Die neue Seidenstraße: von China nach Europa mit der Eisenbahn

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

China baut sein Hochgeschwindigkeitszugnetz immer weiter aus. Das Land verfügt mit einer Netzlänge von über 11.000 Kilometern bereits über das weltweit längste Schienennetz für Hochgeschwindigkeitszüge. Bis Ende 2015 sollen mehr als 16.000 Kilometer Schnellfahrstrecke existieren.

___________________

Von Martin Randelhoff

___________________

Aber nicht nur innerhalb des Landes plant China Hochgeschwindigkeitsstrecken. Längst sind Strecken nach Laos, Thailand, Malaysia, Kambodscha und Myanmar in Planung oder bereits im Bau.

Aber dies scheint dem Reich der Mitte noch nicht genug zu sein. Im Dezember 2010 hat China Bulgarien eingeladen, zusammen mit der Türkei an einer Hochgeschwindigkeitsstrecke von China bis nach Europa zu arbeiten. Die Strecke soll auf 320 Stundenkilometer ausgelegt werden. Insgesamt sind drei unterschiedliche Trassenverläufe im Gespräch.

Finanziert werden soll dieses massive Bauprojekt von China. Allerdings dürfte China Gegenleistungen erwarten. Myanmar liefert zum Beispiel Lithium an China als Austausch für die Finanzierung und den Bau der Eisenbahnstrecke von China in das international isolierte Land.

Mögliche Trassenverläufe China – Zentralasien – Europa

Für die Eisenbahnverbindung nach Europa wird auch über einen alternativen Trassenverlauf durch den Nahen Osten, Pakistan und Indien nachgedacht. Die Route wäre vor allem im Interesse Indiens, dass allerdings aufgrund politischer Erwägungen nicht allzu gewillt sein dürfte, mit China zusammenzuarbeiten.

Nutzung der transsibirschen Eisenbahn

Alternativ ist auch eine Streckenverbindung zwischen Peking – Moskau – Berlin im Gespräch, auf der bereits streckenweise die Transsibirische Eisenbahn verkehrt. Die transsibirische Eisenbahntrasse und die Verbindung zwischen Ost-Kasachstan und Nordwest-China, die Dsungarische Pforte, sind jedoch bereits heute gut ausgelastet, sodass die Kapazität nur schwer erhöht werden kann. Des Weiteren ist derzeit eine Verlängerung des Breitspurnetzes bis nach Wien im Gespräch.

Die Strecke Peking – Moskau – Berlin / Wien durch die kasachische Steppe

Die mittlere Route würde von Peking nach Berlin oder Wien – unter Einbeziehung oder Auslassung der russischen Hauptstadt Moskau – führen. Eine mögliche Routenführung wäre folgende: Lviv – Kiew – Volgograd – Astrakhan – Aral’sk – Ürümqi – Lanzhou – Xi’an – Zhengzhou – Peking. Diese Strecke würde großteils durch flache Steppe führen, wäre also einfach und schnell zu bauen. Der Zugang nach China würde einfach durch die Tien Shan und Altai Gebirge erfolgen. Im Dezember 2014 wurde die Erweiterung des chinesischen HGV-Netzes bis Ürümqi eröffnet.

Im Oktober 2014 haben russische und chinesische Vertreter eine Vereinbarung zur Entwicklung einer Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Peking und Moskau unterschrieben. Die über 7.000 Kilometer lange Schnellfahrstrecke zwischen beiden Hauptstädten soll etwa 150 Milliarden US-Dollar kosten. Die Streckenhöchstgeschwindigkeit soll auf 400 km/h projektiert werden und eine Fahrzeit von etwa 33 Stunden ermöglichen. Derzeit dauert eine Zugfahrt zwischen Peking und Moskau mindestens sechs Tage.

Als erster Streckenabschnitt soll die 770 Kilometer lange Schnellfahrstrecke Moskau – Kasan dienen. Die Schnellfahrstrecke führt über die Städte Wladimir, Nischni Nowgorod sowie Tscheboksary bis nach Kasan und soll 2018 eröffnet werden. Sie ist Teil der geplanten Verbindung von Moskau nach Jekaterinburg. Die Finanzierung der Schnellfahrstrecke Moskau – Kasan in Höhe von rund 23,2 Milliarden Euro ist zurzeit jedoch noch unklar. Von den Kosten könnten etwa 8,2 Milliarden Euro von chinesischen Investoren getragen werden. Eine entsprechende Vereinbarung unterschrieben Xu Shaoshi, der Vorsitzende der chinesischen National Development and Reform Commission, der russische Verkehrsminister Maxim Sokolov, der Generaldirektor der China Railway Corporation, Sheng Guangzu, und der Präsident der russischen Eisenbahn (RZD), Vladimir Yakunin. Die russische Regierung hat darüber hinaus sechs Milliarden Rubel für die Planung und Vorarbeiten der Schnellfahrstrecke in das Budget des Jahres 2015 eingestellt.

Chinesische Investoren könnten neben den Investitionskosten für die Schnellfahrstrecke Moskau – Kasan auch eine Verlängerung bis Kasachstan und weiter bis nach China finanzieren.

Bereits in den 1960er Jahren plante die Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik der Vereinten Nationen, ESCAP, ein 114.000 Kilometer langes Trans-Asien-Eisenbahnprojekt, das Europa mit China verbinden sollte. Dieses Vorhaben wurde jedoch durch die Kriege in Indochina, die chinesische Kulturrevolution sowie die mangelnden finanziellen Mittel ausgebremst. 2006 unterzeichneten 22 asiatische Länder die Absichtserklärung, eine solche Linie bauen zu wollen. Aufgrund dieser Erklärung wurde mit dem Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken von China nach Laos und Thailand begonnen.

Unabhängig davon wird derzeit an einer Eisenbahnstrecke von Kasachstan nach China gearbeitet, die pro Jahr 40 Millionen Tonnen Güter transportieren soll. Innerhalb Kasachstans wird die Strecke Dosty – Aktogai errichtet. Diese soll später nach Europa verlängert werden.

Die Strecke Guangzhou – Istanbul durch Zentralasien

Die südlichste Route würde von Guangzhou nach Istanbul über Van, Teheran, Kabul, Islamabad, Delhi, Dhaka und Kunming führen. Neu errichtet werden müssten 165 Kilometer Strecke von der chinesischen Stadt Kashgar bis zur chinesisch-kirgisischen Grenze sowie 268,4 Kilometer Strecke durch Kirgisistan. Der Bau der innerkirgisische Strecke würde etwa zwei Milliarden Dollar kosten. Der Vorschlag zum Bau dieser Strecke wurde erstmals im Jahr 1997 gemacht, jedoch konnte Kirgisistan bislang die zum Bau notwendigen Finanzmittel nicht bereitstellen.

Durch Usbekistan und Afghanistan würde der Anschluss an das iranische Netz hergestellt werden. Vom innerchinesischen Teil dieser Hauptstrecke würden Nebenstrecken nach Hanoi und Ho Chi Minh City, Bangkok, Kuala Lumpur und Singapur abzweigen. Diese Strecke wäre die kürzeste der drei möglichen Routen. Problematisch sind jedoch das hügelige Gelände und die verschiedenen politischen Probleme zentralasiatischer Länder untereinander sowie der drohende Affront gegenüber Russland. So kam es 2010 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und der usbekischen Minderheit im Süden von Kirgisistan. Ebenso umstritten ist die Streckenführung innerhalb Kirgisistans, da im geplanten Verlauf 40 Prozent des Grundvorkommens liegen. In Kirgisistan selbst besteht außerdem Skepsis, dass das Land zu einer Art Chinatown wird und vor allem chinesische Wanderarbeiter die Strecke errichten werden.

Bau der Bahnstrecke China – Kirgisistan – Usbekistan

Mitte 2013 haben die beteiligten Länder bekannt gegeben, den Bau der Bahnstrecke China – Kirgisistan – Usbekistan im Jahr 2014 beginnen zu wollen. Die Streckenlänge wird etwa 270 Kilometer betragen und 4,5 Milliarden US-Dollar kosten. Jedoch ist die genaue Trassenführung noch unklar. Zur Debatte stehen eine 257 Kilometer lange Strecke mit 48 Tunneln, 95 Brücken und vier Zwischenhalten (Baukosten: 4,5 Milliarden Dollar) und eine 430 Kilometer lange Strecke für etwa 6,6 Milliarden Dollar. Welche Variante gewählt wird, ist vor allem davon abhängig, ob die Strecke durch die kirgisische Hauptstadt Bischkek führen soll.

Die Strecke wird in Nähe der chinesischen Stadt Kaxgar die chinesisch-kirgisische Grenze überqueren, auf einer noch unbestimmten Route durch Kirgisistan durchqueren und nahe der kirgisischen Stadt Karasuu nach Usbekistan führen. Auf usbekischer Seite soll in Andijon der Anschluss an das usbekische Eisenbahnnetz hergestellt werden.

Kirgisistan erwartet durch die Eisenbahnstrecke jährliche Einnahmen von etwa 200 Millionen US-Dollar, 2.000 neue Arbeitsplätze und etwa 250.000 Touristen aus China. Die Reisezeit von Ostasien nach Zentralasien soll um sieben bis acht Tage sinken. Der Bau des Streckenabschnitts China – Kirgisistan (~2,5 Milliarden US-Dollar) wird von chinesischen Investoren finanziert, die im Gegenzug Zugang zu Aluminiumvorkommen erhalten.

Anbindung an das europäische Eisenbahnnetz über die Türkei (Kars – Edirne)

Die Anbindung an das türkische Eisenbahnnetz und die weitere Anbindung nach Europa wären ohne größere Probleme möglich. Die osttürkische Stadt Kars befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Grenze zu Armenien und Georgien. Die strategisch wichtige Eisenbahnstrecke Baku-Tbilisi-Kars (BTK) wird derzeit gebaut. Zudem liegt Kars an der Bahnstrecke Istanbul–Ankara–Kayseri–Sivas–Erzurum–Gjumri (Armenien). Türkische und chinesische Vertreter diskutieren den Bau einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Kars nach Edirne. Die Kosten werden mit etwa 35 Milliarden Dollar angegeben, von denen China etwa 30 Milliarden Dollar als Kredit gewähren würde.

Edirne liegt 220 km westlich von Istanbul nahe dem Dreiländereck Bulgarien, Griechenland und Türkei am Nordufer des türkisch-bulgarisch-griechischen Grenzflusses Meriç. Durch die Stadt verläuft die Eisenbahnlinie Sofia–Istanbul und somit die direkte Verbindung der Türkei nach Bulgarien. Derzeit verläuft mit dem Optima Express eine privat betriebene Autozugverbindung (3x wöchentlich) vom österreichischen Villach nach Edirne (1.400 km).

Die Strecke Edirne-Kars verläuft durch 29 türkische Provinzen. Die Reisezeit soll von heute 36 Stunden auf etwa 12 Stunden sinken. Bei Istanbul soll die Strecke durch den Marmaray-Eisenbahntunnel geführt werden, der unter dem Bosporus hindurchführt und Asien mit Europa verbindet. Das Marmaray-Projekt soll bis zum 29. Juni 2015 abgeschlossen sein.

Vorbehalte gegen wachsenden chinesischen Einfluss in Zentralasien

Die größten Hindernisse einer Eisenbahnverbindung zwischen China und Europa wären keine technischen, sondern politische. China hat mit dem schwierigen Bau der Eisenbahnstrecke nach Tibet bewiesen, dass es auch schwierige technische Herausforderungen meistern kann. Eine Strecke durch Pakistan, den Iran und den restlichen Nahen Osten würde aber einige Probleme auf politischer Ebene mit sich bringen. Eine Route durch Kasachstan und Russland scheint politisch weniger heikel zu sein, würde aber den Iran tangieren. Dies kann vor allem in Europa zu Bedenken führen, die jedoch unbegründet sein könnten. Schließlich betreiben die türkische, iranische, kasachische, tadschikische, turkmenische, kirgisische und usbekische Eisenbahnen seit 2002 den Eurasia Block Container Train, einen Containerzug, der auf der Strecke Istanbul–Ankara–Teheran–Taschkent–Almaty verkehrt.

Die Konkurrenz zwischen China und Russland um Einfluss im zentralasiatischen Raum schränkt die Trassenwahl ebenfalls ein. Eine Strecke von China durch die ehemalige Sowjetrepublik Kirgisistan wäre am effizientesten, wenn die Strecke in Normalspur (1435mm) ausgeführt werden würde. Dies kollidiert jedoch mit der derzeit genutzten russischen Breitspur und den Plänen Russlands, eine Nord-Süd-Verbindung durch Kirgisien, Tadschikistan und Afghanistan bis nach Indien zu errichten.

Natürlich muss man sich klar darüber sein, dass es China vor allem um eine wachsende Einflussnahme in der Region geht. Mit einer Eisenbahnstrecke ließe sich der chinesische Einfluss in der Region sicherlich steigern. Des Weiteren würde sich China Zugriff auf wichtige Rohstoffe wie zum Beispiel Lithium sichern. Die chinesische Regierung bietet vielen zentralasiatischen Ländern an, Investitionen in die lokalen Eisenbahnnetze mit Schürfrechten oder Rohstofflieferungen zu bezahlen.

Abgesehen davon stellt sich mir persönlich die Frage nach dem Sinn einer solchen Hochgeschwindigkeitsstrecke, die zeitlich keinesfalls mit dem Flugzeug, das für diese Strecke zwischen 10 und 14 Stunden benötigt, konkurrieren könnte. Eher wäre eine Art “Intercity”-Zug denkbar, der die mangelhaft untereinander verbundenen Städte Zentralasiens mit China und Europa verbindet. Ich kann mir jedoch sehr gut Gütertransporte auf dieser Strecke vorstellen. Diese würden die Transportzeit von China nach Europa gegenüber dem Schiffstransport (circa 20 Tage) erheblich verkürzen und könnte für den Transport zeitsensitiver Güter, deren Transport per Flugzeug im Vergleich zum Warenwert zu aufwendig wäre, dienen. Bereits 2008 hat die Deutsche Bahn einige Güterzüge von und nach China fahren lassen.

In Xiangtang, rund 700 Kilometer nördlich von Hongkong, ist am Freitag ein Container-Zug Richtung Deutschland abgefahren. Der mit 50 Containern beladene Fujitsu Siemens Computers Company-Train transportiert im Auftrag des in München ansässigen Unternehmens in China produzierte IT-Produkte wie Monitore und Chassis nach Hamburg. In der Hansestadt wird der von DB Schenker in Zusammenarbeit mit der Russischen Eisenbahn RZD und den chinesischen Eisenbahnen betreute Zug nach 17 Tagen und über 10.000 Kilometer Strecke am 6. Oktober erwartet.
Der Zug, dessen gesamter Vorlauf in China von verschiedenen DB-Schenker-Gesellschaften organisiert wurde, durchquert China, die Mongolei und passiert bei Irkutsk die Grenze zu Russland. Er folgt im weiteren Verlauf der Trans-Sibirischen Eisenbahn via Nowosibirsk, Omsk, Ekaterinburg bis Moskau. Von dort rollt er über Weißrussland und Polen weiter nach Deutschland. Nach der Ankunft in Hamburg werden die 50 Container in zwei Richtungen weitergeleitet: Die Monitore gelangen mit dem Zug weiter ins europäische Verteilzentrum von FSC nach Worms, die Chassis fahren direkt bis zur Fabrik nach Augsburg, in der PCs und Server produziert werden. Rund 60 Prozent der Produktion von Fujitsu Siemens Computers findet in Deutschland statt.

“Mit Fujitsu Siemens Computers hat uns erstmals ein Unternehmen damit beauftragt, einen kompletten Zug auf dem Landweg von China nach Deutschland zu fahren. Unsere Company-Trains wollen wir weiterentwickeln, weil es für viele unserer Kunden eine zukunftsfähige Ergänzung zum Schiff und zur Luftfracht ist”, sagt Hartmut Albers, Geschäftsführer der Trans Eurasia Logistics bei DB Schenker. “Zugleich markiert dieser Zug den Einstieg in den Regelverkehr auf der bedeutenden Handelsachse: In einigen Monaten planen wir die Betriebsaufnahme des Trans Eurasia Express, einer wöchentlichen Verbindung China – Deutschland mit Abfahrten in beiden Ländern.”

Unterschiedliche Spurweiten behindern Interoperabilität zwischen den Netzen

Bis zu einem Baubeginn wären aber noch einige Probleme zu lösen. Dies betrifft nicht nur politische, sondern auch Probleme der unterschiedlichen Spurweiten. Diese beträgt in Europa, dem Iran, der Türkei und China 1435 mm, in großen Teilen Indiens und Pakistans 1676 mm, in Russland und den meisten angrenzenden Ländern jedoch 1524 mm. Dies würde umfangreiche Umspurungsmaßnahmen oder in vielen Ländern die Errichtung eines Eisenbahnnetzes mit anderer Spurweite mit sich bringen (wie zum Beispiel das spanische Hochgeschwindigkeitsnetz). Unterschiede gibt es auch bei den Kupplungen: In Europa werden Puffer und Schraubenkupplung verwendet, in Russland und China die russische SA-3 Kupplung. Dies würde den Einsatz eines Unikuppler (UIC 69e) notwendig machen.

Die 250 km/h-Hochgeschwindigkeitsstrecke Ürümqi – Lanzhou – Xi’an – Zhengzhou – Peking mit einer Gesamtlänge von etwa 3.600 Kilometern wurde im Dezember 2014 eröffnet. Der Bau der restlichen Eisenbahnstrecke bis Europa würde bis etwa 2025 dauern.