“Es war ein Fehler, nach der Wiedervereinigung, die Immobilien der DDR an die Kommunen abzugeben” – “Man hätte sie besser den Bürgern übertragen”

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In der DDR stellte das Volkseigentum die Staatsräson dar. Nach der Kollektivierung und Verstaatlichung – respektive Enteignung – war Privateigentum nur begrenzt erlaubt. Es existierten keine großen Fabrikbesitzer, der Erwerb von Aktien war nicht möglich und Immobilien sollten vorrangig für den Eigenbedarf genutzt werden. Der Aufbau von Vermögen gestaltete sich schwierig. Durch die Währungsunion wurden zudem private Sparkonten entwertet. Die Auswirkungen sind bis heute spürbar und werfen immer noch grundlegende Fragen auf.

“Immobilien machen reich – vor allem im Westen”

>>Spiegel<<

“Immobilien machen reich – vor allem im Westen – Vermögend wird man in der Bundesrepublik mit Unternehmen oder Immobilien. … “Es braucht ein gewisses Startkapital und darüber verfügen Haushalte in Ostdeutschland auch wegen niedrigerer Löhne tendenziell seltener”, erklärt Studienautorin ..die daraus resultierende Vermögensungleichheit.”

“Es braucht ein gewisses Startkapital und darüber verfügen Haushalte in Ostdeutschland auch wegen niedrigerer Löhne tendenziell seltener”

Auch in Zukunft wird sich am Zustand kaum etwas ändern. Dennoch fragt man sich, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Der soziale Wohnungsbau hat eine lange Historie und ist nicht nur auf die Zeit der DDR beschränkt.

“Häufig mussten sich ganze Familien ein einziges Zimmer teilen, in einem Elendsquartier mit primitiven sanitären Einrichtungen”

>>Höllensturz Europa 1914 bis 1949 von Ian Kershaw (Buch) <<

“Weiterhin lebten große Teile der Bevölkerung in einfachsten Verhältnissen auf dem Land oder in grauenhaften Unterkünften in chronisch übervölkerten großen Städten und Industriegebieten. Häufig mussten sich ganze Familien ein einziges Zimmer teilen, in einem Elendsquartier mit primitiven sanitären Einrichtungen. Neue und bessere Unterkünfte wurden dringend benötigt. Gewiss gab es Verbesserungen – mitunter in beeindruckendem Umfang, vor allem, wenn der Staat intervenierte. So baute das demokratische Deutschland bis Ende der 1920er Jahre jährlich über 300 000 neue Wohnungen, viele davon mithilfe öffentlicher Förderprogramme. In Berlin und in Frankfurt am Main entstanden große neue für die Arbeiterklasse vorgesehene Wohnsiedlungen. Während des Kaiserreichs hatten die öffentlichen Ausgaben für Wohnungsbau praktisch bei null gelegen. 1929 war Wohnungsbau der Bereich staatlicher Ausgaben, der gegenüber 1913 den größten Anstieg verzeichnete. Zwischen 1924 und 1930 wurden in Deutschland rund 2,5 Millionen Wohnungen errichtet; damit war dort eine von sieben Wohnungen neu, wovon über sieben Millionen Menschen profitierten.”

“Zwischen 1924 und 1930 wurden in Deutschland rund 2,5 Millionen Wohnungen errichtet; damit war dort eine von sieben Wohnungen neu”

Die Thematik des sozialen Wohnungsbaus wurde bereits in der Kaiserzeit diskutiert, aber erst während der Weimarer Republik begann man tatsächlich im großen Umfang mit dem Bau von Wohnungen. In der zweiten Hälfte der DDR-Geschichte sollte das Wohnungsbauprogramm auf ein völlig neues Niveau gehoben werden.

“Rede von rund 60 Milliarden Mark” – “Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, was die DDR an Nationaleinkommen von 1976 bis 1980 überhaupt erwirtschaften würde”

>>Um jeden Preis: Im Spannungsfeld zweier Systeme von Günter Mittag (Buch) <<

“Das Wohnungsbauprogramm wurde erstmalig in umfassender Weise vom damaligen Minister für Bauwesen, Wolfgang Junker, für die Jahre 1976 bis 1990 begründet. Das erfolgte, man beachte das Datum, bereits am 2. Oktober 1973 auf der 10. Tagung des ZK der SED. Zu diesem Zeitpunkt gab es einen Plan­entwurf für 1976 bis 1980 noch nicht einmal im ersten Ansatz. Es war die Rede von rund 60 Milliarden Mark, die ausgegeben werden sollten. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, was die DDR an Nationaleinkommen von 1976 bis 1980 überhaupt erwirtschaften würde, wieviel davon wofür verwendet werden könnte usw. Es gab noch keinerlei gesamtvolkswirtschaftliche Berechnungen, auch nicht darüber, welche Subventionsbelastung für den Wohnungsbau entstehen würde. Und: zu diesem Zeitpunkt hatte die erste Ölkrise bereits stattgefunden. … Was 1973 festgeschrieben wurde, nämlich die Fertigstellung von 750 000 Wohnungen, ist dann auch in den Fünfjahrplan aufgenommen und durchgeführt worden, es waren sogar 813 000 fertiggestellte Wohnungen, obwohl sich die äußeren Bedingungen bereits verändert hatten.”

“Es waren sogar 813 000 fertiggestellte Wohnungen, obwohl sich die äußeren Bedingungen bereits verändert hatten”

In der Tat stieß das Wohnungsbauprogramm auch innerhalb der DDR-Führung auf Widerspruch. Es hat beträchtliche finanzielle und materielle Ressourcen in Anspruch genommen, welche an anderen Stellen fehlten.

“Wer das eine Ziel erreichen wollte, musste andere Dinge vernachlässigen” – “Die in den Wohnungsbau investierten Mittel fehlten der Wirtschaft”

>>Jetzt reden wir Weiter: Was heute aus der DDR-Wirtschaft zu lernen ist von Kombinatsdirektoren  (Buch) <<

“Infolge der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Ausgangsbedingungen hinsichtlich der Stahlproduktion sehr schlecht. Wir hatten nicht genügend Stahl und damit zu wenig Heizungsrohre für die mit Fernwärme beheizten Neubauwohnungen. Deshalb führten wir die »Einrohrheizung« ein, um Material zu sparen. … Doch das Wohnungsbauprogramm war des Ersten Sekretärs Heiligtum, daran wurde nicht gerüttelt. Die in den Wohnungsbau investierten Mittel fehlten der Wirtschaft. Hinzu kam, dass der Energieverbrauch der Bevölkerung seit den 1970er Jahren doppelt so schnell wuchs wie der der übrigen Bereiche der Gesellschaft. Wer das eine Ziel erreichen wollte, musste andere Dinge vernachlässigen.”

“Das Wohnungsbauprogramm war des Ersten Sekretärs Heiligtum, daran wurde nicht gerüttelt”

Die DDR-Wohnungen wurden nach der Wiedervereinigung teilweise als “Platteverunglimpft. Trotz ihrer Mängel stellten sie damals einen bedeutenden Fortschritt dar, da sie mit Strom, Warmwasser, Badezimmer und meist Fernwärme ausgestattet waren. Im Vergleich dazu waren nicht wenige westdeutsche Altbauwohnungen deutlich spärlicher ausgestattet. Mit der Wiedervereinigung geriet dieses Wissen jedoch weitestgehend in Vergessenheit und der Beginn der heutigen Wohnungskrise lässt sich genau zu diesem Zeitpunkt festmachen.

“Der »Mietenwahnsinn« in manchen Regionen sind ebenso wenig vom Himmel gefallen wie prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Hungerlöhne”

>>Kinder der Ungleichheit von Christoph Butterwegge (Buch) <<

“Die gegenwärtige Wohnungsmisere und der »Mietenwahnsinn« in manchen Regionen sind ebenso wenig vom Himmel gefallen wie prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Hungerlöhne, vielmehr durch politische Entscheidungen zugunsten von Kapitaleigentümern, Immobilienkonzernen und Großinvestoren erzeugt worden. Seit den 1980er-Jahren überließ die staatliche Wohnungs-, Wohnungsbau- und Stadtentwicklungspolitik privaten Investoren das Feld. CDU, CSU und FDP schafften zum 1. Januar 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit ab. Bis dahin hatte der Staat z. B. genossenschaftlichen Wohnungsbaugesellschaften bestimmte Steuervorteile gewährt, sie dafür jedoch zur Beschränkung auf eine Kostenmiete und zur Begrenzung von Gewinnausschüttungen verpflichtet. Vorher preisgebundene Wohnungsbestände gelangten nunmehr auf den Immobilienmarkt, wo es primär um hohe Renditen für Aktionäre ging.”

“CDU, CSU und FDP schafften zum 1. Januar 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit ab”

Im Zuge der Wiedervereinigung fielen die ehemaligen DDR-Wohnungen nicht in den Besitz der Bewohner, sondern wurden vom Staat übernommen. Diese Übertragung ist bis heute umstritten, da die Wohnungen einst mit öffentlichen Geldern errichtet wurden. Die Folgen dieser Entscheidung sind bis heute spürbar.

“Heute sind viele Westdeutsche Vermieter von Ostdeutschen”

>>Welt<<

“Der Anteil der Personen, die zur Miete wohnen, ist deutlich höher als im Westen der Republik. Aber gerade Immobilienbesitzer profitierten in den vergangenen Jahren aufgrund der Niedrigzinsen und der damit verbundenen Flucht in Sachwerte von deutlichen Wertsteigerungen. „Es war ein Fehler, nach der Wiedervereinigung, die Immobilien der DDR an die Kommunen abzugeben“, sagt DIW-Experte … . Man hätte sie besser den Bürgern übertragen. Stattdessen verkauften die meisten ostdeutschen Kommunen diese weiter – meistens an Investoren oder Wohlhabende, die sogar steuerlich begünstigt wurden. „Heute sind viele Westdeutsche Vermieter von Ostdeutschen“, sagt … .”

“Es war ein Fehler, nach der Wiedervereinigung, die Immobilien der DDR an die Kommunen abzugeben” – “Man hätte sie besser den Bürgern übertragen”

Nach der Vereinigung wurden zahlreiche Wohnungen in der ehemaligen DDR –  offenkundig zu niedrigen Preisen – an Investoren verkauft. Diese Immobilien bilden heute einen bedeutenden Vermögenswert und die angespannte Mietlage trägt wohl kaum zur sozialen Frieden bei.