Die Macht des Geldes im antiken Rom
Die Könige Numidiens waren für ihre außergewöhnliche Langlebigkeit bekannt. Massinissa, der während des Zweiten und Dritten Punischen Krieges Roms Verbündeter war, beherrschte das Gebiet des heutigen Algerien von 201 bis 149 v. Chr. Sein Sohn Micipsa regierte bis 118 v. Chr. Numidien war jedoch stark von internen Machtkämpfen innerhalb der königlichen Familie betroffen, die das Land in Kriegszeiten verwandelten, besonders während Thronwechseln.
Dies geschah auch, als Micipsa starb. Jugurtha, der uneheliche und später adoptierte Sohn des Königs, kämpfte mit den beiden rechtmäßigen Söhnen Micipsas, Hiempsal und Adherbal, um die Herrschaft. Er ließ Hiempsal töten, während Adherbal fliehen konnte. Durch römische Vermittlung wurde das Reich zwischen den verfeindeten Brüdern aufgeteilt. Doch der Frieden war fragil. Im Jahr 112 v. Chr. griff Jugurtha Adherbals Anteil an dem Königreich an und eroberte kampflos die Hauptstadt Cirta. In der Stadt ließ er ein Massaker unter der Bevölkerung anrichten, zu den Opfern zählte auch Adherbal. Für die Römer stellte dies den Anlass für den Krieg dar. Der Konsul Lucius Calpurnius Bestia überquerte im Jahr 111 v. Chr. mit einer Armee nach Afrika und begann die Kampfhandlungen gegen Jugurtha.
Zunächst erzielten die Römer rasche Fortschritte und machten viele Gefangene. Doch je länger der Konflikt andauerte, desto weniger Initiative zeigte der Konsul. Der Krieg schien sich festzufahren. Jugurtha hatte hervorragende Kontakte zur politischen Elite in Rom entwickelt, nachdem er in Spanien an der Spitze eines numidischen Söldnerkontingents gegen die Römer gekämpft hatte. Diese Kontakte wusste er nun geschickt zu nutzen. Während Bestia seine Truppen durch Italien Richtung Sizilien transportierte, sandte Jugurtha seinen Sohn und zwei Vertraute nach Rom mit dem Auftrag, die Macht des Geldes an jedem Einzelnen zu testen, wie Sallust, der Chronist des Krieges, sinngemäß berichtet.
Da sie keine Kapitulationserklärung überbrachten, wurde ihnen jedoch der Zugang zum Senat verwehrt. Dagegen fanden Jugurthas Gesandte bei Bestia viel mehr Gehör. Sallust beschreibt den Konsul als einen Mann mit vielen positiven Eigenschaften: erfahren, mutig, entschlossen und intelligent. Dennoch wurde all dies durch sein größtes Laster zunichtegemacht: seine unstillbare Gier nach Reichtum. Jugurtha stellte Bestia sowie seinem Legaten Marcus Aemilius Scaurus hohe Geldsummen in Aussicht, die beide nicht ablehnen konnten. Sie ließen sich bestechen und schlossen mit Jugurtha einen Waffenstillstand, der später in Rom ratifiziert wurde. Auch in diesem Fall hatte Jugurtha durch großzügige Zahlungen an einflussreiche Magistrate hervorragende Vorarbeit geleistet. Zur Unterzeichnung des Friedens reiste der König persönlich nach Rom: Er hatte absichtlich seinen prächtigen Gewand gegen einfache Kleidung getauscht, um Mitleid zu erregen.
Dennoch ging sein Plan nicht auf. Inzwischen hatte der ehrgeizige Politiker Spurius Postumius Albinus das Konsulat übernommen und wollte seine Amtszeit mit einem Krieg in Afrika krönen. Daher ermutigte er den in Rom lebenden Numider Massiva, einen Cousin Jugurthas, den Thron für sich zu beanspruchen. Jugurthas Antwort darauf war ein Attentat auf Massiva, der mitten in Rom von Auftragskillern ermordet wurde. Damit war der Frieden hinfällig und Postumius erhielt wie gewünscht sein Kommando.
Doch die Ereignisse des Vorjahres wiederholten sich und es kam sogar noch schlimmer: Der Krieg zog sich erneut in die Länge und es gab Gerüchte über unlautere Machenschaften im Hintergrund. Doch diesmal erlitt das römische Heer zusätzlich eine verheerende Niederlage, während Postumius den Kriegsschauplatz verlassen hatte, um die Konsulwahlen für das folgende Jahr abzuhalten. Sein Bruder Aulus Postumius, der als Legat den Oberbefehl führte, musste einen beschämenden Frieden unterzeichnen, den später der Senat annullierte. Für den Rest seiner Amtszeit war Spurius Postumius in Numidien zur Untätigkeit verurteilt worden. Der Konsul übergab seinem Nachfolger Metellus das Heer in einem katastrophalen Zustand, wofür er und sein Bruder nach ihrer Rückkehr zur Verantwortung gezogen wurden.
Den Krieg konnte schließlich erst Gaius Marius im Jahr 105 v. Chr., als Konsul erfolgreich beenden; dies geschah erst nachdem sein Quästor Sulla diplomatisch die Auslieferung Jugurthas erreicht hatte. Für Sallust war das Bellum Jugurthinum ein Beispiel für die Korrumpierbarkeit der senatorischen Elite, die seiner Meinung nach maßgeblich für den Niedergang der Republik verantwortlich war. Der Historiker war selbst Zeuge ihres endgültigen Zusammenbruchs in den Bürgerkriegen geworden. Die Kritik an der Führungsschicht und ihrer moralischen Verkommenheit zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk.
Es ist jedoch auch zu beachten, dass Korruptionsvorwürfe oft politisch instrumentalisiert wurden: Im Jahr 187 v. Chr. geriet Lucius Cornelius Scipio Asiagenus ins Visier der Volkstribunen, die ein Ermittlungsverfahren gegen den Sieger von Magnesia einleiteten; bei dieser Stadt hatte Lucius Scipio im Jahr 190 v. Chr. den Seleukidenkönig Antiochos III so gründlich besiegt, dass Roms mächtigster Gegner um Frieden flehen musste. Die Vorwürfe lauteten auf Unregelmäßigkeiten bei der Verteilung der enormen Kriegsbeute sowie persönliche Bereicherung Lucius‘ auf Kosten des Staates; letztendlich kam er jedoch relativ glimpflich davon und wurde lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt. Die politische Brisanz dieser Affäre ergibt sich daraus, dass Lucius Scipio der Bruder eines noch bedeutenderen Mannes war: Publius Cornelius Scipio Africanus, der Hannibal besiegte und gemäß dem Protokoll als Erster im Senat galt: princeps senatus.
Auch das finanzielle Verhalten von Publius Scipio wurde kurz nach 187 v.Chr untersucht; Polybios berichtet als nicht ganz unvoreingenommener Berichterstatter über „viele böswillige Beschuldigungen“. Scipio war empört; er hatte dem Fiskus Millionenbeträge eingebracht und sollte nun nachweisen, woher er lächerliche 400 000 Sesterzen stammte? Es ist unbestreitbar, dass die Vorwürfe nie konkretisiert wurden – sie könnten durchaus aus politischen Motiven erhoben worden sein; Scipio Africanus war ein Römer geworden, dem die Republik längst zu eng geworden war: Mit 31 Jahren zum Konsul gewählt, mit 33 Jahren Sieger in der entscheidenden Schlacht gegen Hannibal und mit gerade einmal 38 Jahren princeps senatus – Scipio sprengte alle Maßstäbe seiner Zeit am Tiber; damit stellte er eine potenzielle Gefahr für die auf Konsens basierende Republik dar: Wer konnte garantieren, dass sich der strahlende Sieger von Zama immer wieder so widerstandslos in die Reihen der römischen Aristokratie eingliedern würde wie nach 202 v.Chr.? Hatte die Familie Scipio nicht bereits mit Publius und Lucius zwei herausragende Kriegshelden hervorgebracht? Denkbar ist also auch, dass seine Standesgenossen mit den Vorwürfen gegen ihn versuchten zu verhindern, dass dieser Clan zu mächtig wurde; man stieß Scipio Africanus unverblümt vom Sockel seines Ruhms; das Problem lag weniger bei ihm persönlich – denn äußerlich zeigte Scipio zwar Allüren aber keine Machtgelüste – sondern vielmehr bei dem Sockel selbst; denn dieser erhob ihn über alle anderen – ob er es wollte oder nicht.