Deckname Plasmabildschirm: „Agenten innerhalb von 37 Sekunden in der Öffentlichkeit ihr Äußeres verändern“
Innerhalb weniger Minuten oder Sekunden in aller Öffentlichkeit sein äußeres Erscheinungsbild zu verändern: Das gehört für viele Spione zur Grundausstattung. Es handelt sich dabei um kein abstraktes theoretisches Wissen: Sondern dieses kommt im praktischen Einsatz zur Anwendung.
„Falschen Namen – sowie eine falsche Berufsbezeichnung“
>>Der Schattenkrieg: Israel und die geheimen Tötungskommandos des Mossad von Ronen Bergman (Buch) <<
„Al-Mabhuh war oft in Dubai. Sein am 19. Januar 2010 begonnener Aufenthalt in dem kleinen Stadtstaat war mindestens sein fünfter in knapp einem Jahr. Eingereist war er mit einem palästinensischen Pass – das Emirat war einer der wenigen Staaten, die Papiere anerkannten, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgestellt waren und einen falschen Namen sowie eine falsche Berufsbezeichnung angaben. In Wirklichkeit war al-Mabhuh seit Jahrzehnten Topagent der Hamas: 20 Jahre zuvor hatte er zwei israelische Soldaten gekidnappt und ermordet, und seit einiger Zeit, seit der Mossad in Damaskus seinen Vorgänger Issedin al-Sheikh Khalil beseitigt hatte, war er für die Waffenkammern der Hamas zuständig. Einen oder zwei Schritte hinter al-Mabhuh folgte ihm ein Mann in den Lift. »Ich komme jetzt«, sprach er in sein Handy. Al-Mabhuh hatte das vielleicht überhört; jedenfalls schien er es nicht weiter zu beachten.
Agententätigkeit: Der vermeintliche Tourist
Ein Tourist in Dubai, der einem Freund oder einer Freundin mitteilte, dass er auf dem Weg sei, war ja auch nichts Ungewöhnliches. Al-Mabhuh war von Natur aus äußerst vorsichtig. Er wusste, dass die Israelis ihn töten wollten. »Man muss wachsam sein«, hatte er im Frühjahr 2009 in einem Interview mit al-Dschasira gesagt. »Und ich werde – Allah sei Dank – ›der Fuchs‹ genannt, weil ich spüre, was hinter mir ist. Ich spüre sogar, was hinter der Wand dort ist! Ich habe gottlob einen hoch entwickelten Sinn für Sicherheit. Wir wissen, welchen Preis wir für unser Tun zu zahlen haben, haben damit aber kein Problem. Ich hoffe, ich werde einen Märtyrertod sterben.« Der Lift hielt auf der zweiten Etage, und al-Mabhuh stieg aus. Der Mann mit dem Handy fuhr weiter. Also definitiv ein Tourist. Al-Mabhuh wandte sich nach links und ging zu seinem Zimmer, Nummer 230. Der Flur war leer. Gewohnheitsgemäß suchte al-Mabhuh rasch den Türrahmen und den Schließmechanismus nach Kerben und Kratzern ab, nach Indizien dafür, dass sich jemand an der Tür zu schaffen gemacht hatte. Aber da war nichts. Er betrat das Zimmer und schloss die Tür.“
Wenn Agenten sich als Touristen ausgeben
>>Mossad: Missionen des israelischen Geheimdienstes von Michael Bar-Zohar & Nissim Mischal (Buch) <<
„Der Deckname des Mossad für diese Operation lautete dem Journalisten Ronen Bergman zufolge »Plasmabildschirm«. Im Besprechungsraum stellten Dagan und sein Stab ihren Plan zur Ermordung Mabhuhs vor. Das hochrangige Hamas-Mitglied fungierte als Dreh- und Angelpunkt im System des Waffenschmuggels vom Iran über den Sudan, Ägypten und die Sinai-Halbinsel in den Gazastreifen. Mabhuh, so Dagans Männer, solle in Dubai getötet werden, einem der Vereinigten Arabischen Emirate am Persischen Golf.“
Ändern des Äußeren Erscheinungsbildes ist unerlässlich
Mahmud al-Mabhuh wurde im Zimmer 230 ermordet und der vermeintliche Tourist im Fahrstuhl: Entpuppte sich im Nachhinein als Mossad-Agent. Laut Quellen, sollen die Geheimagenten unter einen Vorwand sich Zugang zu seinen Hotelzimmer verschafft haben, ihn mit einen Elektroschocker betäubt und letztlich mit einen Kissen erstickt haben. Offensichtlich sollte die Mission – nicht so richtig – geheim bleiben.
Nur wenige Fälle sind gut dokumentiert
Denn der Tathergang ließ sich im Nachgang problemlos rekonstruiert und wurde medial publik: Demzufolge stellt dieser Auftragsmord zugleich auch eine Botschaft nach außen da: Seht her, so gehen wir mit unseren Feinden um. Gewiss mag Mahmud al-Mabhuh kein „Friedensengel“ gewesen sein, aber mit rechtsstaatlichen Prinzipien, hat diese Vorgehensweise auch nicht viel gemein. Ein entscheidendes Element bei dieser Operation, war das häufige Wechseln der Kleidung: Inklusive die Änderung des gesamten äußeren Erscheinungsbildes. Von unbeholfenen Tennisspieler, über Hotelpersonal und arglosen Touristen, bis hin zum alleinreisenden Geschäftsmann war in diesem Fall alles dabei.
Tarnung: Über Tennisspieler und Hotelpersonal bis hin zum alleinreisenden Geschäftsmann
„Als Königsdisziplin bei der CIA-Ausbildung im Disguise Lab gilt der von Jonna Mendez entwickelte Quick Change (zu Deutsch: Schnellwechsel). „Beim Quick Change müssen unsere Agenten innerhalb von 37 Sekunden in der Öffentlichkeit ihr Äußeres verändern“, so die ehemalige Geheimdienstoffizierin. Ein Agent, der wie ein Geschäftsmann wirkt, muss im Gehen, ohne andere auf seine Transformation aufmerksam zu machen, zu einem Agenten werden, der wie ein junger Student aussieht. Aus einem Rucksack heraus muss er seine neuen Bekleidungsutensilien (Brille, Kopfhörer, Mütze) gegen Abreißhemd, Schlips und Sakko tauschen und in Sekundenschnelle das Schuhwerk wechseln. Das Ziel ist es, quasi vom Radar der Überwachung zu verschwinden.“