnet werden, erhoben werden, unabhängig davon, ob die Lebensversicherung verrentet oder als Einmalzahlung ausgezahlt wird. Bis zum Jahr 2003 galt dies nur für monatlich ausgezahlte Versorgungsbezüge. Die Richter sind der Meinung, dass dies weder gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt noch unverhältnismäßig ist. Obwohl die Betroffenen erheblich belastet werden, hat diese Belastung laut Richtern keine “erdrosselnde Wirkung“.
“Mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz 2004 wurde ein so genannter Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt”
“Mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz 2004 wurde ein so genannter Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt. Er berücksichtigt das zahlenmäßige Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern bei der Rentenanpassung. Veränderungen in diesem Verhältnis können sich je nach Entwicklung dämpfend oder erhöhend auf die Anpassung der Renten auswirken. Steigt zum Beispiel die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, fällt die jährliche Rentenanpassung geringer aus. Führt auf der anderen Seite die Belebung des Arbeitsmarktes zu einem Anstieg der Zahl der Beitragszahler, fallen die Rentenanpassungen entsprechend höher aus.”
Nachhaltigkeitsfaktor: “Steigt zum Beispiel die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, fällt die jährliche Rentenanpassung geringer aus”
Ein “Nachhaltigkeitsfaktor für Beamte” wurde nie wirklich umgesetzt. Auch wenn die konkreten Situationen natürlich unterschiedlich sind, so ist doch der Grundtenor der Entscheidungen sehr ähnlich: Beamte genießen einen umfassenden Vertrauensschutz, während es Arbeitnehmer kaum berücksichtigt werden. Es scheint, als ob hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Der Schutz für Beamte wird übermäßig ausgedehnt, während bei Arbeitnehmern und Rentnern abgewogen wird, ob ein Eingriff noch angemessen ist. In der Regel wird dies bejaht, solange er keine “erdrosselnde Wirkung” hat.