“Einführung eines »Feindrechts« sowie die »Rettungsfolter« gegen Terroristen” – “Nicht von Verrückten, sondern von anerkannten Juristen”
Die Debatte um dieses Thema ist in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, da sie nicht nur akademische Kreise, sondern auch die breite Öffentlichkeit tangiert. Vor allem durch die rasante Zunahme an behördlicher Macht haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Damit einhergehend stellen sich zentrale Fragen, die eigentlich einer kritischen Betrachtung bedürften.
“Rettungsfolter” – “Die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen”
>>Grundrechte: sowie Grundzüge der Verfassungsbeschwerde von Rolf Schmid (Buch) <<
“Ob „Rettungsfolter“ bzw. deren Androhung ein angemessenes Mittel ist, ist zwar nicht unbedenklich, allerdings werden diejenigen, die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen, sollte der vom Verfasser konstruierte Fall Wirklichkeit werden. Auch das BVerfG grenzt neuerdings „Berührungen“ von „Verletzungen“ der Menschenwürde ab und macht offenbar „Berührungen“ der Menschenwürde einer Abwägung mit anderen Verfassungsgütern zugänglich. Im Übrigen sollte man sich die Frage stellen: Was wäre das zudem für ein Staat, in dem die Menschenwürde eines menschenverachtenden Täters Vorrang vor dem Leben Unschuldiger hätte? “
“BVerfG grenzt neuerdings „Berührungen“ von „Verletzungen“ der Menschenwürde ab”
Über Jahrhunderte hinweg, hat sich diese Praktik immer wieder aufs Neue etabliert, oft unter dem Vorwand, Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Diese Tendenzen wurden durch Kriege, Revolutionen und politischen Umbrüchen verstärkt, in denen Folter als Werkzeug der Macht eingesetzt wurde. Diese Vergangenheit wirft nicht nur Fragen der Moral auf, sondern zeigt auch, wie leicht es ist, humanitäre Standards zu relativieren, wenn die Gesellschaft unter Druck steht. Es muss also nur das passende Umfeld geschaffen werden.
“Einführung eines »Feindrechts« sowie die »Rettungsfolter« gegen Terroristen” – “Nicht von Verrückten, sondern von anerkannten Juristen”
>>Angriff auf die Freiheit von Ilija Trojanow & Juli Zeh (Buch) <<
“Vielleicht heißt dieser neuartige Krieg »asymmetrisch«, weil der Feind vom gültigen Rechtssystem ausgeschlossen wird, also weder den Status eines Verbrechers noch den eines Kriegers zugestanden bekommt, so daß weder das Strafgesetzbuch noch die Genfer Konventionen für ihn Anwendung finden. Dies führt direkt nach Abu Ghraib und Guantánamo und somit in die Barbarei. Das ist bedrohlich. Sie glauben, derartiges habe bei uns niemand vor? Die zynische Gegenfrage lautet, wer noch etwas dagegen hätte. Auch bei uns werden die Einführung eines »Feindrechts« sowie die »Rettungsfolter« gegen Terroristen diskutiert. Nicht von Verrückten, sondern von anerkannten Juristen.”
Feindstrafrecht: Was bedeutet es und wie wird es angewendet?
Die Frage des Feindstrafrechts wird in diesem Kontext besonders relevant, da es nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern auch die moralischen Implikationen von Folter und anderen Extremmaßnahmen beleuchtet. Feindstrafrecht bezeichnet einen Ansatz, der darauf abzielt, bestimmte Personen oder Gruppen als „Feinde“ zu klassifizieren, was es der Regierung erlaubt, von konventionellen Rechtsstandards abzuweichen. Dieser Paradigmenwechsel hat tiefgreifende Auswirkungen auf die individuelle Freiheit und die Wahrung von Menschenrechten. In vielen Fällen wird argumentiert, dass die Bekämpfung eines vermeintlichen Feindes einen erhöhten Handlungsspielraum rechtfertigt. Doch gerade hier offenbart sich eine gefährliche Abwärtsspirale: Indem gesellschaftliche Gruppen kriminalisiert und ihrer Rechte beraubt werden, entsteht ein Klima der Angst und des Misstrauens, das weit über die betroffenen Individuen hinaus reicht. Die Verquickung von Sicherheitsinteressen und der Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsanteile führt nicht nur zu einer Diskriminierung, sondern untergräbt auch den sozialen Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft
Kampf gegen den Terrorismus
Der Kampf gegen den Terrorismus hat in vielen Ländern zu einer revidierten Auffassung von Sicherheit geführt, wobei oft die Grenzen des Akzeptablen verschoben werden. In diesem Kontext wird die Argumentation, dass Folter als Mittel zur Erlangung entscheidender Informationen legitimiert werden kann, zunehmend diskutiert. Anhänger dieser Sichtweise berufen sich darauf, dass in extremen Situationen außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich seien, um das Leben Unschuldiger zu schützen. In der Praxis stellt sich diese Argumentation nur als Einfallstor heraus. Ohnehin hat sich die Wahrnehmung, was Folter über sei, schon längst verschoben.
“Hamburger Folteropfer – Achidi John: Verdrängt und vergessen”
“Hamburger Folteropfer – Achidi John: Verdrängt und vergessen – Am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg verstarb 2001 ein 19-Jähriger nach dem Einsatz von Brechmitteln. Bis heute gibt es keine Aufarbeitung. … Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, fünf Polizisten fixierten seine Beine und drückten seinen Oberkörper zu Boden. Währenddessen flößte ihm eine Rechtsmedizinerin mit der Magensonde 30 Milliliter des Brechsirups Ipecacuanha und 800 Milliliter Wasser ein. Infolgedessen fiel John ins Koma. Vier Tage später wurde die intensivmedizinische Behandlung abgebrochen und John verstarb noch im Krankenhaus.”
“Brechsirups” – “Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, fünf Polizisten fixierten seine Beine und drückten seinen Oberkörper zu Boden”
Zur Vollständigkeit: Die entdeckten verbotenen Substanzen wiesen einen Straßenverkaufswert von wenigen Euro auf, und zu diesem Zeitpunkt war der Einsatz von Brechmitteln rechtlich gestattet. Dieses grundlegende Muster lässt sich ebenso auf andere Fälle anwenden. Durch Verfügung, Gesetz oder Urteil wird eine Praxis – wie die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln – legitimiert, wodurch die Exekutive – also die Polizei – erweiterte Befugnisse erhält und letztlich das Prinzip der organisierten Verantwortungslosigkeit vorherrscht. Ähnliche Vorgänge sind auch bei der zwangsweisen Entsperrung von Mobiltelefonen zu beobachten.
“Handy zu entsperren” – “Der Ermittlungsrichter ordnete an, dass dem Mann Fingerabdrücke abgenommen werden”
“Ein Beschuldigter hatte sich geweigert, sein Handy zu entsperren. Er war vor allem nicht bereit, den passenden Finger auf den Fingerabdrucksensor zu legen. Der Ermittlungsrichter ordnete an, dass dem Mann Fingerabdrücke abgenommen werden. Mit den Prints entsperrte die Polizei selbst das Handy. Diese Maßnahme ist nach Auffassung des Landgerichts Ravensburg durch § 81b Abs. 1 StPO gedeckt. Dieser Paragraf lässt die Abnahme von Fingerabdrücken zu, soweit dies für das Strafverfahren notwendig ist. Natürlich war die Vorschrift nie und nimmer dafür gedacht, biometrische Sperren zu umgehen. Als sie in Kraft trat, war das Leben noch 100 % analog, und es ging um den Vergleich von Tatortspuren oder Identifizierung von Personen. Doch für die Ravensburger Richter ist das kein großes Problem. Sie meinen, der „statische Wortlaut“ sei eben „technikoffen“ formuliert.”
“Vorschrift nie und nimmer dafür gedacht, biometrische Sperren zu umgehen”
Die erzwungene Entnahme von Fingerabdrücken lässt sich sicherlich mit der gewaltsamen Verabreichung von Brechmitteln vergleichen. Sollte der Beschuldigte sich zur Wehr setzen, könnte dies äußerst unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen. Die Grenzen zur Folter verschwimmen somit bereits zunehmend. Auch das Thema Untersuchungshaft wird immer deutlicher als ein Instrument offenkundig zur sogenannten “Wahrheitsfindung” genutzt.
“Richter krank, Vertreterin mit “eigenen” Haftsachen beschäftigt”
“Richter krank, Vertreterin mit “eigenen” Haftsachen beschäftigt: Das sind Gründe für ein überlanges Haftprüfungsverfahren, aber keine guten, stellte das BVerfG nun klar und gab einem Beschuldigten Recht, der monatelang in U-Haft saß. Ein Beschuldigter saß knapp ein Jahr in Untersuchungshaft, bis diese das erste Mal geprüft wurde.”
“Beschuldigter saß knapp ein Jahr in Untersuchungshaft, bis diese das erste Mal geprüft wurde”
Das Urteil kann jedoch auch aus einer anderen Perspektive betrachtet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat durch die Anordnung von einem Jahr Untersuchungshaft im Grunde genommen einen Freibrief ausgestellt. Darüber hinaus stellt auch eine verlängerte Haftdauer kein Hindernis dar, es reicht aus, wenn die Beamten sich eine “bessere Begründung” überlegen. Eine wirkliche Obergrenze scheint es offensichtlich nicht zu geben. Zudem betrifft dies keine rechtskräftig verurteilten Personen. Letztlich könnte diese Untersuchungshaft dazu verwendet werden, um falsche Geständnisse zu erzwingen, was in gewisser Weise an Folter erinnert. Zu all den Forderungen lässt sich eigentlich nur Folgendes sagen: Der Schutz der Menschenwürde muss unantastbar sein und darf niemals den Launen aktueller Strömungen oder politischen Interessen untergeordnet werden.