Eckpunktepapier zur Vermeidung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln ist ein Herumdoktern ohne Rücksicht auf Risiken und Nebenwirkungen
„Gut, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf die dramatischen Versorgungsengpässe bei Krebsmedikamenten, Antibiotika und Fiebersaft für Kinder reagieren will. Schlecht, dass an den Ursachen für die bestehenden Missstände wieder mal nur herumgedoktert werden soll, ohne Rücksicht auf Risiken und Nebenwirkungen“, sagt Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zu Lauterbachs Eckpunktepapier zur Vermeidung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln.
___________________
Von Kathrin Vogler
___________________
Vogler weiter:
„Wird die Preisobergrenze für bestimmte Kinderarzneien um das 1,5-fache eines aktuell bestehenden Festbetrags angehoben, setzt das voraus, dass die Pharmaindustrie transparent macht, wie sich der aufgerufene Preis für ein Medikament zusammensetzt. Es muss ausgeschlossen werden, dass diese Entscheidung letztendlich nur den Profit der Konzerne steigert.
Um die Vorhaltung versorgungskritischer Arzneimittel zu gewährleisten, will Lauterbach zudem eine ‚kontinuierliche Marktbeobachtung‘. Das ist längst überfällig, reicht aber nicht aus: Nach Paragraph 52b des Arzneimittelgesetzes sind die Pharmaunternehmen verpflichtet, eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung der in Verkehr gebrachten Arzneimittel sicherzustellen. Hier muss deshalb endlich auch über Regelungen gesprochen werden, die strategischer Verknappung und Preispoker durch die Pharmaindustrie einen Riegel vorschieben.
Der im Eckpunktepapier angekündigte Versuch, das System der Rabattverträge für patentfreie Krebsmedikamente und Antibiotika aufzubrechen, zeigt, dass Lauterbach das Problem ‚Globalisierung und fragile Lieferketten‘ zwar erkannt hat, es aber so nicht lösen kann. Neben dem günstigsten Anbieter aus dem nicht-europäischen Ausland – meist aus Indien oder China – soll nun auch immer in einem zweiten Los der günstigste Hersteller aus der EU berücksichtigt werden. Zum einen sind europäische Firmen vielfach abhängig von Wirkstoffimporten aus Drittländern, für viele Wirkstoffe gibt es kaum alternative Produzenten. Zum anderen werden auch innerhalb der EU viele Generika nur noch von wenigen oder gar einzelnen Firmen produziert, so dass diese bei den Ausschreibungen wieder Fantasiepreise ansetzen könnten – zu Lasten der ohnehin gebeutelten Krankenkassen.
DIE LINKE warnt schon seit Jahren vor Lieferengpässen bei Arzneimitteln und fordert ein Ende des Rabattvertragssystems als deren wichtigste Ursache. In der Kassenversorgung braucht es realistische Festpreise, die für die Unternehmen kostendeckend sind und für die Patienten Aufzahlungen verhindern. Nur so ist eine wirtschaftliche Versorgung durch eine ausreichende Zahl von Anbietern zu gewährleisten und monopolisierte Versorgung zu vermeiden.
So lange es von staatlicher Seite keine konsequente Kontrolle gibt, welche Arzneimittel wie, wo, in welchen Mengen und zu welchem Preis hergestellt werden oder ob essentielle Arzneimittel tatsächlich in ausreichendem Maße bevorratetet werden, um akute Arzneimittelengpässe auszugleichen, wird es immer wieder zu solchen Versorgungsengpässen kommen. Wenn die Pharmaindustrie über ‚politisch gewollten Kostendruck‘ lamentiert und die Produktion dringend benötigter Fiebersäfte für Kinder als ‚Verlustgeschäft‘ bezeichnet, darf die Antwort aus dem Ministerium nicht sein, die Unternehmen mit noch attraktiveren Bedingungen zu locken und dafür der ohnehin schon defizitären GKV und damit den Beitragszahlern noch tiefer in die Taschen zu greifen. DIE LINKE fordert eine Arzneimittelforschung und -produktion, die sich an den Bedarfen der Menschen und nicht am Gewinnstreben der Pharmaindustrie orientiert.“