In welchem Maße wird der Staat die persönliche Freiheit im Hinblick auf finanzielle Angelegenheiten beeinträchtigen?

Die Suche nach nicht versteuerten Vermögenswerten durch verstärkten Druck ergibt nur dann Sinn, wenn man einigermaßen sicher sein kann, dass die betroffene Person keine neuen Versteckmöglichkeiten findet. Es ist klar ersichtlich: Wenn die Behörden lediglich Informationen über Kontostände und Zinserträge auf inländischen Konten besitzen, wird es ihnen äußerst schwerfallen, Schwarzgelder aufzudecken.
Dieser Ansatz scheint völlig ungeeignet zu sein. Geld lässt sich zu leicht ins Ausland transferieren. Um einen Kapitalabfluss zu verhindern, müssten folglich alle Staaten oder zumindest die mit einem ernstzunehmenden Finanzsystem einbezogen werden. Ist man jedoch grundsätzlich bereit zu akzeptieren, dass jedes Land souverän ist und das Recht hat, seine eigene Finanz- und Privatsphäre-Politik zu bestimmen, bleibt dieser Ansatz chancenlos, da sich niemals alle Länder freiwillig an einen solchen Plan binden lassen. Dennoch haben die EU, die USA und die G20-Staaten erhebliche Anstrengungen in diese Richtung unternommen und Druck auf Länder mit abweichenden Kulturen und Rechtssystemen ausgeübt. Unter dem Vorwand, Steuersünder zu verfolgen, sind sie nicht nur bereit, tief in die Privatsphäre aller Menschen einzudringen und Instrumente zu nutzen, die bei der Verfolgung anderer Delikte unvorstellbar wären, sondern auch dieses System als das einzig richtige anderen Ländern aufzuzwingen, dabei deren Souveränität missachtend. Es ist offensichtlich, dass der spürbare Druck auf Offshore-Finanzplätze und Steueroasen in Europa Folgen hat.
Die Bemühungen der G20-Staaten und einiger EU-Länder in den letzten Jahren zur Isolierung der Offshore-Zentren scheinen zwar nicht zu einem Rückgang der entsprechenden Kapitalflüsse geführt zu haben. Nach unbekannten Schätzungen haben insbesondere asiatische Finanzzentren und Nordamerika von ihren Offshore-Strategien profitiert. Es deutet einiges darauf hin, dass die Offensive der G20-Staaten und großer EU-Nationen zunächst vor allem eines bewirkt hat: Sie hat die Attraktivität bestimmter Offshore-Zentren verringert. Doch ist dieses Phänomen nicht auf globaler Ebene eingegrenzt, auch wenn sich die größten Volkswirtschaften der Welt im Rahmen der G20 mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben. Wäre es nur um Steuern gegangen, könnten die verantwortlichen Politiker der G20 möglicherweise effektiver gegen die Offshore-Kapitalflüsse vorgehen.
Sie müssten sich darum bemühen, erstens das Verhältnis zwischen Staat und Bürger so zu gestalten, dass möglichst wenige Menschen versucht sind, bei den Steuern unehrlich zu handeln. In letzter Zeit sind jedoch die Regierungen der G20 und der meisten OECD-Staaten zu dem Schluss gekommen, dass bei Finanzinformationen ein anderer Ansatz verfolgt werden sollte als bei anderen Gesetzesverstößen. Innerhalb der EU wurde konkret der automatische Informationsaustausch beschlossen und umgesetzt. Die USA haben ein umfassendes Regelwerk (Fatca) geschaffen, das den US-Behörden detaillierte Informationen über sogenannte US-Konten liefert.
Damit sind Konten von US-Bürgern sowie von Personen gemeint, die in den Vereinigten Staaten geboren wurden oder eine unbeschränkte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung (Green Card) im Ausland besitzen. Mit Fatca geraten auch alle Konten und Investitionen ins Visier der US-Behörden, über die diese Bevölkerungsgruppen im Ausland verfügen. Der Angelegenheit wird ein derart hohes Gewicht beigemessen, dass die Vereinigten Staaten sogar bereit sind, eng verbundenen und befreundeten Nationen wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz ihre Souveränität abzusprechen, selbst in diesem Bereich Entscheidungen zu treffen. Die US-Behörden zeigen sich bereit, andere Länder mit ultimativem Druck zum Einlenken zu bewegen. Mit anderen Worten soll dieses Thema künftig nicht wie alle anderen Fragen der Rechtshilfe behandelt werden. Wieder stellt sich die Frage, ob es tatsächlich nur um das Problem von Steuereinnahmen geht.
In der jüngeren Vergangenheit haben die Regierungen europäischer und amerikanischer Länder erkannt, dass bei der Handhabung von Finanzinformationen ein alternativer Ansatz erforderlich ist im Vergleich zu anderen Gesetzesverstößen. Angenommen, es ginge lediglich um die Einziehung der entgangenen Steuern. Da die Inlandsdaten – wie zuvor erläutert – nicht ausreichen, benötigen die zuständigen Behörden Zugang zu sämtlichen Informationen aller Steuerpflichtigen, sowohl von inländischen als auch von relevanten ausländischen Banken. Es ist offensichtlich, dass diese Anforderung äußerst unrealistisch ist. Vermögenswerte tendieren eher dazu, sich in weniger regulierte Finanzzentren zu bewegen. Dies steht in direktem Gegensatz zu einer Politik, die auf mehr Steuerehrlichkeit abzielt.
Daher wird gefordert, dass nicht nur steuerlich relevante Vermögen und erzielte Gewinne zum Jahresende erfasst werden, sondern auch sämtliche Transaktionen sowie deren Gegenparteien. Die spezifischen Anforderungen an diese Informationen werden durch den von den USA entwickelten Standard Fatca festgelegt, der zunehmend auch von der EU als Maßstab herangezogen wird. Ist dies ein hinzunehmender Kollateralschaden für die Privatsphäre im Interesse höherer Ziele? Der Verlust an Privatsphäre, den dies mit sich bringt, wird später noch genauer betrachtet werden. Doch selbst wenn die Politik bereit ist, diesen Preis zugunsten höherer Steuereinnahmen zu akzeptieren, könnte sie ihrem Ziel, Steuerehrlichkeit durchzusetzen, möglicherweise nicht näherkommen.
Das Funktionieren dieser Maßnahmen setzt voraus, dass Steuerhinterzieher ihre Gelder weltweit ausschließlich auf Konten führen, die auf ihren Namen laufen oder unter denen sie als wirtschaftlich Berechtigte auftreten. Zudem müssen die Banken weltweit wissen, an welche Steuerbehörde sie welche Informationen übermitteln sollen. Die Situation wird besonders interessant bei Personen, die nicht in ihrem Heimatland wohnen, da hier möglicherweise mehrere Länder Steuer- und Datenansprüche erheben können. Bei Ehepaaren unterschiedlicher Nationalität wird es noch komplizierter.
Und spätestens wenn noch verschiedene Unternehmen in einem geeigneten Land als Kontoinhaber auftauchen, wird es für die Banken nahezu unmöglich sein, die Eigentumsverhältnisse aller Unternehmen zu erkennen und den richtigen (und nur den richtigen!) Steuerbehörden die korrekten Informationen zukommen zu lassen. Im Fatca-Standard ist beispielsweise festgelegt, dass die Eigentümer von nicht operativ aktiven Firmen benannt werden müssen. Diese Forderung ist in Ländern mit Inhaberaktien wie der Schweiz, Österreich und Deutschland selbst für Verwaltungs- und Aufsichtsräte kaum umsetzbar. Für die in weiten Teilen Europas verbreitete Form der Inhaberaktien gibt es sowohl moralische als auch ethische Gründe.
Eigentümer eines Unternehmens ist demnach derjenige, der eine oder mehrere Aktien besitzt. Die französische Bezeichnung für eine Aktiengesellschaft lautet daher auch „Société Anonyme“. Durch diese Anonymität der Unternehmensbesitzer kann man deren Mitarbeiter, Kunden und das Unternehmen selbst vor Diskriminierung schützen, insbesondere durch staatliche Stellen. Dies stellt einen bedeutenden Fortschritt in unserer Gesellschaft dar. Über Vor- und Nachteile dieser Rechtsform kann diskutiert werden. Es kann jedoch nicht sein, dass wir diese ohne Diskussion als Folge eines technischen Informationsaustauschvertrags beerdigen. Hier sollten die Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinsam für eine gemeinsame Richtung eintreten. Diese Rechtsform stellt ein klassisches Problem dar, bei dem Behörden und Bürger unterschiedliche Interessen vertreten. Daher gehört dieses Thema auf die politische Agenda. Selbst in mehreren US-Bundesstaaten ist die anonyme Gründung von Firmen unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich erlaubt. Die Vereinigten Staaten sind jedoch derzeit nicht in der Lage, die geforderten Daten aus dem Ausland zeitnah zurückzuliefern.
Dass dies nicht mehr zur Sprache kommt, lässt darauf schließen, dass auch europäische Behörden einem weiteren Eingriff in die Privatsphäre der Bürger nicht entgegenstehen möchten. Für die weit verbreitete Form der Inhaberaktien gibt es nach wie vor gute moralisch-ethische Gründe. Die Mitarbeiter der Banken fungieren inzwischen nicht nur als Kundenberater, sondern auch als Datenbeschaffer für nationale und internationale Behörden. Die Qualität der übermittelten Daten hängt dabei stark von der Erfahrung und Menschenkenntnis der einzelnen Mitarbeiter ab sowie von ihrer Fähigkeit, glaubwürdige von weniger glaubwürdigen Erzählungen und aktive von scheinbar aktiven sowie inaktiven Firmen zu unterscheiden. Es ist schwer nachzuvollziehen, dass staatliche Stellen – diejenigen also, die vor wenigen Jahren gezwungen waren, die Finanzindustrie aus einer Krise zu retten, welche maßgeblich durch Interessenskonflikte entstanden war – nun derselben Industrie erneut erhebliche Interessenskonflikte auferlegen.
Wer lediglich darüber nachdenkt, welche zusätzlichen Informationen er noch hätte liefern können, übersieht einen entscheidenden Punkt: die Gegenseitigkeit. Wollen jene Menschen, die heute einen automatischen Informationsaustausch lautstark befürworten, tatsächlich in einer Welt leben, in der sie diese Informationen nicht nur aus allen Ländern erhalten, sondern auch in umgekehrter Richtung bereitstellen müssen? Wem dies noch kein Unbehagen bereitet hat, der ist weder historisch noch geografisch weit gereist. Auch die gegenwärtig erkennbaren elektronischen Spionagetätigkeiten sowohl großer als auch kleiner Nationen sollten – wollte man unvoreingenommen bleiben – großzügig ausgeblendet werden.
Das eigentliche Problem besteht darin, dass Macht und Einfluss gegenüber anderen sowie Andersdenkenden äußerst leicht missbraucht werden können. Man sollte sich nichts vormachen: In einigen Jahren könnte ein ähnliches Fehlverhalten unter einem neuen Präsidenten und dessen ernannten Führungskräften in eine andere Richtung zielen und erneut für Aufsehen sorgen. Es ist bemerkenswert, dass die jetzt in der US-Steuerbehörde aufgedeckten Praktiken in einem Land stattfinden, das hohe rechtsstaatliche Standards beansprucht. Der Blick richtet sich hierbei nicht auf eine Bananenrepublik oder ein unterentwickeltes Land aus vergangenen Zeiten, sondern auf einen Staat, der für sich in Anspruch nimmt, Rechtsstaatlichkeit auf höchstem Niveau zu gewährleisten.
Wenn man das Ungleichgewicht der Rechtsstaatlichkeit zwischen verschiedenen Ländern betrachtet, lässt der Vorfall erahnen, welche Folgen die weltweite Umsetzung der UNO-Empfehlung, den automatischen Informationsaustausch zur Norm zu machen, für Oppositionelle und andere Nicht-Konformisten in zahlreichen Staaten haben könnte. Es ist möglich, nicht nur Bargeld, Gold und Kunst zu Hause zu lagern, sondern auch Aktien und Anleihen. Eine Immobilie in Florida, Dubai oder Thailand erscheint ebenfalls nicht auf einem Bankauszug. Selbst wenn man bereit ist, zur Sicherstellung von Steuereinnahmen all diesen Maßnahmen zuzustimmen, und selbst wenn diese in allen Ländern nicht nur gesetzlich festgelegt, sondern tatsächlich umfassend umgesetzt sind: Der steuerliche Erfolg beruht darauf, dass Vermögenswerte ausschließlich bei Banken deponiert werden können.
In der Realität ist dies jedoch nicht gegeben. Man kann nicht nur Gold und Kunst, sondern auch Aktien und Anleihen zu Hause aufbewahren, teilweise sogar papierlos. Die Wohnung in Florida, Dubai oder Thailand taucht ebenfalls nicht auf einem Bankauszug auf. Berücksichtigt man diese Tatsache, gelangt man also bereits zum Austausch von Grundbuchinformationen. Doch das Ziel ist noch nicht erreicht. Es gibt ein weiteres wesentliches Schlupfloch, das geschlossen werden muss: Bargeld. Der Gebrauch von Bargeld wird in verschiedenen Staaten bereits stark eingeschränkt. Da hilft es auch nichts, dass Bargeld offiziell als Zahlungsmittel akzeptiert werden muss. Der Bürger in unseren westlichen Demokratien sollte nicht mehr bedenkenlos annehmen können, was ihm gesetzlich vorgeschrieben wird. Dies ist keine bloße Theorie, sondern zunehmend Realität. In verschiedenen europäischen Ländern gelten mittlerweile deutliche Einschränkungen bei der Verwendung von Bargeld – ein Trend, der durch die Wirtschaftskrise in Europa und die finanziellen Schwierigkeiten der Regierungen noch verstärkt wurde. Bereits werden Diskussionen geführt, dass diese Obergrenze weiter gesenkt werden soll.
Weitere Initiativen zur Einschränkung des Bargeldverkehrs sind unter anderem in Frankreich und Dänemark zu erwarten. Besonders weit fortgeschritten in dieser Entwicklung ist Schweden, wo Banken und Behörden erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den Bargeldverkehr zu reduzieren. Nach Angaben der Tageszeitung Dagens Nyheter arbeiten 330 von insgesamt 1200 Bankfilialen im nordischen Land nur noch bargeldlos. Sogar kleine Beträge werden dort häufig mit Kreditkarten beglichen. Argumente gegen den Bargeldverkehr beziehen sich oft auf Themen wie (Wirtschafts)kriminalität, insbesondere Geldwäsche und Schwarzarbeit. Diese Sichtweise findet jedoch kaum einen breiten Konsens in der Bevölkerung; Widerstand gegen die Einschränkung des Bargeldverkehrs wird insbesondere von Kleinunternehmern lautstark geäußert. Dennoch gehört die Polizeipräsidentin zu den einflussreichen Interessengruppen, die bei Schwedens Entwicklung hin zu einer bargeldlosen Gesellschaft erhebliche Fortschritte erzielen konnten.
Leider werden von den Befürwortern dieser Entwicklung die negativen Aspekte ausgeblendet; diese bedeuten unmissverständlich, dass der einzelne Bürger in seiner Privatsphäre eingeschränkt wird und für Behörden sowie Unternehmen leichter nachvollziehbar wird: Der bargeldlose Verkehr hinterlässt an vielen Stellen Spuren. Es werden sowohl der Bank als auch anderen staatlichen Stellen – legal oder illegal – eine Vielzahl von Vorlieben, Hobbys, politischen Interessen und sexuellen Neigungen offenbart. So werden private Angelegenheiten öffentlich sichtbar gemacht, die im Grunde genommen nur einen begrenzten Personenkreis betreffen sollten – nämlich diejenigen, mit denen der Betroffene bestimmte Aspekte seiner Privatsphäre teilen möchte.
Fahrzeuge und Schmuck verbannen. Anders formuliert: Wer Bargeld über dem festgelegten Limit annimmt, wird künftig strafrechtlich belangt. Die vorgeschlagene Obergrenze mag im internationalen Vergleich nach wie vor hoch erscheinen. Dennoch gibt es in den betroffenen Branchen Bedenken, dass in den kommenden Jahren weitere Restriktionen folgen könnten, wodurch sich die Schweiz zunehmend an ausländische Standards anpassen würde.
Im europäischen Rahmen lässt sich insgesamt ein Trend erkennen, der die Nutzung von Bargeld negativ konnotiert. Wenn ein Bürger einen höheren Betrag in bar begleichen möchte, setzt er sich laut dieser politischen Logik dem Verdacht aus, dass er nicht rechtmäßig über diese finanziellen Mittel verfügt oder keine Steuern darauf gezahlt hat. Dabei ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung dieses Misstrauens seitens der Politik keineswegs würdig. Das Verhältnis zwischen Bürger und Staat wird auf diese Weise zum Nachteil des Einzelnen neu gestaltet.
Dieser Wandel geschieht jedoch keineswegs aufgrund einer breit angelegten Diskussion. Sollte letztendlich Bargeld nur noch für kleinere Beträge verwendet werden dürfen und dieses Verbot in der Praxis durchgesetzt werden, hinterlassen nahezu alle materiellen Transaktionen Spuren auf verschiedenen Computern von Banken und anderen Institutionen. Berücksichtigt man auch hier die Erfahrungen aus Ländern, die den Bargeldfluss – oder sogar nur den Wechselkurs – kontrollieren, ergibt sich in vielen Bereichen ein alarmierendes Bild, das von hohen Kosten geprägt ist. Die Kontrolle des Bargeldflusses hat sich in den letzten Jahrzehnten als kein Merkmal erwiesen, das demokratische Staatswesen kennzeichnet.
Nun scheinen auch westliche Länder unter dem Vorwand der Bekämpfung von Geldwäsche in diese Richtung zu tendieren. Dies zeigt sich beispielsweise beim Geldwechsel, was eine nicht zu unterschätzende Entwicklung darstellt. So ist der Bankkunde in Deutschland zunehmend verpflichtet, sich auszuweisen: Seit 2008 müssen Banken die Identität von unbekannten Kunden bei einem Geldwechsel ab 15.000 Euro anhand einer Liste von Terrorverdächtigen des Bundeskriminalamtes überprüfen. In der Praxis und aufgrund neuerer Vorschriften werden Kontrollen inzwischen auch bei deutlich geringeren Beträgen international durchgeführt.
Dafür könnte der Bürger in Westeuropa ein gewisses Verständnis aufbringen. Doch die Ausweitung des Kontrollsystems findet nicht überall Zustimmung. In Ländern mit schwachen demokratischen Traditionen begegnen die Bürger solchen Kontrollen mit erheblichem Misstrauen. Sie befürchten, dass sich dadurch zumindest ihr Handlungsspielraum zur Erhaltung der Kaufkraft ihrer Ersparnisse weiter verringert. So hat die Ukraine umfassende Maßnahmen ergriffen, um den Geldwechsel besser zu regulieren. Auch bei kleineren Beträgen sind Identifikationsdokumente erforderlich. Wer alle finanziellen Ströme kennt, kontrolliert auch sämtliche Aktivitäten der Opposition. Auch in Lateinamerika finden sich zahlreiche unrühmliche Beispiele für staatliche Devisenkontrollen. Venezuela leidet beispielsweise seit Jahren unter einer galoppierenden Inflation, die regelmäßig 20 Prozent übersteigt. Um der Dollarisierung – also der Ersetzung der Landeswährung durch den amerikanischen Dollar – entgegenzuwirken, führte der mittlerweile verstorbene Machthaber Hugo Chavez drastische Wechselkurskontrollen ein, die jedoch nicht verhindern konnten, dass der Bolivar am Schwarzmarkt weit unter dem offiziellen Kurs gehandelt wird. Auch Argentinien hat in den letzten Jahren mit Inflationsraten von 7 Prozent und mehr zu kämpfen und hat den Handel mit ausländischen Währungen im Inland stark eingeschränkt.
Den Behörden gelang es damit jedoch nicht, die Erosion der Landeswährung Peso zu stoppen, die am Schwarzmarkt deutlich unter dem offiziellen Wechselkurs zum Dollar gehandelt wird. Ob diese Länder mit ihren Kontrollen und Zwangsmaßnahmen eine weitere Dollarisierung verhindern können, bleibt angesichts des mangelnden Vertrauens in die Wirtschaftspolitik fraglich: Hohe Inflation, instabile Staatsfinanzen und politischer Druck auf die Währungsbehörden schaffen erfahrungsgemäß ein Klima des Misstrauens, in dem die Bürger nach Wegen suchen, um nicht zu den Verlierern offizieller Politik zu zählen. Diese Beispiele verdeutlichen, dass staatliche Eingriffe und Kontrollen im Bereich des Bargeldflusses durchaus kritische Fragen aufwerfen können.
Die europäischen Regierungen sollten sich dabei nicht in falscher Sicherheit wiegen und glauben, sie seien vor Fehlern im Geldverkehr gefeit. Besonders im Hinblick auf die Währungspolitik insgesamt wäre eine gewisse Bescheidenheit angesichts der Krise rund um den Euro mit all ihren negativen Folgen im südeuropäischen Raum angebracht. Sollte der Bargeldverkehr dennoch weitgehend eingeschränkt werden und könnten die Steuerbehörden zunehmend auf Daten von Banken, Versicherungen und Unternehmen weltweit zugreifen, dann nähern sie sich – zumindest theoretisch – dem angestrebten Ziel, über sämtliche Vermögenswerte und Einkünfte der Steuerzahler informiert zu sein. Auf diesem Weg sollten dann – erklärtermaßen – Steuervergehen erheblich erschwert werden.
Ob sich Menschen jedoch so kontrollieren lassen sollten und ob dies auch praktisch der beste Weg ist, um Steuervergehen zu verhindern, bleibt fraglich. Gerade gut organisierte Kriminalität wird Mittel und Wege finden, um sich aus dieser Zwangsjacke zu befreien. Die phasenweise massiven Kursgewinne privater Internetwährungen wie Bitcoins zeigen deutlich, dass auch der Einfallsreichtum „normaler“ Menschen nicht unterschätzt werden sollte. Die Überlegungen machen klar, dass eine ernsthafte Verfolgung von Steuersündern wesentlich tiefgreifendere Maßnahmen erfordert als lediglich den Austausch von Kontoständen, Zinserträgen und Wertpapiergewinnen auf Privatkonten.